Luzerner Gemeinden sind unzufrieden

Nach Kritik an neuen Tageskarten – ÖV-Branche wehrt sich

Viele Gemeinden in Zug und Luzern verzichten darauf, die neuen SBB-Tageskarten einzuführen. (Bild: ewi)

Die Gemeinde-Tageskarten gibt es nur noch bis Ende Jahr. Doch das Nachfolgemodell macht in Luzern und Zug nur wenige Gemeinden glücklich. Nun wehrt sich die zuständige Alliance Swisspass gegen die Kritik.

Der ÖV-Markt präsentiert sich manchmal wie ein Dschungel. Es gibt unzählige Tarifverbände und Transportunternehmen und darum noch mehr Preismodelle, Abos und Ticketsysteme. Da den Durchblick zu behalten, ist gar nicht so einfach. Die Gemeinde-Tageskarte ist darum wie ein Anachronismus.

Jede Gemeinde hat ein bestimmtes Kontingent an SBB-Tageskarten. Diese können bei den Gemeinden zu einem vergünstigten Preis gekauft werden. Am Schalter oder per Post erhält man das physische Billett dann zugestellt und kann damit für diesen Tag das gesamte ÖV-Netz der Schweiz benutzen. Einfach und praktisch.

Luzerner und Zuger Gemeinden wollen das neue Produkt nicht

Doch die Zeit der Gemeinde-Tageskarte ist vorbei. Ende Jahr läuft das Angebot endgültig aus, viele Gemeinden haben aber bereits jetzt keine Tageskarten mehr. Eine Nachfolgelösung ab 2024 liegt auf dem Tisch. Doch viele Gemeinden in Luzern und Zug sträuben sich dagegen, das neue Modell einzuführen.

Die Gemeinden im Kanton Zug machten den Anfang. Keine einzige Gemeinde will die neue Spartageskarte Gemeinde einführen. In Zug hatte die ablehnende Haltung der Gemeinden gar einen politischen Vorstoss zur Folge (zentralplus berichtete).

«Wir schätzen den Aufwand nicht höher ein als mit dem bisherigen System.»

Susanna Wittwer, Sprecherin Alliance Swisspass

Dann zogen auch im Kanton Luzern mehrere Gemeinden nach. Erst Emmen, dann Meggen und zuletzt auch Sempach. Sie alle verzichten vorerst auf die Einführung der neuen Tageskarte (zentralplus berichtete).

Schweizer Gemeindeverband hat neue Tageskarte mit entwickelt

Die Spartageskarte Gemeinde

Die neue Tageskarte orientiert sich am Prinzip der etablierten Spartageskarten. Hier wie dort gilt: früher buchen, weniger bezahlen. Das Produkt wird in zwei Preisstufen, für die 1. und 2. Klasse sowie für Personen mit und ohne Halbtaxabonnement angeboten. Die günstigere Stufe steht bis maximal zehn Tage vor dem Reisetag zur Verfügung und kostet mit Halbtaxabo in der 2. Klasse 39 Franken. Ohne Halbtax beträgt der Preis 52 Franken.

Die Preisstufe 2 gilt bis einen Tag vor der Reise. Hier kostet das günstigste Ticket 59 Franken. Die bisherigen Gemeinde-Tageskarten kosteten je nach Gemeinde und unabhängig vom Kaufzeitpunkt zwischen 40 und 50 Franken.

Kundinnen können eine beliebige Anzahl Tickets kaufen, wobei jede Tageskarte personalisiert ist. Sie kann wahlweise als E-Ticket ausgedruckt oder als Mobile-Ticket per E-Mail bezogen werden. Wie das Ticket ausgestellt wird, ist von der Gemeinde abhängig.

Verschiedene Gemeinden, dieselbe Kritik: Die Spartageskarte Gemeinde schaffe für die Gemeinden einen Mehraufwand. Weil die neuen Billetts personalisiert sind, müssen sie am Schalter der Gemeinden abgeholt werden. Dass das Angebot nicht digital erhältlich ist, ist für die Kunden ein Rückschritt. Gleichzeitig wächst für die Gemeinden der Aufwand.

Dass zahlreiche Gemeinden Kritik am neuen System äussern, ist überraschend. Zumal diese sehr heterogen sind. Vom urbanen Emmen bis zum ländlichen Neuheim – alle scheinen ihre liebe Mühe mit dem neuen Modell zu haben.

Dabei hatte sich die Alliance Swisspass, welche die Nachfolgelösung erarbeitet hat, um einen partizipativen Prozess bemüht. So hat sie bei der Erarbeitung des neuen Produkts sowohl mit dem Schweizer Städte- als auch Gemeindeverband zusammengearbeitet. Die Anliegen der Gemeinde und Städte sind darum bei der Entwicklung des Produkts mit eingeflossen.

Alliance Swisspass weist auf Vorteile hin

Die Kritik der Gemeinden kann die Alliance Swisspass darum nicht nachvollziehen. Insbesondere der Vorwurf der mangelnden Digitalisierung verwundert die ÖV-Branchenorganisation. Sie weist darauf hin, dass im Gegensatz zur vorherigen Lösung das neue Billett nun als E-Ticket erhältlich sei. Die Gemeinden können selber auswählen, ob sie die Tickets digital oder physisch abgeben wollen. «Von daher erschliessen sich manche Aussagen, die nun in der Öffentlichkeit geäussert werden, für uns nicht», sagt Sprecherin Susanna Wittwer auf Anfrage.

Eigentlich wäre die neue Spartageskarte Gemeinde digital erhältlich. Doch weil die Tickets personalisiert sind, sehen viele Gemeinden den Kontakt am Schalter immer noch als zwingend. (Bild: Alliance Swisspass)

Sie führt aus: «Wir schätzen den Aufwand nicht höher ein als mit dem bisherigen System.» Denn bisher mussten die Gemeinden im Vorfeld eine bestimmte Anzahl Tageskarten mit fixem Datum einkaufen und bewirtschaften. Das erübrigt sich jetzt.

Dies bringt für die Gemeinden auch finanzielle Vorteile mit sich. Denn die bisherige Lösung war kostspielig, weil sie unter Umständen nicht alle Tickets verkaufen konnten und auf den restlichen Tickets sitzen blieben. Nun müssen die Gemeinden nur noch die effektiv bezogenen Tickets bezahlen.

Verband der Luzerner Gemeinden ist zuversichtlich

Es sind zwar erstaunlich viele, aber nicht alle Gemeinden gegen die neue Spartageskarte Gemeinde. Dies zeigt eine Anfrage von zentralplus beim Verband der Luzerner Gemeinden (VLG). «Die neuen Spartageskarten bewertet der VLG insgesamt als positiv», sagt Beat Bucheli, Vizepräsident des Verbands. Er räumt zwar ein, dass der Aufwand für die Gemeinden etwas grösser werde, hebt aber gleichzeitig die oben genannten Vorteile des neuen Produkts hervor. Bucheli ist zudem im Vorstand des Schweizer Gemeindeverbands.

So sieht das Preismodell für die neue Tageskarte aus. (Bild: Screenshot Alliance Swisspass)

Im Gegensatz zur Alliance Swisspass kann Bucheli die Kritik der Gemeinden wegen des gewachsenen Aufwands jedoch nachvollziehen. Ein schweizweit einheitliches System, welches die Gemeinden sicher entlastet hätte, sei denn auch geprüft worden. Doch die Entwicklung eines gemeinsamen Tools für alle Gemeinden und Städte wäre mit einem unverhältnismässig grossen finanziellen und personellen Aufwand verbunden gewesen, weil die Gemeinden verschiedenste IT-Lösungen anwenden würden. Hier eine gemeinsame Schnittstelle zu finden, sei fast unmöglich, bestätigt auch Alliance-Swisspass-Sprecherin Susanna Wittwer.

VLG-Vizepräsident Beat Bucheli will sich deshalb auf die positiven Seiten der neuen Tageskarte konzentrieren. Schliesslich sei das Angebot freiwillig, doch: «Die Gemeinden können dies gegenüber der Bevölkerung auch als wichtige Dienstleistung ansehen.» Er sagt, dass insbesondere die ältere, weniger digital-affine Bevölkerung solche Angebote schätze.

Trotz zahlreicher Kritik hält die Alliance Swisspass an der geplanten Einführung der neuen Tageskarte Anfang 2024 fest. Die Einführung wird von einer Erfahrungsgruppe begleitet, welche nach einem Jahr eine erste Bilanz zieht.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Susanna Wittwer
  • Informationen zur Spartageskarte Gemeinde
  • Schriftlicher Austausch mit Beat Bucheli
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


10 Kommentare
  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 05.09.2023, 16:25 Uhr

    Die CH allgemein zu kompliziert, finde ich. Ich löse ein Ticket Emmen Gersarg Bahnhof Sursee nach Willisau, nach Hause will ich aber via Wolhusen Littau. Denkste, das nette Fräulein am Schalter (gut fragte ich nach): 1,80 Fr Zuschlag. Oder noch was: Ich fahre von Littau nach Willisau, die Zone Luzern wird aber doppelt gezählt. Warum kann man nicht ein Billet lösen und gut ist es. Wer eine Tageskarte will, soll dies online machen können. Ich registriere mich, nun kann ich max 5 oder 7 Karten verteilt im Jahr lösen.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
  • Profilfoto von hombi
    hombi, 05.09.2023, 15:28 Uhr

    Die neue ÖV Tageskarte finde ich gut. Für den Benutzer (Fahrgast) gibt es doch einige Verbesserungen gegenüber der «alten» Gemeindetageskarte. U.a. ist sie erhältlich für die 2. und 1. Klasse, als E-Ticket und den Gemeinden steht es offen ob sie die Tickets digital abgeben wollen. Die Zukunft wird zeigen wie die Umstellung auf das neue System von den Benutzern und Gemeinden akzeptiert wird.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Steinhauser
    Steinhauser, 05.09.2023, 14:52 Uhr

    Dafür erhält man das Jahresabo neu für 12 Monate und bezahlt nur 9, anstelle 10. Das dürfte Herr Wildisen etwas expliziter erwähnen. Und, sämtliche ab 9-Uhr-Angebote fallen weg.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von märtl
    märtl, 05.09.2023, 13:01 Uhr

    Bin Grad ein bisschen irritiert. Stadt Zug will wegen dem Mehraufwand keine Tageskarten mehr verkaufen? Weil die Tickets personalisiert seien, müssen die abgeholt werden. Bis jetzt musste man das ja auch. Vielleicht habe ich auch etwas fehlinterpretiert. Aber wenn das der Grund ist, verstehe ich nicht ganz, weshalb man nicht weiter Tageskarten verkaufen kann.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
    • Profilfoto von Tina
      Tina, 05.09.2023, 14:21 Uhr

      Die Tageskarten waren bis jetzt keineswegs personalisiert. Man konnte bis anhin online (egal wo und wann) die Tageskarten reservieren und anschliessend abholen. Mit dem neuen Konzept muss man persönlich am Schalter die Reservierung tätigen, Name, Vorname etc. angeben und dann beziehen. Die Gemeinde muss so jede Reservation einzeln tätigen.

      👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von ZeroSec
    ZeroSec, 05.09.2023, 11:19 Uhr

    «Die Kritik der Gemeinden kann die Alliance Swisspass darum nicht nachvollziehen.» Sie kann auch die Kritik nicht nachvollziehen wenn Personendaten vom Swisspass geleakt werden oder ihr ach so kopiersicherer Swisspass trotzdem dupliziert wird. Meiner Meinung nach ist die Alliance Swisspass generell kritikunfähig

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von martin.vonrotz
    martin.vonrotz, 05.09.2023, 10:24 Uhr

    Dann soll doch die Swisspass Allianz bitte eine Liste mit allen Namen derjenigen des «Schweizer Gemeindeverbandes» bekannt machen und dann kann man mit denjenigen klären was sie sich wohl dabei gedacht haben. Am Besten ganz abschaffen und die SBB verkauft einfach mehr «günstige» Billette.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 05.09.2023, 09:45 Uhr

    Man könnte sich auch mal grundsätzlich fragen, ob die Abgabe von verbilligten öV-Billetten, oder überhaupt von öV-Billetten, eine Aufgabe der Gemeinden ist. Schliesslich erhält man von der Gemeinde auch keinen Rabatt aufs Benzin oder für die Veloreparatur.

    👍0Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
    • Profilfoto von martin.vonrotz
      martin.vonrotz, 05.09.2023, 10:22 Uhr

      Die Gemeinde gib keinen Rabatt, sie ist/wäre nur die «Verkaufsstelle». Vielleicht zuerst informieren?

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
      • Profilfoto von Franz
        Franz, 05.09.2023, 10:33 Uhr

        @mvonrotz: Bitte genau lesen, was ich geschrieben habe. Danke und schönen Tag!

        👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon