Kollabiert die Buslinie 1 in Luzern?

Die Deutschen sollen den VBL aus der Patsche helfen

Kurz nach acht Uhr morgens in der Buslinie 1 von Kriens Richtung Luzern. (Bild: kok)

Die Verkehrsbetriebe Luzern haben eine wichtige Buslinie gestrichen und stehen nun in der Kritik. Wie schlimm ist die Lage, und was passiert jetzt? zentralplus begibt sich auf Spurensuche.

13 Kilometer Strecke, 39 Haltestellen, 8 Millionen Fahrgäste pro Jahr: Die Buslinie 1 ist eine Hauptschlagader von Luzern. Und ständig in den Medien. Die städtische FDP warnt vor einem Kollaps des Busverkehrs, da die Linie «prallgefüllt» sei (zentralplus berichtete). Die Krienser Parteien schreiben, Fahrgäste wären zum Ausstieg aufgefordert worden (zentralplus berichtete). Stimmt das?

zentralplus hat sich aufgemacht und ist Linie 1 gefahren. Zur Stosszeit, zwischen sieben und halb neun Uhr. Auf der Strecke Bahnhof–Kriens. Von innen beschlagene Scheiben, Schulter an Schulter mit Fahrgästen und fünf Minuten Verspätung: Der erste Eindruck hat den Horror bestätigt. Fahrgäste, die nicht mehr in den Bus kamen, waren aber nicht dabei.

VBL bedauern Einstellung der Buslinien

Von Fahrern, die Fahrgäste zum Aussteigen auffordern würden, sei auch den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL) nichts bekannt, sagt Mediensprecher Sämi Deubelbeiss. Es komme aber vor, dass die Fahrgäste gebeten werden, die Türen freizumachen. «Wenn die Türen nicht mehr zugehen, weil der Bus zu voll ist, verlieren wir pro Haltestelle rasch einmal 30 Sekunden, was zu Verspätungen führt», sagt er. Ausserdem hätten die VBL Verständnis für den grassierenden Unmut.

Der Grund? Im Oktober musste das Unternehmen aus akutem Personalmangel die Linie 5 streichen. Zuvor unterstützte sie die Linie 1 (Kriens Obernau–Ebikon Fildern) zwischen Kriens und dem Pilatusplatz, bevor sie Richtung Emmenbrücke abbog. Ebenfalls eingestellt wurden die Verstärkerkurse der Linie 1 zwischen Bahnhof und Maihof. Was die VBL temporär bis 10. Dezember angekündigt hatten, mussten sie bis Ende März verlängern (zentralplus berichtete).

Alle acht Minuten fuhr hier im Krienser Zentrum auch die Buslinie 5 – bis vor Kurzem. (Bild: kok)

Die Folge: In den bereits früher vollen Bussen der Linie 1 stehen und sitzen nun noch mehr Passagiere. Sowohl zwischen Kriens und Bahnhof als auch in Richtung Maihof. Von der Streichung der Linie 5 seien 5000 Fahrgäste betroffen, schätzt der Luzerner Stadtrat in seiner Antwort auf eine dringliche Interpellation zum Thema.

VBL und Stadt Luzern erklären die Hintergründe

Warum haben die VBL ihren Personalmangel auf eine einzige Strecke und einzelne Gemeinden abgewälzt? Die Entscheidung sei nicht leicht gewesen, sagt Sämi Deubelbeiss. «Wir haben mehrere Varianten geprüft und mit dem Verkehrsverbund Luzern besprochen.» Die Entscheidung sei dann aus «Gründen der Klarheit» gefallen. «Streichungen auf vielen verschiedenen Linien wären ein Riesenaufwand gewesen und hätten für Verwirrung gesorgt.» Für eine grosse Mehrheit der VBL-Kundinnen sei das aktuelle Regime «die beste Lösung».

Der Stadtrat führt aus: Durch den Eingriff könnten 85 Fahrplanstunden eingespart werden. Das sei sonst nur mit deutlich mehr Aufwand möglich. «Es hat sich gezeigt, dass ohne Einstellung der Linie 5 bei mindestens acht Buslinien Angebotsreduktionen vorgenommen werden müssten», so der Stadtrat in seiner Antwort auf den Vorstoss.

Die Einstellung der Linie 5 habe zudem einen entscheidenden Vorteil: Je nach Personalsituation könne der Betrieb im April in Etappen «hochgefahren» werden, also erst im 15-Minuten-Takt und später wie gewohnt. Den betroffenen 5000 Fahrgästen die Linie 5 wieder anzubieten, sei oberste Priorität, betont der Stadtrat. Er übe aber keinen direkten Einfluss auf das Angebot aus.

Anwerbung in Deutschland

Damit die Linie 5 bald wieder in Betrieb geht, werben die VBL mit Hochdruck neue Fahrer an. Dabei zielt das Unternehmen auf ehemalige Mitarbeiter und Fahrer von anderen Schweizer Transportunternehmen ab. Bis zum 1. April 2024 sollen 35 neue Mitarbeiter zu den 420 Fahrern der Verkehrsbetriebe dazustossen. Auch Deutsche spielen eine entscheidende Rolle im Schlachtplan der Luzerner Verkehrsbetriebe (zentralplus berichtete).

Die Anwerbung läuft über ein Vermittlungsbüro. Personalleiter Walter Jenny reise aber selbst ins Nachbarland, um die Bewerbungsgespräche zu führen, wie er erklärt. Mit Erfolg: «Seit Juli 2023 haben 14 Fahrdienstmitarbeitende aus Deutschland ihre Arbeit bei den VBL angetreten», schreibt er zentralplus. Weitere 10 bis 15 Personen sollten im ersten Quartal 2024 kommen. Die neuen Mitarbeiter seien teils schon nach drei Wochen in Luzern am Steuer. Andere bräuchten drei bis vier Monate für den Umzug und das Einarbeiten.

Warum haben die VBL einen Personalmangel?

Bei einer Pressekonferenz im November erklärte das Unternehmen die Hintergründe. Im vergangenen Jahr habe es einen Personalüberbestand gegeben und wenig Kündigungen. In der Folge verlangsamten die VBL die Rekrutierung. Dann seien die Kündigungen gestiegen, auch wegen der starken Arbeitsbelastung, wie ein Chauffeur sagte. Gemeinsam mit kurzfristigen Absenzen war der Personalmangel plötzlich da (zentralplus berichtete).

Neu ist das nicht: Seit 2006 werben die VBL Fahrdienstmitarbeiter beim Nachbarn im Norden an. Sie werden nicht direkt bei den VBL angestellt, sondern bei der Vermittlungsagentur. Garantieren die VBL für einen gleichwertigen Lohn? «Die Anstellungsbedingungen werden immer wieder gemeinsam überprüft, besprochen und bei Bedarf angepasst. Sowohl der Verleihvertrag als auch der Einzelarbeitsvertrag liegen den VBL vor», betont Walter Jenny.

Schokolade für Mitarbeiter und Kunden

Fast zeitgleich zum Rummel um die Linie 5 haben die VBL eine Verteilaktion gestartet: Wer in den vergangenen zwei Wochen im Bus gefahren ist, hat vielleicht ein Päckchen Schokolade erhalten. «Wir danken dir für deine Treue», steht darauf. Die Schoggiaktion sei eine Idee des Marketings gewesen. Rund 10’000 Tafeln hätten freiwillige VBL-Mitarbeiter an Fahrgäste und Kollegen verteilt, erzählt Bania Phuong, KV-Lehrling beim Unternehmen, der beim Verteilen mithilft.

Ali Ordu (links) und Bania Phuong (rechts) verteilen im Namen der VBL Schokolade an die Fahrgäste. (Bild: kok)

Die Reaktionen auf die Aktion seien durchweg positiv, sagt Bania Phuong. Auch andere Mitarbeiter würden Freundlichkeit erleben, bestätigt Sämi Deubelbeiss. «Nur sehr vereinzelt haben Fahrgäste gesagt, wir sollten lieber 5er fahren, statt Schoggi verteilen.» Beim Verteilen seien aber keine Fahrer involviert, verspricht der Mediensprecher. Die Aktion gebe es zudem seit Jahren.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Sämi Deubelbeiss, Mediensprecher der VBL
  • Schriftlicher Austausch mit Luzia Frei, Mediensprecherin VVL
  • Medienmitteilung der VBL zur Einstellung der Linie 5
  • Augenschein in der Buslinie 1
  • Telefonat mit Bania Phuong, Lehrling im Marketing der VBL
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Antwort des Luzerner Stadtrats auf eine dringliche Interpellation
20 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon