Die VBL üben sich mit ungewöhnlichem Schritt in Selbstkritik
:focal(1157x648:1158x649)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2023/10/VBL-scaled-e1698748834532.jpg)
Nachdem die Verkehrsbetriebe Luzern bekannt gaben, die Buslinie 5 temporär einzustellen, setzen sie nun auf unkonventionelle und erfrischende Kommunikation. Die Mitarbeiter beschreiben die Probleme unbeschönigt.
Normalerweise nehmen an Pressekonferenzen immer die «hohen Tiere» teil. Geschäftsführer, Stadtpräsidenten, Angestellte im hohen Kader. Diese sind medial geschult und wissen, was sie sagen sollen – und was besser nicht. Eine – zumindest für Journalisten – angenehme Abwechslung war deshalb die Medienkonferenz am Dienstagvormittag im Depot der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL).
Dort standen keine CEOs, Verwaltungsräte oder Parteipräsidentinnen den Medien Red und Antwort, sondern «normale» Mitarbeiter. Ein Buschauffeur, ein Fahrdienstteamleiter, der Leiter des Betriebsbüros und die stellvertretende Leiterin der Personalabteilung.
Mitarbeiter an der «Front» sprechen ungeschönt
Sie waren gekommen, um zusammen mit dem VBL-Mediensprecher Sämi Deubelbeiss über die temporäre Einstellung der Buslinie 5 zu sprechen, die am vergangenen Mittwoch bekannt wurde. Zur Erinnerung: Die VBL werden diese Linie, die von Emmen nach Kriens führt, ab Donnerstag bis voraussichtlich am 10. Dezember wegen eines Mangels an Chauffeuren komplett einstellen, danach wird sie wohl eingeschränkt wieder aufgenommen (zentralplus berichtete).
Ziel der Medienkonferenz war es, die Mitarbeiter an der «Front» über das Thema und generell über die Arbeitsbedingungen berichten zu lassen. Und das taten sie – und zwar ungeschönt. Den Teilnehmern war es anzumerken, dass sie für den Betrieb leben und dass es ihnen leidtut, dass sie den Fahrgästen nicht mehr den normalen Betrieb anbieten können.
Schraube zu spät angezogen
Andrea Arnet, stellvertretende Leiterin der Personalabteilung, erklärte, wie es überhaupt zum Personalmangel bei den VBL kam. Im vergangenen Jahr hätten die Verkehrsbetriebe einen Personalüberbestand gehabt mit «erfreulich wenigen Kündigungen». Deswegen habe man daraufhin weniger neues Personal rekrutiert. «Selbstkritisch kann man sagen, wir haben es verpasst, die Schraube bei der Personalrekrutierung anzuziehen», befand Mediensprecher Sämi Deubelbeiss.
Arnet erklärte, seit Monaten gebe es nun wieder vermehrt Kündigungen. «Dadurch sind wir in einen Personalengpass gerutscht.» Ausschlaggebend für die temporäre Einstellung der Buslinie 5 seien zudem kurzfristige Absenzen.
Mehrere Chauffeure springen ab
Ein weiterer Grund: Anfang Jahr gaben die Verkehrsbetriebe bekannt, die von der Heggli AG betriebenen Linien 9, 11, 14, 15, 16 und 21 per Ende 2023 zu übernehmen (zentralplus berichtete). Zuvor hatte die Krienser Transportfirma diese Linien jahrelang mit 50 eigenen Chauffeuren im Auftrag der VBL betrieben. Diese 50 Chauffeure wollten die VBL übernehmen, jedoch sei es dieses Jahr zu Abgängen gekommen, sodass die VBL diese Buslinien nun mit eigenen Chauffeuren betreiben müssten, die wiederum für andere Linien fehlten. Grund: Die von der Heggli AG betriebenen Linien dürfen gemäss dem Verkehrsverbund Luzern nicht gekürzt werden. Darum mussten die VBL laut eigenen Angaben an ihrem eigenen Angebot Kürzungen vornehmen – die Wahl fiel auf die Linie 5.
Doch weshalb kommt es überhaupt immer wieder zu Kündigungen? Buschauffeur Daniel Camenzind sagte an der Pressekonferenz: «Ich höre von vielen Kollegen, dass die Verkehrssituation belastend sei. In der Stadt Luzern muss man als VBL-Chauffeur immer 150 bis 200 Prozent konzentriert sein.» Der Verkehr nehme zu, die Busse würden deswegen unpünktlicher, was wiederum die Fahrgäste vergraule. «Ich habe Kollegen, die sagen, sie würden zu Postauto wechseln, dann hätten sie den Verkehr und den Stress nicht.»
Neues Parkregime regt Mitarbeiter auf
Camenzind sprach zudem einen anderen – bisher wohl unterschätzten – Grund für diverse Kündigungen an. Die VBL führten für das Depot an der Tribschenstrasse ein neues Parkregime ein. Früher konnten die Mitarbeiter gratis parkieren. Tempi passati, denn seit Juni müssen die Angestellten zehn Franken pro Tag bezahlen – ausgenommen sind Angestellte im Früh- oder Spätdienst. «Das kam bei vielen Fahrdienstmitarbeitern nicht wahnsinnig gut an», sagte Camenzind. Es gebe Chauffeure, die eine lange Anreise hätten und auf das Auto angewiesen seien.
Gefragt, was die VBL-Angestellten für Wünsche an die Politik haben, sagte Mario Bühlmann, Teamleiter Fahrdienst und damit selbst ab und zu hinter dem Steuer: «Mehr Busspuren, damit wir für unsere Fahrgäste beispielsweise im Feierabendverkehr wieder attraktiver werden.» Auch Ampelphasenbevorzugungen seien ein gutes Mittel. Kollege Dominik Birrer, Leiter der Leitstelle und des Betriebsbüros, führte aus, dass die VBL immer mehr Probleme mit dem Verkehr hätten. «Zu den Stosszeiten, bei Baustellensituationen und wenn irgendwo ein Unfall ist, haben wir ein Problem. Dann sind unsere Busse verspätet.»
Pressesprecher Deubelbeiss fasste es so zusammen: «Wenn der ÖV nicht mehr verlässlich ist, verzichten mehr Leute auf den ÖV.» Trotzdem seien diese Leute unterwegs, was mehr Verkehr mit sich bringe und das Problem verschärfe. Ein Teufelskreis.
Mehr Chauffeure aus dem Ausland
Doch es gibt auch Lichtblicke. Die VBL rekrutieren seit diesem Sommer auch Chauffeure aus dem Ausland (zentralplus berichtete). 13 Personen habe man seither aus Deutschland stellen können. Zudem würden im kommenden Jahr die Löhne um 2,5 Prozent erhöht.
Es ist also nicht alles schlecht bei den Verkehrsbetrieben. Festzustellen gilt es: An den «Front»-Mitarbeitern liegt es kaum, dass die Verkehrsbetriebe Luzern derzeit eine schwierige Zeit durchmachen.
- Besuch der VBL-Pressekonferenz
- Medienarchiv zentralplus
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.