Auf dem Zugerberg sollen bald Windräder stehen

Windkraft: Stadt Zug will, doch der Kanton bremst

Hier beim Standort Mittelmatt auf dem Zugerberg besteht gemäss Zuger Stadtrat grosses Potenzial für einen Windpark. (Bild: Andreas Busslinger)

Stehen bald mehrere Windräder auf dem Zugerberg? Windmessungen belegen das grosse Potenzial des Standorts. Darum ist der Zuger Stadtrat von der Idee angetan. Der Regierungsrat hingegen ist skeptisch.

Strommangellage. Dieses Wort wurde zum «Wort des Jahres» 2022 gewählt. Allein diese Tatsache zeigt auf, wie omnipräsent das Thema Energie im vergangenen Jahr gewesen ist. Zwar hat die Schweiz den Winter gut überstanden und verschärfte Stromsparmassnahmen wurden nicht nötig. Dennoch hat das Thema eine Diskussion über die Stromgewinnung in der Schweiz losgetreten.

Denn von links bis rechts herrscht Einigkeit darüber, dass die Schweiz auf dem Strommarkt zu stark vom Ausland abhängig ist. Doch diese Einigkeit ist schnell vorbei, wenn die Frage aufkommt, wie diese Abhängigkeit verringert werden könnte. Während bürgerliche Parteien das Comeback von Atomkraftwerken fordern, wollen die Linken erneuerbare Energien fördern. Vor allem Solarenergie – aber auch die Windkraft.

Messungen zeigen grosses Potenzial des Standorts

In diesem Bereich soll auch der Kanton Zug einen Beitrag zur Stromproduktion liefern. So hat die ALG-CSP-Fraktion in einem Postulat gefordert, dass der Zugerberg als Standort eines möglichen Windparks geprüft werden soll (zentralplus berichtete). Der Stadtrat ist diesem Auftrag nachgekommen und kommt zum Schluss: Der Zugerberg hat als Standort für einen Windpark grosses Potenzial.

Gemessen wurde beim Standort Mittelmatt, der knapp einen Kilometer nördlich der Bergstation der Zugerbergbahn liegt. Ein grosses Windrad mit einer Nabenhöhe von 150 Metern würde zwischen 5,5 und 7 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren. Ein Windpark mit drei bis fünf solcher Anlagen würde demnach rund 10 bis 15 Prozent des jährlichen Strombedarfs der ganzen Stadt Zug liefern oder den Strombedarf aller Stadtzuger Haushalte zu 30 bis 60 Prozent decken. Allerdings würde es sich bei dieser Höhe um echte Megawindräder handeln. Die Nabenhöhe der bisher in der Schweiz gebauten Windräder liegt mehrheitlich unter 100 Metern.

Zu sehen ist das Windrat Entlebuch mit Abendstimmung.
Die Windräder im Entlebuch sind rund 60 Meter hoch. (Bild: zvg)

Der Windpark auf dem Zugerberg würde zwei Drittel des Stroms in den Wintermonaten produzieren – also dann, wenn die Stromknappheit in der Schweiz am grössten zu werden droht. Weiter rechnet der Stadtrat vor, dass ein Windpark dieser Grösse 45 bis 90 Millionen Franken kosten würde.

ALG-Gemeinderat Patrick Steinle, der hinter dem Postulat steckt, sagt auf Anfrage: «Ich bin erfreut, weil die vom Stadtrat veranlasste orientierende Messung ein beträchtliches, sogar wirtschaftlich interessantes Windkraftpotenzial gerade in den Wintermonaten erwarten lässt, was meine Hoffnung bestätigt.»  

Kanton Zug ist skeptisch gegenüber Windkraft

Der Zuger Stadtrat prüft jetzt, ob im Rahmen der Ortsplanungsrevision Gebiete im Richtplan der Gemeinde definiert werden sollen, die sich für Windräder eignen sollen – wie eben auf dem Zugerberg. Der Stadtrat begründet im entsprechenden Bericht: «Dies insbesondere, weil die aktuellen Messdaten ein relevantes Potenzial ausweisen und weil der Stadtrat seine Offenheit bekunden und die Bedeutung einer erneuerbaren und lokalen Energieversorgung unterstreichen will.»

«Weitergehende Abklärungen in Bezug auf Windparks im Kanton Zug sieht der Regierungsrat angesichts der Entscheide im Jahr 2015 nicht vor.»

Regierungsrat Zug

Dieser Haltung steht jene des Zuger Regierungsrats diametral entgegen. Diese war bis anhin äusserst skeptisch gegenüber der Windkraft. Diese Skepsis schlägt sich auch im kantonalen Richtplan aus dem Jahr 2015 nieder. Darin sind zahlreiche Ausschlussgebiete für die Windräder festgehalten, aber keine, die sich dafür eignen würden. Weiter unterstützt der Kanton Zug gemäss Richtplan keine Windräder, die höher als 25 Meter sind, und keine Windparks mit mehr als drei Anlagen.

Zudem hat eine Windmessung der WWZ auf dem Zugerberg in den Jahren 2009 und 2011 ergeben, dass dieser für die Stromproduktion mit Windrädern ungeeignet sei. Weil der Zugerberg zudem ein schützenswertes Moorgebiet ist, hielt die Regierung bis anhin nichts von einem Windpark an diesem Standort – und machte auch keine Anstalten, das allgemeine Windkraftpotenzial im Kanton Zug zu messen. Auf eine entsprechende Frage des ehemaligen GLP-Kantonsrats Daniel Stadlin antwortete die Regierung: «Weitergehende Abklärungen in Bezug auf Windparks im Kanton Zug sieht der Regierungsrat angesichts der Entscheide im Jahr 2015 nicht vor.»

Bund drückt aufs Gaspedal

In den kommenden Jahren wird sich das aber ändern. Denn die Energiestrategie des Bundes beinhaltet einen massiven Ausbau der Windenergie in der Schweiz. Um diesen Ausbau zu fördern, sind die Kantone verpflichtet, im Richtplan geeignete Gebiete für die Windräder und -parks zu definieren. Es genügt nicht mehr, lediglich Ausschlussgebiete zu definieren.

«Ich hoffe – und werde es auch verlangen –, dass Stadtrat und WWZ den Mut fassen, ein konkretes Projekt zu erarbeiten.»

Patrick Steinle, Gemeinderat ALG

Eigentlich müsste der Kanton Zug diesem Auftrag bis Ende dieses Jahres nachkommen. Allerdings ist diese Frist rechtlich nicht verbindlich. Doch spätestens mit der Gesamtrevision des Richtplans muss der Kanton Zug geeignete Windkraftgebiete definieren. Voraussichtlich nimmt der Kanton diese Überarbeitung frühstens 2024 in Angriff.

Hier beim Standort Mittelmatt auf dem Zugerberg besteht gemäss Zuger Stadtrat grosses Potential für einen Windpark. (Bild: Andreas Busslinger)

Solange im kantonalen Richtplan keine Grundlagen für Windparks bestehen, bleibt eine Anlage auf dem Zugerberg eine Illusion. Denn das schweizerische Raumplanungsgesetz schreibt vor, dass Anlagen mit «gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt» eine Grundlage im Richtplan benötigen.

Konkretes Projekt auf Zugerberg gefordert

Darum hält auch der Zuger Stadtrat fest: «Ob der auf dem Zugerberg vorhandene Wind für die Produktion von Elektrizität genutzt werden kann, hängt primär davon ab, ob im ganzen Kanton Zug ein gemeinsamer politischer Wille dafür besteht und ob ein Betrieb wirtschaftlich und ökologisch vorteilhaft ist.»

Darüber ärgert sich Postulant Patrick Steinle: «Ich bin enttäuscht, weil sich der Stadtrat hinter fehlenden kantonalen Planungsgrundlagen zu verstecken scheint, obwohl der Regierungsrat in der Beantwortung der Interpellation Stadlin den Ball eindeutig den Gemeinden und Elektrizitätswerken zugespielt hat.» Doch Steinle bleibt zuversichtlich: «Ich hoffe – und werde es auch verlangen –, dass Stadtrat und WWZ den Mut fassen, ein konkretes Projekt zu erarbeiten.»

Ob die Forderung auch mehrheitsfähig ist, ist eine andere Frage. Denn dass man im Kanton Zug beim Gedanken an 150 Meter hohe Windräder auf dem Zugerberg in kollektiven Jubel verfällt, ist unwahrscheinlich.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von vizo
    vizo, 05.04.2023, 18:47 Uhr

    Ist doch erfreulich, dass wir unsere Stromversorgung bald weitgehend selbst lösen könnten. Die Windenergienutzung hat diese grossen Vorteile, die DAFÜR sprechen:

    + dezentral, regional, unabhängig
    + auch nachts wird produziert, optimale Ergänzung zur Solarenergienutzung
    + ⅔ der Produktion im Winter, ebenfalls kompensierend zur Solarenergienutzung
    + günstigste erneuerbare Stromquelle, tiefste Gestehungskosten
    + beste Ökobilanz (⅓ der PV-Produktion/Installation)
    + geringster Flächenbedarf gegenüber anderen erneuerbaren Produktionsanlagen
    + wirtschaftlich interessant für regionale Investoren, Gemeinden, Private
    + hohe lokale Wertschöpfung
    + ab Bewilligung schnell realisiert
    + zusammen mit einem forcierten Ausbau der Solarenergienutzung könnten wir kurzfristig massiv unabhängiger, versorgungssicherer und klimaschonender werden
    + mehrheitlich akzeptiert (2017 64 % befürworten Windanlagen -> 2023, 2040?)

    DAGEGEN spricht nur, was nicht wegdiskutiert werden kann. Das muss gegen die obigen Argumente aufgewogen werden.

    – für einzelne ist die optische Wirkung in der Landschaft problematisch

    Wenn wir weiter vor allem auf den immer noch sehr schleppenden Ausbau der Photovoltaik setzen, wird das nichts mit der Energiewende. Die Wasserkraft wird infolge Trockenheit nicht gross ausgebaut werden können, insbesondere in unserem Kanton. In 30 Jahren können die Windturbinen durch neuere, noch bessere Anlagen ersetzt oder, wenn bis dann neue Technologien verfügbar sein werden, einfach wieder abgebaut und weitgehend rezykliert werden.

    Das wären die Fakten. Mir gefallen Windräder als Ausdruck unserer Zeit und ich würde mich freuen, nicht länger mit dem Feldstecher nach Deutschland schauen zu müssen, sondern schon bald welche über Zug drehen zu sehen.

    Victor Zoller, Mitglied der Energiekommission der Stadt Zug, parteilos

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 04.04.2023, 09:05 Uhr

    Korrekt, die Nabenhöhe der 5 Gotthard-Windräder beträgt 98 m. Grössere Anlagen waren wegen der Zufahrt für Tieflader und Riesenkran nicht möglich. Wie soll das auf dem Zugerberg gehen (siehe Foto)? Unerwähnt bleiben bei solchen Projekten, eher Illusionen, meistens die Fundamente: Pro Turm auf dem Gotthard brauchte es 700 t Beton, das sind unzählige Lkw-Fahrten und ein hoher CO2-Ausstoss für Beton und Diesel – für einen einzigen Sockel.
    Der Ressourcenverbrauch für die Windstromproduktion wird bewusst unterschätzt, die Effizienz hingegen massiv überschätzt. In der Branche gelten 25% als Maximum, d.h., von möglichen 8760 Std./Jahr wird bloss während ca. 2000 Std. Strom produziert.
    Und am Ende muss der produzierte Strom auch noch ins Netz kommen. Freileitungen will niemand, also graben, graben, viele Kilometer weit…
    Windstrom vom Zugerberg – eine Totgeburt.

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    • Profilfoto von nullnix
      nullnix, 04.04.2023, 13:33 Uhr

      @Peter Bitterli & Franz:
      Wie sieht Ihrer Meinung nach DIE! konstruktive Lösung aus, vielleicht Atomkraft?

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    • Profilfoto von 2chcm
      2chcm, 04.04.2023, 15:44 Uhr

      1. 350 t Beton braucht es auch für jede neue 120 m2 Wohnung.
      2. Die ökologisch vorbildliche Photovoltaik produziert auch nur während 2000 Stunden pro Jahr. Jeder PV Installateur weiss: Jahresenergie = 1000 x installierte Peakleistung.
      3. Vor bald 100 Jahren haben auch Staumauern zu reden gegeben (Sihlsee, Marorera…..). Dass der Grimselstausee immer noch nicht erhöht wird beweist nur eines: der Strom ist zu billig. Dabei sind, ökologisch und ökonomisch betrachtet, unsere Stauseen die besten Notstrombatterien.
      4. Der Windstrom aus der Nordsee braucht im Vergleich zu lokalen Windkraftwerken zwar keine Gräben aber viel Hochspannungsleitungen.
      5. Windkraftwerke sind eine gute (komlementäre) Ergänzung zur Photovoltaik.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 04.04.2023, 08:47 Uhr

    Verspargelung allenthalben. Teuer, ineffizient, unökologisch in Herstellung und Entsorgung, der Tierwelt abträglich, hässlich, bodenvernichtend.

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