Nationalrätin Priska Wismer

«Angstmacherei und Vorurteile»: Luzern ringt um Windenergie

Im Hintergrund: Eine der zwei Windkraftanlagen im Entlebuch. Nationalrätin Priska Wismer kämpft für eine ähnliche Anlage auf dem Stierenberg bei Rickenbach. (Bild: zvg)

Erst zwei Windanlagen produzieren Strom im Kanton Luzern. Bis zu 60 Anlagen sollen es im Jahr 2050 sein. Die Luzerner Nationalrätin Priska Wismer plant seit Jahren drei Windräder vor ihrer Haustür. Sie berichtet von viel Gegenwind – und von Angst vor toten Vögeln.

Auf dem Stierenberg bei Rickenbach will eine Bäuerin drei Windräder aufstellen. Ihr Name? Priska Wismer, Luzerner Nationalrätin. Drei neue, 120 Meter hohe Windräder sollen auf dem windigen Berg bald 4600 Haushalte mit Strom versorgen (zentralplus berichtete).

Doch das Projekt schleppt sich seit Jahren. Und das ist in Luzern keine Seltenheit. In der Regel benötigt ein Bewilligungsverfahren für ein Windrad rund 20 Jahre. Bis dahin gibt es Einsprachen, Vorprüfungen und teils heftigen Widerstand aus der Anwohnerschaft.

Doch der Kanton hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Regierung will bis 2050 einen Viertel des Stromverbrauchs aller Luzerner Haushalte mit Windenergie decken. Doch wenn es überall wie auf dem Stierenberg läuft, bleibt diese Vision wohl Wunschdenken.

Auf dem Stierenberg geht es nicht weiter

Auf dem Stierenberg ist das Projekt derzeit blockiert, schreibt Priska Wismer auf Anfrage von zentralplus. Hinter der Nationalrätin liegen ein erfolgreiches Windgutachten, ein Umweltverträglichkeitsbericht, ein technischer Bericht, Untersuchungen zu Auswirkungen auf Greifvögel und Fledermäuse, Simulationen des Schattenwurfs und vieles mehr.

«Uns sind die Hände gebunden und wir können nicht weiter arbeiten.»

Priska Wismer, Luzerner Nationalrätin

Doch im Nutzungsplanverfahren und in der Baubewilligung ist das Projekt der gelernten Primarschullehrerin blockiert. Im Jahr 2021 haben die Rickenbacher der Ausarbeitung einer Schutzzone zugestimmt, die ein Verbot von Windenergieanlagen beinhaltet. Der Kanton prüft den Bericht zurzeit. «Uns sind dadurch die Hände gebunden und wir können nicht weiter arbeiten», schreibt die enttäuschte Nationalrätin.

Porträtbild der Nationalrätin Priska Wismer-Felder. Sie kritisiert die Pläne für Gaskraftwerke des Bundesrats für Notfälle bei der Stromversorgung.
Die Luzerner Nationalrätin Priska Wismer setzt sich für die Förderung von erneuerbaren Energien ein. (Bild: zvg)

Vogelsterben als «legitimer» Grund gegen Windenergie

Ihre Erfahrung zeige, dass viele Bewohner solche Anlagen als wichtig empfinden, aber nicht in ihrer Nähe haben wollen. Auch die Angst vor einer Abwertung der Immobilien spiele eine Rolle. Studien beweisen jedoch, dass ein solcher Effekt in der Schweiz nicht existiert, meint Wismer.

«Das ‹Vogelsterben› wird in meinen Augen in vielen Fällen als legitimer und ‹sympathischer› Grund, um gegen Windenergieanlagen zu sein, vorgeschoben.»

Priska Wismer, Luzerner Nationalrätin

Auch die Furcht vor negativen Auswirkungen auf die Umwelt ist ein weitverbreiteter Grund für Sorgen. Berechtigt findet die Nationalrätin das nicht. Es gäbe strenge Umweltauflagen, Vorprüfungen und Kompensationsmassnahmen, um Schäden zu verhindern. «Das ‹Vogelsterben› wird in meinen Augen in vielen Fällen als legitimer und ‹sympathischer› Grund, um gegen Windenergieanlagen zu sein, vorgeschoben.»

BirdLife fürchtet Lebensraumverlust

Deutlich anders sieht das der Schweizer Vogelschutzverband BirdLife. Sie fürchten einen massiven Verlust von Lebensräumen, insbesondere von bedrohten Arten. Der Grund? Arten könnten ihre Brutgebiete, Balzplätze oder Nahrungssuchgebiete verlieren. Waldfledermäuse beispielsweise würden Windanlagen mehrere hundert Meter umfliegen, was zu einer Zerstückelung des Lebensraumes führt, sagt Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin.

«Liegen die Daten vor, kann man von Beginn weg auch zeigen, wo sich Konflikte anbahnen könnten.»

Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin BirdLife

Glauser bedauert, dass die notwendigen Daten bei der Richtplanung vieler Projekte nicht oder ungenügend erhoben werden. «Die Investoren sind aber der Ansicht, dass der Richtplaneintrag bereits sagt, dass der Standort machbar sei, was dann unweigerlich zu Konflikten führt», beobachtet Glauser.

Gäbe es genaue Informationen über die lokale Vogelpopulation, sähe die Situation anders aus. «Liegen die Daten vor, kann man von Beginn weg auch zeigen, wo sich Konflikte anbahnen könnten», so Glauser. BirdLife ist bereits bei einigen Projekten in der Planungsphase involviert, fordert aber weiterhin eine verbesserte Richtplanung.

Der Kanton Luzern will bei Windenergie vorwärtsmachen

Momentan gibt es zwei Windenergieanlagen in Luzern und beide liegen im Entlebuch. In Lutersarni und Feldmoos werden jährlich rund 4 GWh/Jahr produziert. Das entspricht nicht einmal zwei Prozent von dem, was sich der Kanton bis 2050 vorgenommen hat. Dann sollen etwa 30 bis 60 Windenergieanlagen bis zu 250 GWh/Jahr produzieren.

Die Ziele des Kantons sind ambitioniert, soviel ist klar. Doch wenn der Kanton das vom Bund gesetzte Ziele von Netto-Null-Emissionen bis 2050 einhalten möchte, wird es nicht anders gehen.

Daher hat die Regierung den aktuellen Richtplan zur Windenergie kürzlich angepasst und öffentlich aufgelegt. Bis Ende Januar sind dazu über 160 Stellungnahmen eingegangen, die nun geprüft werden, schreibt die Kommunikationsbeauftragte Andrea Muff vom kantonalen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (zentralplus berichtete).

Aktuell braucht die Planung 20 Jahre

Der kantonale Richtplan 22 beinhaltet zwei grosse Änderungen. Erstmals wurden geeignete Standorte für die 30 bis 60 neuen Anlagen festgelegt. Die Standorte wurde auch einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, sagt Andrea Muff. Dabei sei zum Beispiel die Vogelwarte Sempach miteinbezogen worden.

Die roten Punkte zeigen, wo Windräder geplant oder schon gebaut sind – die markierten Flächen wären dafür geeignet.
Die roten Punkte zeigen, wo Windräder geplant oder schon gebaut sind – die markierten Flächen wären dafür geeignet. (Bild: Windenergie Richtplantext)

Zweitens will die Regierung mit dem neuen Richtplan ein kantonales Plangenehmigungsverfahren einführen. Dieses sieht vor, dass die Anlagen zukünftig vom Kanton geprüft und bewilligt werden und nicht mehr von den Gemeinden. Luzern erhofft sich so effizientere Planungs- und Bewilligungsverfahren.

Windenergie in Luzern? Der Bund ist gefragt

Das grösste Potenzial für die Windkraft habe gemäss Luzerner Regierung eine Anpassung des Gesetzes auf Bundesebene. «Um die Energiewende signifikant zu beschleunigen, ist grundsätzlich ein national einheitliches bundesrechtliches Plangenehmigungsverfahren zu begrüssen», schrieb die Regierung letztes Jahr auf Anfrage von Kantonsrätin Korintha Bärtsch.

«Noch immer ist die Diskussion in diesem Bereich mit viel Angstmacherei und Vorurteilen behaftet.»

Priska Wismer, Luzerner Nationalrätin

Erst Ende Januar hat sich die Energiekommission des Nationalrates für beschleunigte Bewilligungsverfahren ausgesprochen. Ziel ist es, juristische Verfahren zu verkürzen und den Kanton für die Bewilligungen in die Pflicht zu nehmen.

Die Nationalrätin vom Stierenberg, Priska Wismer, begrüsst die Massnahmen auf Kantons- und Bundesebene. Was sie sich jetzt wünscht, ist eine breite, offene und faktenbasierte Aufklärung der Bevölkerung. «Noch immer ist die Diskussion in diesem Bereich mit viel Angstmacherei und Vorurteilen behaftet.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Priska Wismer, Nationalrätin Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Christa Glauser von BirdLife
  • Antwort der Regierung auf Anfrage von Korintha Bärtsch
  • Karte der Windenergieanlagen des Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Andrea Muff vom kantonalen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement Luzern
  • Website der Bundesversammlung
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Kevin Klak
    Kevin Klak, 18.02.2023, 20:31 Uhr

    Es ist zu bedauern, dass solche Projekte nur Steine in den Weg gelegt bekommen. Andererseits ist dieser Prozess Teil unserer Demokratie.

    Es braucht vom Kanton wohl mehr Aufklärung. Es ist ja nun nicht so, dass dies weltweit das erste Projekt wäre…

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 22.02.2023, 08:56 Uhr

      Als würde der Kanton nicht schon in Dauerbeschallung klimahysterisch „aufklären“. Der Eifer bewirkt bereits das Gegenteil des Erhofften. Wenn ein Zürcher Rektor „Klimabewegten“ Räume und Predigtzeit zugesteht, kommt es inzwischen zu Widerstand und bösen Rempeleien. Gut so!

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 17.02.2023, 19:38 Uhr

    Mal nach “Wind Turbines Not the Top Killer for Birds” googeln. Da findet sich eine Statistik des U.S. Fish an Wildlife Service, mit folgendem Resultat: Hauskatzen töten jährlich 10‘000 mal mehr Vögel als Windturbinen (2‘400 Mio)! Weiter titelte GEO 2019 „Katzen sind jedes Jahr für den Tod von Millionen von Vögeln, Reptilien und kleinen Säugetieren verantwortlich. Ganze Arten sollen durch die Räuber bedroht sein.“ Den Fakten folgend müsste sich der der Schweizer Vogelschutzverband BirdLife 10‘000 Mal intensiver mit den Hauskatzen als die wahren Killer einheimischer Vögel sowie Kleingetier wie Reptilien, Amphibien und Insekten befassen. Tut er? Hat die einheimische Fauna keine Sympathie verdient? Ach ja, auch der Don Quijote hat gegen Windmühlen gekämpft.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 17.02.2023, 12:11 Uhr

    Wer finanziert eigentlich Wismers Projekt? Wohl kaum ihre Familie. Warum erfährt man darüber nichts? Ebenso wenig über das miserable Preis-Nutzen-Verhältnis von Windstrom in der Schweiz. An 100-150 Tagen im Jahr herrscht Flaute. Es gibt kein Potenzial für Windstrom in der Schweiz, das ist längst bekannt. Zudem ist der Rohstoffverbrauch gigantisch und geht einher mit Landschaftsverschandelung. Auch die Entsorgung ist ungelöst.

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    • Profilfoto von PSCHT
      PSCHT, 18.02.2023, 08:14 Uhr

      Das Projekt ist privatfinanziert und wird überparteilich durch die junge mitte, junge grüne junge glp, juso, junge fdp, sowie «wind positiv» unterstützt. Das ist alles öffentlich einsehbar. Die Windenergie hat zudem entgegen ihren wagen Vermutungen ein noch kaum ausgeschöpftes Potenzial. So weht der Wind meistens gerade dann wenn die Sonne nicht auf die PV-Anlage scheint am stärksten. Der Rohstoffverbrauch ist abhängig vom gewählten Standort und Gerätetyp, kann also ebenfalls gesteuert werden, zudem werden nur für das einmalige erstellen rohstoffe verwendet danach ist ein Betrieb ohne Zufuhr von zusätzlichen Rohstoffen möglich. Was das Problem bei der Entsorgung sein soll kann ichnicht nachvollziehen. Was noch nutzbar ist kanh verwertet werden, der rest wird fachgerecht entsorgt und derwertet. Grundsätzlidh denke ich sowieso dass defekte Windräder nicht einfach entsorgt werden müssen. sondern dass die betreffenden Teile nach und nach repariert werden können.

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    • Profilfoto von Vizo
      Vizo, 19.02.2023, 10:23 Uhr

      Stimmt leider nicht ganz. Windenergieanlagen haben den kleinsten ökologischen Fussabdruck und Windstrom ist am günstigsten, noch vor dem Sonnenstrom. Sonne und Wind sind die einzigen Einheimischen Energielieferanten, die schnell und kostengünstig zu nutzen sind. Wasser ist weitgehend ausgenützt und wird künftig – ohne Gletscher – unsicherer. Über die Ressourcenverschwendung und Entsorgungsprobleme der AKW müssen wir zum Glück nicht mehr sprechen. Ich verstehe die Wind-Bremser nicht.

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