Zwei Wölfe sind im Kanton Luzern unterwegs

Leo Müller befürchtet Wolfangriffe auf Menschen

Der Wolf polarisiert, obschon er in Luzern noch kein grosses Thema ist. Jetzt hat Mitte-Nationalrat Leo Müller eine Petition lanciert. Er will das Zusammenleben von Menschen und Wolf wieder in Einklang bringen. (Bild: Symbolbild: zvg)

Der Luzerner Nationalrat Leo Müller hat eine Petition zur Regulierung des Wolfsbestands lanciert. Er will, dass die Kantone selber Abschüsse von Tieren genehmigen können. Dies könnte bald auch in Luzern der Fall sein, denn derzeit streifen zwei Wölfe durch den Kanton

Der Wolf polarisiert. Irgendwo zwischen Tierschutz, Herdenschutz und Tourismus bewegt sich die Diskussion um das Raubtier, das nun schon seit über 25 Jahren in der Schweiz wieder heimisch ist. Denn umso mehr der Wolf sich ausbreitet, desto stärker greift er auch in die Landwirtschafts- und Wandergebiete ein.

Mit den Vorfällen der letzten Wochen hat der Wolf für Mitte-Nationalrat Leo Müller jetzt aber eine Grenze überschritten. In Graubünden hat das Beverin-Rudel Mitte Juli nämlich erstmals eine Mutterkuh gerissen und kurz darauf fielen auch im Entlebuch drei Schafe einem Wolf zum Opfer (zentralplus berichtete). Das ist für Müller zu viel. Deshalb hat er am Montag eine Petition lanciert, um das Zusammenleben mit dem Wolf in ein Gleichgewicht zu bringen, wie es auf der Webseite heisst.

Damit will er Druck auf den Ständerat ausüben, der derzeit über eine Neurevision des Jagdgesetzes berät (zentralplus berichtete). Und diese soll den Kantonen die Möglichkeit geben, auch ohne die Erlaubnis des Bundes in Wolfsrudel einzugreifen.

Leo Müller möchte nicht erste Angriffe abwarten

Kurz zur Rekapitulation: 2020 hat die Schweizer Bevölkerung die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Jagdgesetzes abgelehnt. Teil der Revision wäre es gewesen, dass die Kantone mehr Kompetenzen bekommen hätten, besonders in Hinblick auf den präventiven Eingriff in Wolfsrudel. Aktuell können sie zwar selbstständig bestimmen, ob Einzeltiere abgeschossen werden sollen, dürfen aber nur mit einer Bewilligung des Bunds in Wolfsrudel eingreifen.

«Man muss sich vorbereiten und den Herdenschutz vorantreiben, das ist schon lange klar. Schliesslich ist der erste Wolf vor 25 Jahren in die Schweiz zurückgekehrt.»

Fabian Haas, Experte im Bereich Wildtiere bei WWF Zentralschweiz

Für Nationalrat Leo Müller zeigen sich jetzt die Folgen der Abstimmung. «Der Tatbeweis vom Wolf zeigt, dass zu wenig gemacht werden kann. Im Kanton Luzern ist das noch nicht so gravierend. Aber wenn man zuwartet, dann wird es uns auch irgendwann treffen», sagt er gegenüber zentralplus. Er verweist dabei auf die gerissene Mutterkuh in Graubünden. Es könne nicht sein, dass es erst zu einem Riss eines Grosstiers kommen müsse, damit ein Abschuss vom Bund bewilligt würde.

Hinzu käme die zunehmende Annäherung des Wolfs an Menschen. In Graubünden ist ein Wolf mehrere Minuten lang einer Spaziergängerin gefolgt, wie das Nachrichtenportal «20minuten» berichtete. Zudem gab es schon mehrere Meldungen von aggressivem Verhalten gegenüber Hunden. «Wenn man tatenlos zuschaut, ist es absehbar, dass bald der erste Mensch angegriffen wird. Im Puschlav hat man das mitangesehen. Wir sollen aber nicht zuwarten», sagt Müller.

Die Situation im Kanton Luzern ist noch relativ entspannt

Doch wie real ist die Bedrohung im Kanton Luzern wirklich? Gemäss Einschätzungen des Umweltschutzverbands WWF und des Kantons Luzern sind hauptsächlich Kleinnutztiere (Schafe und Geissen) bedroht. Denn im Kanton Luzern sind momentan zwei Einzeltiere unterwegs, ein Wolf streift im Pilatusgebiet der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden umher. Der andere im Grenzgebiet zwischen dem Entlebuch und dem Emmental. «Die beiden Tiere sind bisher verhaltensunauffällig. Die Wölfe sind auf Wildtiere spezialisiert, nicht auf Nutztiere», sagt Fabian Haas, Experte im Bereich Wildtiere bei WWF Zentralschweiz.

Und Wildtiere, vor allem Hirsche, gibt es im Entlebuch zuhauf. «Das sieht man am Zustand der Wälder. Man dürfte eigentlich mehr schiessen, als das aktuell gemacht wird», sagt Haas. Doch der Wolf sei ein cleveres Tier und gehe gern den Weg des geringsten Widerstands. «Wenn also ein Schaf ohne Schutzmassnahmen vor ihm steht, ist das eine wesentlich leichtere Beute als ein Hirsch, der schnell und wehrhaft ist», erklärt Fabian Haas.

«Ich stelle mir eine Regulierung wie bei anderen Wildtieren auch vor. Dass man Tiere bis auf ein erträgliches Mass reduzieren und präventiv eingreifen kann, wenn es zu ersten Schäden kommt.»

Leo Müller, Die-Mitte-Nationalrat Luzern

Für den Menschen sei der Wolf aber grundsätzlich keine Gefahr, denn er gehöre nicht in dessen Beuteschema. Die Gefahr steige aber, sobald ein Hund dabei sei. «Wölfe können Hunde als Eindringlinge in ihrem Territorium wahrnehmen», sagt Haas. Deswegen reagieren sie auch aggressiv. Das führe aber nicht gleich dazu, dass Wölfe auch den Menschen angreifen würden.

Dennoch erachtet Fabian Haas Schutzmassnahmen als wichtig: «Man muss sich vorbereiten und den Herdenschutz vorantreiben, das ist schon lange klar. Schliesslich ist der erste Wolf vor 25 Jahren in die Schweiz zurückgekehrt.» Die finanziellen Mittel für den Herdenschutz stünden auch bereit. Denn der Bund hat für das Jahr 2022 einen zusätzlichen Kredit für Herdenschutzmassnahmen gesprochen. Und von diesem Betrag von knapp zehn Millionen Franken sei bis jetzt erst rund die Hälfte ausgeschöpft, so Haas.

Die Möglichkeiten sind da, doch der Aufwand ist zu gross

Im Grunde sei der Herdenschutz mit den aktuellen Möglichkeiten umsetzbar, erklärt Fabian Haas. «Es gibt verschiedene Methoden, die wirksam sind. Zum Beispiel Herdenschutzhunde, der Nachtpferch – Schafe werden am Abend zusammengetrieben und hinter eine raubtiersichere Koppel gebracht – oder Herdenschutzzäune», führt er aus.

Wobei da allerdings Verbesserungspotenzial bestehe. Nach Ansicht des WWF sollen alle Ausgaben und Aufwände der Tierhalter vollumfänglich erstattet werden. Dies soll sowohl für gerissene Tiere als auch den Ausbau der Schutzmassnahmen gelten.

«Beim Eingriff in Rudel muss der Bund das letzte Wort haben.»

Fabian Haas, Experte im Bereich Wildtiere bei WWF Zentralschweiz

Zudem habe etwa der Schutz durch einen Hirten und Herdenschutzhunde neben der Sicherheit auch positive Effekte für die die Flora und Fauna. Denn so würden die Schafe besser von sensiblen oder gefährlichen Gebieten ferngehalten. Und ein Hirte könne auch Krankheiten schneller erkennen und eine Übertragung auf Wildtiere verhindern. Das sei besonders bei der Gamsblindheit relevant.

Doch für Initiant Leo Müller ist der Herdenschutz und die finanzielle Entschädigung durch den Bund zu aufwändig. Er spreche regelmässig mit Tierhaltern und diese wollten kein Geld. «Bis man zu dem Geld kommt, dauert es zu lange. Und die Bauern können nicht mitansehen, wie ihre Tiere gerissen werden. Vor allem Grosstiere», sagt der Nationalrat.

Deswegen will Müller klare Grenzen: «Ich stelle mir eine Regulierung wie bei anderen Wildtieren auch vor. Dass man Tiere bis auf ein erträgliches Mass reduzieren und präventiv eingreifen kann, wenn es zu ersten Schäden kommt.» So weit, so gut.

Wolfsrudel interessieren sich nicht für den Föderalismus

Wo der Mitte-Politiker fehlende Regulierungen sieht, gibt es mit der aktuellen Jagdgesetzgebung und dem «Konzept Wolf» durchaus klare Richtlinien für den Umgang mit dem Raubtier. Im Rahmen der Schadensverhütung ist nämlich festgelegt, wie viel Tiere ein Einzelwolf reissen darf, bis er vom Kanton zum Abschuss freigeben werden kann.

Anders ist die Situation bei den Rudeln, wie beim Leittier M92 des Beverin-Rudels, das neben dem Elternpaar mehrere Jungtiere umfasst. In diesem Fall steht auch Fabian Haas vom WWF hinter dem Abschuss: «Der Vater ist untragbar geworden.» Doch für ihn ist auch klar: «Beim Eingriff in Rudel muss der Bund das letzte Wort haben.»

Das begründet er mit einem Argument, das oft in den Hintergrund rückt. «Für mobile Arten wie Wölfe spielen weder Kantons- noch Landesgrenzen eine Rolle.» Deswegen sei es nur richtig, wenn die wichtigsten Entscheidungen auf der obersten Ebene geschehen, die den grössten Bereich überblickt.

Und die Chancen, dass sich in Luzern ein Rudel bilden würde, stehen derzeit eher schlecht. Dafür brauche es noch etwas Zeit, da im Moment nur männliche Wölfe in unserer Region unterwegs seien. Deshalb sei das gemäss Haas nicht aktuell.

Die betroffenen Verbände sind sich einig

Was die Diskussion im Ständerat angeht, habe das Parlament eine gute Grundlage. Denn die Organisationen der Land- und Waldwirtschaft, der Jagd und des Naturschutzes haben ihren Kompromissvorschlag eingereicht. «Es ist jetzt am Parlament, zu entscheiden, ob es von diesem breiten Konsens profitieren und der Schweiz ein ausgewogenes neues Jagdgesetz geben will.»

Unterdessen freut sich Leo Müller über die Reaktion auf seine Petition. Nach den ersten 24 Stunden hatten diese schon und 300 Personen unterschrieben. «Ich bin selber überrascht», sagt der Nationalrat.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Fabian Haas, Experte Wildtiere, WWF Zentralschweiz
  • Gespräch mit Leo Müller, Nationalrat Die Mitte Luzern
  • Petition von Leo Müller
  • Mail-Austausch mit Peter Ulmann, Abteilungsleiter Natur, Jagd und Fischerei, Kanton Luzern
  • Parlamentarische Initiative 21.481 zu bedarfsgerechtem Wolfsmanagement
  • Information zur Abstimmung über das revidierte Jagdgesetz (17.09.20)
  • Medienbericht von «20minuten»


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