Interpellanten sind erfreut

Ende des «Zugerbieter»: Gemeinde will neues Blatt lancieren

Ein Bild, das bald der Vergangenheit angehört: der «Zugerbieter» auf dem heimischen Küchentisch. (Bild: Archivbild: wia)

Die Baarer können und wollen den Verlust des «Zugerbieter» nicht hinnehmen. Der Gemeinderat kündigt nun Pläne für ein eigenes Informationsblatt an.

Bald schon flattert die letzte Ausgabe des «Zugerbieter» – im Volksmund liebevoll «Baarer Times» genannt – in die Briefkästen. Nach dem 19. Dezember geht seine über 110-jährige Geschichte zu Ende. Das Verlagshaus CH Media hat den «Zugerbieter» zusammen mit der «Zuger Presse» an die Swiss Regiomedia AG verkauft (zentralplus berichtete).

Dem Medienhaus, dem Alt-Bundesrat Christoph Blochers Tochter Rahel Blocher als Verwaltungsratspräsidentin vorsteht, gehören bereits 31 Lokalzeitungen. Das Unternehmen hat angekündigt, die beiden gekauften Blätter in ihre bestehende «Zuger Woche» zu integrieren. Ein Entscheid, dessen Folgen der Baarer Gemeindepräsident Walter Lipp als «herben Verlust» für die Gemeinde bezeichnet (zentralplus berichtete).

Gemeinderat bekennt sich zum «Zugerbieter»

Diesen Verlust bekräftigt der Gemeinderat in seiner Antwort auf eine Interpellation von Franz Lustenberger, Maria Greco und Mitunterzeichnern. «Die ‹Baarer Times› hat einerseits für die Gemeindeverwaltung und die Gemeindepolitik eine hohe Bedeutung, andererseits ist der ‹Zugerbieter› wichtiger Bestandteil und Förderer des Baarer Dorf- und Gesellschaftslebens.»

Der Baarer Gemeindepräsident Walter Lipp bedauert den Verkauf des «Zugerbieter». (Bild: Homepage Walter Lipp)

Diese Bedeutung liess sich der Gemeinderat auch einiges kosten: 209’000 Franken jährlich hat Baar für die amtlichen Seiten «Aus dem Rathaus» und «Rathauspost» bezahlt. Hinzu kämen 9500 Franken für die Rathaus-Schüür-Inserate und 2000 Franken für Festtagsinserate. Jährlich flossen also seitens Gemeinde rund 220’000 Franken an den «Zugerbieter».

Die Gemeinde ist sich der grossen finanziellen Unterstützung des Blattes bewusst. Gleichzeitig betont der Gemeinderat in seiner Antwort, dass die Zeitung nie im Besitz der Gemeinde gewesen sei und er keinen Einfluss auf die Berichterstattung gehabt habe.

Gemeinde Baar will eigene «Baarer Times» lancieren

Eine Nachfolgelösung mit der Swiss Regiomedia AG kommt für den Baarer Gemeinderat aber nicht infrage. Laut der Gemeinde wollte der Verlag die Lokalberichterstattung auf Einsendungen von Vereinen, Parteien und Organisationen beschränken. Zudem stört sich der Gemeinderat an der «parteipolitisch klaren Prägung» des Verwaltungsrats. «Dem Gemeinderat ist es ein Anliegen, nur mit politisch neutralen Verlagen zusammenzuarbeiten.»

Kurzerhand hat sich der Baarer Gemeinderat deshalb dazu entschieden, ein eigenes kommunales Informationsblatt zu lancieren. Die Chancen, dass ein anderer Verlag in die Bresche springt, hält er aus wirtschaftlichen Gründen für unrealistisch. Zudem hätten sich die Baarer in einer Umfrage wieder ein gedrucktes Informationsblatt gewünscht, wie Gemeindepräsident Walter Lipp auf Anfrage ausführt. «Die Gemeinde will offen und transparent informieren. Nur mit digitalen Kanälen allein erreichen wir nicht die gesamte Bevölkerung.»

Wie die Gemeinde schreibt, solle das neue Blatt aus einem amtlichen Teil und einem redaktionell unabhängigen Teil bestehen. Um letzteres zu gewährleisten, will die Gemeinde einen externen Leistungsauftrag vergeben. Für den künftigen Verlag respektive die Redaktion ist dem Gemeinderat die lokale Verankerung wichtig: «Ein kommunales Informationsorgan soll das Gemeindeleben abbilden und fördern. Damit dies möglich ist, müssen Personen dahinterstehen, die Baar kennen und sich mit unserer Gemeinde identifizieren», wie Lipp ausführt.

Dazu gehört auch eine kritische Distanz zu Verwaltung und Gemeinderat. Die publizistischen Leitlinien werden durch eine Redaktionskommission definiert, in denen ein Redaktor, eine Vertretung der Gemeinde und Vertreterinnen aus Vereinen, Parteien und weiteren Organisationen Einsitz nehmen.

Verlage geben sich wenig interessiert

Ob sich die Swiss Regiomedia AG für eine allfällige Nachfolgelösung bewirbt, lässt Verwaltungsratspräsidentin Rahel Blocher auf Anfrage offen. «Ob ein solcher Auftrag für Swiss Regiomedia interessant sein könnte, ist abhängig von den Konditionen und der Bereitschaft der Gemeinde, diese Kosten zu übernehmen. Die Produktion einer eigenen Zeitung ist sehr aufwendig.» Generell sei die Swiss Regiomedia AG jedoch der Meinung, dass die Herausgabe einer Zeitung nicht die Aufgabe einer Gemeinde sei.

Wie es indes ab Januar 2024 konkret mit dem «Zugerbieter» weitergeht, kann Blocher noch nicht sagen. Man prüfe derzeit noch, wie die Integration in die «Zuger Woche» erfolge. Die vormalige Besitzerin, CH Media, winkt hingegen ab: «Die CH Media verfolgt keine Pläne in Zug oder Baar mit einer Wochenzeitung», schreibt Mediensprecherin Danya Guzzetta auf Anfrage.

Fast 500’000 Franken im Budget geplant

Wie teuer die Herausgabe werde, sei derzeit noch in Abklärung, sagt Walter Lipp. Das hänge mit dem Konzept, dem Umfang, der Erscheinungsweise und weiteren Faktoren zusammen. Jedoch werde die Gemeinde einen wesentlichen Teil des Blattes verwaltungsintern gestalten.

220’000 Franken wie für den «Zugerbieter» würden dafür jedoch nicht ausreichen. Vorsorglich habe die Gemeinde bereits den Budgetposten «Drucksachen und Publikationen» im Budget 2024 um rund 200’000 Franken erhöht, um das Nachfolgeblatt finanzieren zu können, so Lipp. Das letzte Wort dazu habe die Gemeindeversammlung am 12. Dezember.

Gibt diese grünes Licht, will der Gemeinderat das Informationsblatt voraussichtlich im Frühsommer 2024 starten. In der ersten Phase soll die neue Zeitung zweimal monatlich kostenlos an alle Baarer Haushalte verteilt werden. Mit Ausnahme der Monate Januar, Juli, August und Dezember, in denen sie nur einmal erscheint. Etabliert sich das Konzept, könnte sich die Gemeinde auch eine Onlinepublikation vorstellen.

Baarer Interpellanten freuen sich über die Antwort

Der Baarer Interpellant Franz Lustenberger freut sich auf Anfrage über die Antworten der Gemeinde: «Dass der Gemeinderat für eine qualitätsvolle, unabhängige Lokalberichterstattung einsteht, ist sehr positiv.» Gerade für Baar, das statt eines Einwohnerrats nach wie vor eine Gemeindeversammlung habe, seien gut informierte Bürgerinnen und eine gute Lokalberichterstattung zentral.

Deshalb ist er auf das angekündigte Baarer Informationsblatt gespannt. Lustenberger begrüsst die Aufteilung in amtliche Information und unabhängigen Journalismus. «Es braucht eine unabhängige Redaktion, damit das Blatt nicht einfach ein Mitteilungsblatt der Gemeinde wird. Das war das Wertvolle am ‹Zugerbieter›.» Ganz unparteiisch ist Lustenberger in dieser Sache nicht, als ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter der SRF-Sendung «Tagesschau» und heute noch freier Mitarbeiter des «Zugerbieter».

Auch nach der Pension haut Franz Lustenberger fleissig in die Tasten. (Bild: Archivbild: wia)

Doch er betont: «Ich werde bald 71. Mir geht es in dieser Sache nicht um meine Arbeitsstelle, sondern um das Baarer Dorfleben. Dieses soll auch weiterhin aktiv begleitet werden.» An der «Baarer Times» schätzte er, dass Baarer sich in den Artikeln wiedergefunden hätten und nicht nur Vereinsfunktionäre zu Wort gekommen seien. Weiter streicht er die Vorschauen auf kulturelle oder sportliche Anlässe hervor.

Neues Informationsblatt soll breit abgestützt werden

Er werde deshalb auch am angekündigten Informationsanlass am 18. Dezember teilnehmen, an dem der Gemeinderat zum geplanten Informationsblatt mehr ins Detail gehen wolle. Für das Blatt erhoffe er sich eine breit abgestützte, langfristige Trägerschaft. «Bei einem Privatverlag wird das Blatt direkt wieder eingestampft, wenn es nicht rentiert. Dann wären wir wieder in dieser Situation.»

Die geplante Redaktionskommission solle ebenfalls breit abgestützt werden, jedoch auf die Unabhängigkeit der Redaktion pochen und diese auch respektieren, findet Lustenberger. Unter diesen Umständen könne er sich vorstellen, als freier Mitarbeiter weiterzuarbeiten. Er könne zwar nicht für seine Kolleginnen und Kollegen sprechen, doch er denke, diese würden ähnlich denken.

Lustenberger hofft auf möglichst kurze Pause

Wichtig sei für ihn auch, dass das neue Informationsblatt zügig an die Hand genommen werde. «Es wird wohl eine kleine Pause geben, da kommt man nicht drum herum. Aber sie darf nicht allzu lange dauern.» Dies hänge jedoch auch vom Wohlwollen der restlichen Baarer Bevölkerung ab.

An der Gemeindeversammlung vom 12. Dezember wird die Antwort auf die Interpellation von Maria Greco, Franz Lustenberger und Mitunterzeichnern diskutiert. «Ich hoffe, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger hinter der Stossrichtung der Antwort stehen. Auch wenn es etwas kostet», so der 70-Jährige. Bei den Millionenüberschüssen der Gemeinde sollte eine Summe wie die bisherigen rund 220’000 Franken für den «Zugerbieter» möglich sein, findet Lustenberger. «So viel sollten einem das Gemeindeleben und die Baarer Politik wert sein.»

Verwendete Quellen
  • Antworten der Gemeinde Baar auf die Interpellation von Franz Lustenberger und Maria Greco
  • Traktandenliste Baarer Gemeindeversammlung 12. Dezember
  • Vorgeschlagenes Budget 2024 der Gemeinde Baar
  • Telefonat mit Franz Lustenberger, Baarer Interpellant
  • Schriftlicher Austausch mit Rahel Blocher, Verwaltungsratspräsidentin Swiss Regiomedia AG
  • Schriftlicher Austausch mit Danya Guzzetta, Kommunikation CH Media
  • Website der Swiss Regiomedia AG
  • Schriftlicher Austausch mit Walter Lipp, Gemeindepräsident Baar
  • Website «Zugerbieter»
  • Medienarchiv zentralplus
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 08.12.2023, 09:58 Uhr

    Aus einer Wochenzeitung ein Blatt machen, das 1-2 Mal im Monat erscheint, ist eher suboptimal. Hätte der ehemalige Herausgeber CH Media dies beabsichtigt, hätte man in Baar den Kopf geschüttelt: «Gehts noch?» Private Unternehmen müssen rechnen, bei reichen Gemeinden und SRF ist Geld bekanntlich kein Problem.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 08.12.2023, 08:43 Uhr

    Grosses Kompliment an die Gemeinde Baar! Die meisten Kommunen (und Kantone, grüezi Luzern) legen die Hände in den Schoss, wenn die unabhängige Presse gestorben wird. Für die Regierenden ist es selbstverständlich einfacher, wenn keine kritischen Fragen kommen und die eigene Propaganda ungefiltert verteilt wird. Es ehrt die BaarerInnen, dass sie das Gebaren von CH Media und Blochermedia nicht einfach hinnehmen, sondern aufstehen und etwas unternehmen. Redaktion, Layout, Druck und Verteilung einer solchen Zeitung sind nicht gratis, ja. Dafür wird es mit der neuen «Baar Times» aber weiterhin eine demokratische Öffentlichkeit geben und nicht nur Autoinserate, Kochrezepte und dümmliche politische «Kolumnen» aus Herrliberg.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 08.12.2023, 10:52 Uhr

      Vielleicht durchdenken Sie den Zusammenhang von „unabhängige Presse“ und einem von der Regierung bezahlten und betriebenen Medium noch einmal? Gerne unter Berücksichtigung des Aspektes, wonach es „für die Regierenden ist es selbstverständlich einfacher [ist], wenn keine kritischen Fragen kommen und die eigene Propaganda ungefiltert verteilt wird“.

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    • Profilfoto von Franz
      Franz, 08.12.2023, 11:07 Uhr

      Die SVP-Keule ist immer gut für die Psychohygiene, lieber Kasi. Das Tagblatt der Stadt Zürich gehört übrigens auch der Familie Blocher. Und stell dir vor, es berichtet politisch und ideologisch neutral, und die Kolumnen schreiben die mehrheitlich linken und grünen Stadträte.

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      • Profilfoto von Alois Iten
        Alois Iten, 08.12.2023, 12:23 Uhr

        Das hat in Zürich andere Gründe. Der Amtsblattvertrag zwischen der Stadt Zürich und der Tagblatt der Stadt Zürich AG sagt ganz klar aus, dass die Zeitung politisch, weltanschaulich und religiös neutral sein muss und auf politische Kommentierungen verzichtet. Das ist andernorts nicht der Fall, wo man mit Blocher-Kommentaren beglückt wird

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  • Profilfoto von Marcel
    Marcel, 08.12.2023, 08:25 Uhr

    Hauptsache ein englischer Name. Wir Schweizer schaufeln uns immer mehr das eigene Grab. Einem Eidgenossen wäre das nie in den Sinn gekommen.

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