Harte Fragen an … Franziska Bitzi

«Werden Sie Luzerns erste Stadtpräsidentin?»

Fühlt sich im Stadthaus wohl und möchte dort erneut vier Jahre politisieren: Franziska Bitzi. (Bild: mst)

Franziska Bitzi ist seit 2017 Finanzdirektorin der Stadt Luzern. Am 28. April möchte sie wiedergewählt werden. Im Interview spricht sie über unberechenbare Steuermillionen, Touristenströme und ob sie Stadtpräsidentin werden will.

Kaum von den Ferien aus Italien zurück, plagen Franziska Bitzi kalte Füsse. «Manchmal wäre es schlau, am Morgen die Wettervorhersage zu konsultieren», sagt sie beim Interviewtermin mit zentralplus gut gelaunt. Merke: Auch Finanzdirektorinnen, die sonst zumeist gut vorbereitet sind, werden manchmal auf dem falschen Fuss erwischt.

Die 50-jährige Mitte-Politikerin tritt bei den Stadtratswahlen vom 28. April erneut an. Seit 2017 ist sie Teil der fünfköpfigen Stadtluzerner Regierung und seither als Finanzdirektorin für die Stadtkasse zuständig. Am 28. April wird sie drei neue Stadtratskollegen erhalten. Einzig sie und Stadtpräsident Beat Züsli treten von den Bisherigen erneut an (zentralplus berichtete). zentralplus hat sie zum Gespräch getroffen.

zentralplus: Franziska Bitzi, anders als beim Wetter werden Sie bei den Jahresrechnungen der Stadt Luzern nicht mehr böse überrascht: Unter Ihrer Ägide schreibt die Stadt nur noch schwarze Zahlen. 2023 schaute gar ein Rekordüberschuss von 80 Millionen Franken heraus. Weshalb geht es der Stadt finanziell so gut?

Franziska Bitzi: Für die Überschüsse gab es jedes Jahr andere Gründe. Einmal waren es Sondersteuern wie eine ausserordentlich grosse Erbschaft, ein anderes Mal die Neubewertung der Finanzliegenschaften. 2023 war es nochmals eine andere Situation: Die Unternehmensgewinnsteuern stiegen massiv an, was wir so nicht erwartet hatten. Im vergangenen Sommer erreichten wir in diesem Bereich bereits das Budget, das wir uns für das ganze Jahr gesetzt hatten.

zentralplus: Sie kennen aber auch andere Finanzlagen …

Bitzi: Als ich vor 20 Jahren ins Stadtparlament gewählt wurde, habe ich mehrere Sparpakete miterlebt und mitgestaltet. Für mich war das Sparen Normalität. Wir mussten jeden Franken zweimal umdrehen. Von dem her war es schon speziell, als ich als Finanzdirektorin 2017 zum ersten Mal eine Rechnung präsentieren konnte und diese positiv war. Zu verdanken hatte ich das meinem Vorgänger Stefan Roth, der mir eine sehr solide Kasse hinterliess.

zentralplus: Trotz sehr voller Kassen warnen Sie vor schwierigen Jahren (zentralplus berichtete).

Bitzi: Wir dürfen davon ausgehen, dass die Steuererträge bei den juristischen Personen gleich hoch bleiben wie im vergangenen Jahr. Allerdings stagnieren die Erträge bei den natürlichen Personen. 2023 erreichten wir das Budget in diesem Bereich nur dank der Nachträge aus früheren Jahren. Das gibt mir zu denken.

«Wenn ich vor künftigen Finanzlöchern warne, ist das keine Schwarzmalerei, sondern ein ‹sich darauf Einstellen›.»

zentralplus: Aber Sie warnen seit Jahren vor künftigen Finanzlöchern. Das trifft dann jeweils zuverlässig nicht ein (zentralplus berichtete). Die Stadt verzeichnet ein Millionenplus nach dem anderen. Das schadet Ihrer Glaubwürdigkeit.

Bitzi: Das ist tatsächlich ein Problem. Und diese Abweichungen freuen uns nicht per se. Aber wir können nicht zaubern. Das Budget ist ein Planungsinstrument. Wichtig ist, dass wir die Abweichungen begründen können und dann korrigierend eingreifen. Das haben wir auch jedes Jahr gemacht. Zum Beispiel haben wir die Schätzmethode bei den Steuernachträgen und Sondersteuern vor zwei Jahren angepasst. Ausserdem gilt zu beachten, dass die Budgethoheit am Schluss beim Parlament liegt.

zentralplus: Manche würden sagen, Sie betreiben bewusst Schwarzmalerei.

Bitzi: Die öffentliche Hand muss realistisch und in der Tendenz defensiv budgetieren, denn wir sind kein risikoorientiertes Unternehmen. Negative Überraschungen sollten wir vermeiden. Wenn wir beispielsweise Auswirkungen wie die Steuergesetzrevision 2025 nicht aufzeigen würden, wäre das fahrlässig. Wir gehen heute davon aus, dass es durch die Steuergesetzrevision weniger Steuereinnahmen geben wird und wir gleichzeitig mehr in den Finanzausgleich zahlen müssen. Wenn ich also davor warne, ist das keine Schwarzmalerei, sondern ein «sich darauf Einstellen».

«Ein Influencer-Bild reicht heute, und schon reisen Tausende an.»

zentralplus: Der Tourismus fällt teilweise auch in Ihren Aufgabenbereich. Dieser ist nach der Pandemie wieder in voller Stärke zurück. Wie sehen Sie den idealen Tourismus für Luzern?

Bitzi: Der ideale Tourismus hat Gäste, die öfter übernachten als heute. Das Ziel wäre eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von mehr als zwei Nächten, jetzt liegt dieser Wert bei etwa 1,9 Nächten. Diese Zahl zu erhöhen, ist aber schwierig beim Städtetourismus. Dabei gilt zwischen Hotel- und Tagesgästen zu unterscheiden. Die Hotelgäste sind für das Empfinden der Bevölkerung gar nicht das Problem. Wir sind froh, wenn solche Gäste Luzern als Hub auswählen, um von hier aus die Schweiz zu erkunden. Was wir weniger sehen möchten, sind Leute, die in einer möglichst kurzen Zeit möglichst viel konsumieren wollen. Das ist nicht nachhaltig. Aber das ist ein schmaler Grat, denn wir wollen Arbeitsplätze erhalten. Persönlich wünsche ich mir ökologische Hotels, die Biomenüs anbieten und erneuerbar heizen.

zentralplus: Die bekannte Losung «mehr Qualität, weniger Quantität» gilt nach wie vor?

Bitzi: Ja. Ich denke, da sind wir uns einig. Nur wie wir das erreichen, ist schwierig. Ein Influencer-Bild reicht heute, und schon reisen Tausende an. Wir können das nicht mehr selbst mit Kampagnen steuern. Wichtig ist auch, dass wir die eher unberechenbareren Tagesgäste besser lenken können. Wobei es mir wichtig ist zu erwähnen, dass es auch Tagestourismus gibt, der erwünscht ist. Beispielsweise Kongressteilnehmerinnen oder Besucher von Festivals.

Franziska Bitzi vor ihrer Wahl in den Luzerner Stadtrat. (Bild: zVg)

zentralplus: Gefühlt sagt man das schon seit Jahren. Luzern dreht sich punkto Tourismus im Kreis. Auch was die Carparkierung betrifft.

Bitzi: Der Stadtrat hat in den vergangenen Jahren diverse Vorschläge vorgestellt, die dann jeweils abgelehnt oder nicht weiterverfolgt wurden. Ich sage nicht, der Stadtrat mache keine Fehler. Aber beispielsweise ist die Frage, wie Reisegruppen behandelt werden sollten, nicht einfach zu beantworten. 2019 schlugen wir vor, dass Cars auf die Allmend fahren und die Reisenden per S-Bahn in die Stadt gebracht werden sollen. Gewisse Tourismusakteure lehnten das damals ab. Jetzt höre ich von ihnen plötzlich, man solle das wieder prüfen. Es stimmt also schon ein Stück weit: Wir drehen uns im Kreis, aber das liegt nicht nur am Stadtrat.

zentralplus: Ein Thema, das bald wieder auf uns zukommen könnte, sind Öffnungszeiten für den Detailhandel: Bundesrat Guy Parmelin will den Sonntagsverkauf ausdehnen (zentralplus berichtete). Wie steht der Stadtrat dazu?

Bitzi: Auf Bundesebene will man beim Arbeitsrecht Lockerungen machen. Das hat keinen direkten Einfluss auf die Öffnungszeiten.

zentralplus: Aber es könnten mehr Läden sonntags öffnen.

Bitzi: Wir sind offen gegenüber weiteren Liberalisierungen. Heute können tourismusorientierte Geschäfte in der Stadt Luzern gestützt auf das kantonale Ruhetags- und Ladenschlussgesetz Bewilligungen beantragen, um sonntags geöffnet zu haben. Aktuell verfügen 42 Geschäfte mit weiteren 15 Filialbetrieben über die entsprechenden Ausnahmebewilligungen. Aber ich finde auch einen anderen Aspekt wichtig: Dass man beispielsweise unbediente Container wie denjenigen am Pilatusplatz oder Hofläden ausserhalb von normalen Öffnungszeiten nicht öffnen darf, während am Bahnhof alles offen ist, ist abstrus. Die heutige Gesellschaft funktioniert völlig anders.

zentralplus: Das heisst, eine Aufweichung der Öffnungszeiten ist für den Stadtrat denkbar?

Bitzi: Die Stadt Luzern begrüsst die Initiative des Bundes, die den Verkaufsgeschäften in städtischen Quartieren mit internationalem Tourismus gestattet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonntagen bewilligungsfrei zu beschäftigen. Sie steht dem liberaleren Spielraum positiv gegenüber. Wichtig ist der Arbeitnehmerschutz.

zentralplus: Ein anderes Thema, das die öffentliche Hand immer stärker beschäftigt, sind Cyberangriffe: Wie gewappnet ist die Stadt?

Bitzi: Wir machen viel für die digitale Sicherheit. Unter anderem haben wir seit einem Jahr eine Fachstelle «Digitale Sicherheit und Privatsphäre». Aber perfekt ist niemand. Wir tun einiges, um das Verhalten unserer Mitarbeitenden zu schulen – das ist eine Daueraufgabe. Denn der Mensch ist das grösste Risiko, wir sind verletzlich geworden.

zentralplus: Wie oft wird die Stadtverwaltung digital attackiert?

Bitzi: Auf tiefem Niveau passieren jeden Tag Angriffe wie Phishing-Mails. Aber gezielte Angriffe sind mir nicht bekannt.

zentralplus: Sie sind nun seit sieben Jahren Finanzdirektorin. Haben Sie keine Wechselgelüste?

Bitzi: Ich finde sämtliche Themen der öffentlichen Hand vielseitig und sinnstiftend. Aber ich habe immer klar deklariert, dass ich gerne in der Finanzdirektion bleiben möchte. Das war auch ein Grund, weshalb ich bei den kommenden Wahlen nicht für das Stadtpräsidium aspiriert habe. Auf den ersten Blick ist es von den Themen her vielleicht nicht die attraktivste Direktion. Man kann keine schönen Eröffnungsbänder durchschneiden (lacht). Aber ich betreue grosse, wichtige Dossiers, in die ich schon viel Arbeit gesteckt habe und die mich seit Langem beschäftigen. Ich bin also eingearbeitet. Zudem bin ich seit vergangenem Jahr Präsidentin der Konferenz der städtischen Finanzdirektorinnen und -direktoren KSFD (zentralplus berichtete), was ich sehr bereichernd finde.

zentralplus: Stadtpräsident Beat Züsli tritt in vier Jahren zurück (zentralplus berichtete). Werden Sie dereinst Luzerns erste Stadtpräsidentin – oder treten Sie dann nach fast zwölf Jahren im Amt zurück?

Bitzi: Zurücktreten werde ich dann nicht (lacht). Ich möchte auch in vier Jahren nochmals antreten. Aber ob es dann noch Sinn ergibt, für das Stadtpräsidium anzutreten? Das muss ich später entscheiden.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Franziska Bitzi, Luzerner Stadträtin und Finanzdirektorin
  • Informationen über Franziska Bitzi
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