Harte Fragen an… Beat Züsli

«Warum sollte man Ihre Mitbewerber wählen und nicht Sie?»

Der Luzerner Stadtpräsident Beat Züsli möchte noch eine Amtszeit anhängen – mehr nicht. (Bild: mst)

Beat Züsli will Luzerns Stadtpräsident bleiben. Im Interview spricht der 60-jährige SP-Politiker über «Hundsverlochete», seinen Rücktritt und Urban Frye.

Beat Züsli schaffte 2016, was zuvor noch keinem Genossen gelungen war: die Wahl zum Stadtpräsidenten in Luzern. Dabei jagte er den damals amtierenden Stapi Stefan Roth (CVP) aus dem Amt.

Mittlerweile sind acht Jahre vergangen, Züslis zweite Amtszeit endet. An den Stadtratswahlen vom 28. April tritt der 60-Jährige erneut an. Das letzte Mal, wie der SP-Politiker gegenüber zentralplus im Interview verrät.

zentralplus: Beat Züsli, Sie müssen sich derzeit mit vielen Problemen herumschlagen. So haben Sie Ärger mit FCL-Patron Bernhard Alpstaeg wegen des ausgelösten Heimfalls der Swissporarena. Sie haben Ärger wegen des neuen Luzerner Theaters – der erste Entwurf des neuen Gebäudes kam bei einem grossen Teil der Bevölkerung schlecht an. Und das sind nur zwei von mehreren heissen Eisen. Gehen Sie Ihrer Arbeit als Stadtpräsident von Luzern noch mit Freude nach?

Beat Züsli: Ja, sogar mit sehr grosser Freude. Aber es gibt manchmal tatsächlich Phasen, in denen Probleme kumuliert auftreten. Häufig ist das auch zufällig, wie jetzt gerade. Ich betrachte es aber als Teil meiner Aufgabe, in schwierigen Situationen zu vermitteln und verschiedene Parteien zusammenzubringen. Diese herausfordernden Situationen machen mir Freude, weil sie spannend sind.

zentralplus: War Ihre zweite Amtszeit, die bald zu Ende geht, schwieriger als Ihre erste von 2016 bis 2020?

Züsli: Erfolg zu messen, ist schwierig. Aber ich habe die Resultate der Volksabstimmungen angeschaut: In den ersten vier Jahren folgte die Bevölkerung bei allen Vorlagen dem Stadtrat. In den zweiten vier Jahren folgte die Bevölkerung dem Stadtrat lediglich bei zwei von 20 Vorlagen nicht – bei der Abstimmung zur Velostation an der Bahnhofstrasse und bei der Airbnb-Initiative. Insgesamt würde ich also nicht sagen, dass die zweite Amtszeit schwieriger war.

zentralplus: Böse Zungen sagen, Sie seien kein charismatischer Stadtpräsident. Manche Luzerner vermissen einen Stadtvater wie den kürzlich verstorbenen Franz Kurzmeyer. Was sagen Sie dazu?

Züsli: Ich wurde im Zusammenhang mit dem Tod von Franz Kurzmeyer mit der Thematik der Stadtvaterrolle konfrontiert. Dabei muss man aber sehen: Er trat sein Amt vor 40 Jahren an. Das war eine komplett andere Zeit. Damals war eine andere Kommunikation gefragt, eine andere Art der Politik. Die Rolle als Stadtvater ist nicht die, wie ich das Amt als Stadtpräsident verstehe. Denn das Bedürfnis einer breiten Bevölkerung ist heute ein anderes. So denken wir beispielsweise deutlich weniger hierarchisch als früher. Ich möchte den Leuten auf Augenhöhe begegnen, wofür ich sehr viel Wohlwollen spüre. Und wenn ich mich mit anderen heutigen Stadtpräsidenten vergleiche, stelle ich fest, dass sie ihre Rolle sehr ähnlich wahrnehmen.

«Wenn ich wiedergewählt werde, trete ich 2028 nicht mehr an.»

zentralplus: Trotzdem: Sie sind kaum aus der Reserve zu locken. Ist das ein Schutzmechanismus?

Züsli: Ich sehe es als wichtige Funktion des Stadtpräsidiums, zu vermitteln und unterschiedliche Haltungen an einen Tisch zu bringen. Da finde ich es unangebracht, auf den Tisch zu hauen oder ein Machtwort zu sprechen. Nur schon im Stadtrat zeigt sich das: Der Stadtpräsident ist primus inter pares – er hat also nicht mehr Macht als andere. Mein einziges Privileg ist, dass ich die Sitzungen leite. Ich vertrete meine Positionen aber sehr klar und auch beharrlich, wenn dies nötig ist.

Der momentane Stadtrat von Luzern (von links): Martin Merki, Franziska Bitzi Staub, Beat Züsli, Manuela Jost und Adrian Borgula. (Bild: jal)

zentralplus: Drei der fünf amtierenden Stadträte treten nach dieser Amtszeit zurück. Sie und Finanzdirektorin Franziska Bitzi möchten eine weitere Legislatur anhängen. Es wäre Ihre dritte – gleichzeitig auch Ihre letzte?

Züsli: Ja. Wenn ich nun wiedergewählt werde, trete ich 2028 nicht mehr an. Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits werde ich dann 65-jährig sein. Ich finde es richtig, wenn man eine solche Funktion nicht deutlich über das Pensionsalter hinaus ausübt. Andererseits: Ich bin dann zwölf Jahre im Amt. Die SP kennt eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren. Zwar könnte man diese mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit an einer Mitgliederversammlung um eine Legislatur verlängern. Aber ich habe mich immer für diese Beschränkung eingesetzt, also halte auch ich mich selbstverständlich daran.

zentralplus: Haben Sie Ambitionen für andere Ämter?

Züsli: Ich kann das im Moment zwar nicht abschliessend beurteilen, aber derzeit nicht, nein. Auf Funktionsebene im ehrenamtlichen Bereich kann ich mir allerdings gut etwas vorstellen, da ich mir auch ein gewisses Fachwissen aufbauen konnte. Vertiefte Gedanken dazu habe ich mir aber noch nicht gemacht.

«Die neuen Drogen wie Crack haben die Szene verändert.»

zentralplus: Als Stadtpräsident nehmen Sie an unzähligen Anlässen, Eröffnungen und Empfängen teil. Sie müssen sich gefühlt an jeder «Hundsverlochete» zeigen. Was war der unangenehmste Anlass, den Sie je besuchen mussten?

Züsli: Es gibt eigentlich keinen Anlass, den ich völlig daneben oder schlecht fand.

zentralplus: Das müssen Sie ja sagen.

Züsli: Nein. Denn für mich ist es immer eine Möglichkeit, den Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Natürlich haben wir Stadträte viele Termine und Anfragen. Aber ich habe bei der Terminorganisation darauf geschaut, dass ich an einem Abend nicht an zwei, drei verschiedenen Veranstaltungen teilnehme, sondern nur an einem, damit ich dort auch Zeit habe. Ich finde es wichtig, dass man nicht nur für das Grusswort vor Ort ist, sondern man nachher auch mit den Leuten sprechen kann.

zentralplus: Die Stadt beschäftigen derzeit mehrere Themen stark. Beispielsweise die Wohnungsnot.

Züsli: Das ist eines der zentralen Themen neben den Klima- und Mobilitätsthemen und wird uns auch in den nächsten vier Jahren stark beschäftigen. Der Druck auf die Städte ist gross. Man kann das aber auch positiv sehen. Die Städte waren früher von Abwanderung betroffen. Mittlerweile sind sie attraktiv, die Leute ziehen hierhin, auch Familien. Das ist insofern erfreulich. Aber dadurch entsteht natürlich die Herausforderung im Sinne von Verknappung des Wohnraumangebots. Wir müssen das in Zukunft verstärkt angehen. Wir sollten einen Fokus darauf legen, wo man künftig günstigen Wohnraum erhalten kann. Denn neue Wohnungen alleine sind nicht die Lösung, da diese selbst bei Wohnbaugenossenschaften zu Beginn nicht wirklich günstig auf den Markt kommen.

zentralplus: In Luzern gibt es ein immer grösser werdendes Drogenproblem (zentralplus berichtete), die Gesellschaft wird gewalttätiger. Wie nehmen Sie diese Entwicklungen wahr?

Züsli: Ich verfolge die Entwicklung mit grosser Sorge. Ich sehe das Problem selber und höre es auch bei der Einwohnersprechstunde, die ich anbiete, immer wieder. Wir versuchen zu reagieren, beispielsweise mit den geplanten längeren Öffnungszeiten der Gassechuchi. Aber die neuen Drogen wie Crack haben die Szene verändert. Sie sind gut verfügbar, wirken schnell und man hat rasch wieder ein Bedürfnis danach. Wir müssen uns aktiv darum kümmern und dazulernen, welche Massnahmen es braucht, dies auch im Austausch mit anderen Städten.

zentralplus: Sie sind nicht «nur» Stadtpräsident, sondern auch Bildungsdirektor der Stadt Luzern. Das Bildungssystem steht seit längerem unter Druck, Stichwort Lehrermangel. Die Luzerner Schulen haben zudem ein neues Notensystem eingeführt, das nicht überall gut ankommt. Verkürzt gesagt, werden Noten abgeschafft (zentralplus berichtete).

Züsli: Mir ist es wichtig, dass wir gute Rahmenbedingungen schaffen. Denn unser Handlungsspielraum ist eingeschränkt, wir haben viele Vorgaben vom Kanton. Möglichkeiten haben wir im Rahmen der Betreuung, dort können wir mit dem neuen Tagesschulmodell einen sehr wichtigen Schritt vorwärts machen (zentralplus berichtete). Wichtig ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bezüglich Notengebung – es wird weiterhin eine Beurteilung geben, einfach weniger mit Ziffern – ist es mir wichtig, dass wir eine Schule haben, die sich weiterentwickeln kann. Und diese Entwicklung wurde von unten hinaufgetragen. Von den einzelnen Schulen und Lehrpersonen wird sie nun auf die ganze Stadt ausgedehnt.

zentralplus: Trotzdem gibt es Kritik. Noten seien wichtig für die Entwicklung der Schüler.

Züsli: Natürlich gibt es Kritik, ich war zunächst auch skeptisch. Wenn eine Generation, die in einem anderen System ausgebildet wurde, sowas anschaut, ist sie zuerst zurückhaltend. Ich konnte mich aber überzeugen lassen, dass man die Anpassung sehr sorgfältig macht. Für mich ist zentral, dass wir keine rückwärtsgewandte Sicht haben. Man sollte viel eher ein Bildungssystem erschaffen, das unsere Schüler und Schülerinnen stärkt und fördert. Und genau dies ermöglicht das neue Beurteilungssystem. Das ist die Zukunft – und ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist.

zentralplus: Auch andernorts sind Sie als Stadtpräsident gefordert. Mehrere Infrastrukturprojekte in Luzern stehen still: Der Durchgangsbahnhof ist in weiter Ferne, am Pilatusplatz läuft nichts, das Café Fédéral steht unter einem schlechten Stern, die Bahnhofstrasse ist noch immer nicht autofrei. Was läuft da falsch?

Züsli: Es gibt tatsächlich Projekte, die sehr unbefriedigend sind. Das ist primär wegen Einsprachen, worauf wir wenig Einfluss haben. Ich finde es auch ärgerlich, dass die Bahnhofstrasse auch zehn Jahre nach der Volksabstimmung noch nicht umgestaltet werden konnte. Aber Einsprachen sind ein demokratisches Recht. Was wir jedoch trotz allem auch sehen müssen: Die Stadt Luzern hat noch nie so viel in die Infrastruktur investiert wie in den vergangenen Jahren – und auch in den nächsten Jahren wird sie sehr viel Geld in die Hand nehmen. Früher wurden rund 40 bis 50 Millionen Franken pro Jahr für Infrastrukturprojekte ausgegeben, heute sind wir bei 100 Millionen.

«Nach langer Zugehörigkeit trat Urban Frye bei den Grünen aus und jetzt versucht er, sich in der Mitte zu positionieren.»

zentralplus: Kommen wir zu Ihren Mitbewerbern für das Amt des Stadtpräsidenten. Wieso sollte man GLP-Kandidat Stefan Sägesser wählen und nicht Sie?

Züsli: (lacht). Es ist immer schwierig, sich über Konkurrentinnen und Konkurrenten zu äussern. Aber Stefan Sägesser hat einen sehr starken Leistungsausweis im Kulturbereich. Ich würde für mich jedoch in Anspruch nehmen, einen sehr breiten Blick auf die gesamte Stadtpolitik zu haben. Mich interessiert alles, natürlich auch die Kultur, wo ich schon lange tätig bin.

zentralplus: Der ehemalige Grüne-Kantonsrat Urban Frye hat mit seinem Austritt aus der Fraktion Links-Grün vor den Kopf gestossen (zentralplus berichtete). Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?

Züsli: Wir kennen uns natürlich. Ich habe ein neutrales Verhältnis zu ihm. Ich schätze seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der Ukraine sehr. Auf der politischen Seite finde ich seinen Weg speziell. Nach langer Zugehörigkeit trat er bei den Grünen aus und jetzt versucht er, sich in der Mitte zu positionieren. Das ist aus meiner Sicht nicht glaubwürdig.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Beat Züsli, Luzerner Stadtpräsident (SP)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Fritz Meyer
    Fritz Meyer, 15.04.2024, 13:34 Uhr

    Es ist bezeichnend, dass der Stadtpräsident «führen» mit «auf den Tisch hauen gleichsetzt». Er hat sich mit seinen Genossen nach vorne gewagt und wurde dann überraschend Stadtpräsident. Die Luzerner Stimmbevölkerung hat noch nicht vergessen, dass er ganz zu Beginn nach seiner Wahl eine neue Stelle eines «Strategieverantworlichen» schaffen wollte. Der hätte dann seinen Job gemacht. Sowas passiert halt, wenn man sich zu weit aus dem Fenster lehnt.

    Ein Beispiel: Vor einigen Wochen hat der Stadtpräsident offiziell erklärt, die ganzen Querelen um den Subventionsskandal bei der vbl habe keine Auswirkungen auf den Steuerzahler. Entweder weiss er es wirklich nicht besser oder dann ist das eine unglaubliche Verdrehung der Tatsachen. Die vbl gehört zu 100% der Stadt Luzern. Die Gewinne der vbl werden der Stadtkasse, also dem Eigentümer gutgeschrieben. Wenn nun wegen Rechtsverfahren und vielen teuren, externen Spezialisten und all dem Theater grosse Kosten anfallen und so keine Dividende mehr an die Stadt ausbezahlt werden kann, hat das sehr wohl Auswirkungen auf die Steuerzahler.
    Dass ein Stadtpräsident diese Zusammenhänge so erklärt, wie das Herr Züsli gemacht hat, spricht Bände. Das hat mit «auf den Tisch klopfen» nichts zu tun.

    Wer übernimmt eigentlich die politische Verantwortung für dieses Debakel bei der vbl? Das müsste einer der fünf Stadträtinnen oder Stadträte sein, denn diese wurden von der Stimmbevölkerung gewählt, sich im Sinne der Stadt Luzern einzusetzen.

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