Diskussion um Entschädigung

Wer verdient wie viel? Zug bezahlt Kantonsräte kümmerlich

Zuger Kantonsräte verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen in anderen Kantonen. (Bild: jal / zvg)

Wie viel muss der Kanton seinen Kantonsräten zahlen, damit Politikmachen nicht zum Privileg von Gutbetuchten wird? Diese Frage ist seit jeher umstritten und gewinnt in Zug jetzt neu an Fahrt.

Die jüngste Kantonsrätin von Zug hat Schlagzeilen gemacht. Ronahi Yener (SP) hat auf LinkedIn ihren Lohnausweis veröffentlicht und eine Diskussion über die Bezahlung im Milizsystem ausgelöst (zentralplus berichtete).

Im Schweizer Milizsystem üben Politikerinnen ihr öffentliches Amt nebenberuflich aus. Heisst: Davon leben können sie nicht. Das Problem? Würden sie in der Zeit arbeiten, die sie für die Politik aufwenden, würden sie deutlich mehr verdienen.

Je tiefer die Entschädigung, desto grösser die Gefahr, dass die Parlamente ausschliesslich mit Personen besetzt sind, die es sich leisten können, politisch aktiv zu sein. Ein gutes Gehalt und Flexibilität im Hauptberuf als Voraussetzung für ein Mandat im Kantonsrat?

Wer kann sich das leisten?

So sieht es die Kantonsrätin Ronahi Yener. Sie arbeite zwei Tage die Woche, um ihr Studium zu finanzieren. Dazu brauche ihr Mandat weitere 20 Stellenprozente. Nach allen Abzügen und Mandatsabgabe an die SP bleiben der 22-Jährigen etwa 5'500 Franken pro Jahr. Wer noch Familie hat und keinen gut bezahlten Job, kann sich mit dieser Summe ein Kantonsratsamt wohl nicht leisten.

Unter diesem Post auf LinkedIn veröffentlichte Yener ihren Lohnausweis. (Bild: Screenshot LinkedIn)

Doch ist der Lohnausweis von Yener repräsentativ für alle Zuger Kantonsräte? Einige von Yeners Kollegen haben das bereits im letzten Sommer mit einer Interpellation nachgefragt. Heinz Achermann (Mitte), Michael Felber (Mitte), Adrian Moos (FDP) und Stefan Moos (FDP) wollten wissen, wie viel die Zuger Kantonsräte verdienen. Und wie viel sie dafür arbeiten.

6'000 bis 8'000 Franken pro Jahr

Die Daten zeigen: In den letzten Jahren sind die Entschädigung und die Arbeitszeit gestiegen. 2019 erhielt ein Kantonsrat durchschnittlich 3'500 Franken für 65 Stunden Sitzungszeit. Ein Jahr später waren es 4'500 Franken für 75 Sitzungsstunden. Und 2021 waren es 4'100 Franken für 72 Stunden. Nebenberuflich verbrachten Kantonsräte in den letzten drei Jahren also acht bis neun Tage pro Jahr im Kantonsratssaal.

«Ich selbst habe die ersten sechs Jahre, also von 15 bis 21, ehrenamtlich Politik betrieben und mache es heute immer noch.»

Ronahi Yener, SP-Kantonsrätin Zug

Hinzu kommen Entschädigungen für Kommissionsmitglieder. Der ausbezahlte Gesamtlohn pro Kantonsrat betrug daher zwischen 6'000 und 8'000 Franken pro Jahr. Die Entschädigungen für alle Parlamentarier zusammen kosteten den Kanton im Jahr 2021 etwa 640'000 Franken.

Zwischen 50 und 60 Franken Stundenlohn – das klingt nicht schlecht. Doch die Arbeit einer Politikerin fordert mehr als den Besuch der bezahlten Sitzungen. Zusätzlich muss eine Kantonsrätin noch Fraktionssitzungen besuchen. Ausserdem müssen sich Politiker vor den Abstimmungen einlesen. Vier bis fünf Stunden pro Sitzung brauchen Neulinge dafür, erklärte Anastas Odermatt, stellvertretender Fraktionschef der Alternative - Die Grünen gegenüber zentralplus (zentralplus berichtete).

Grosse kantonale Unterschiede

Die kantonalen Unterschiede sind enorm. Eine Kantonsrätin in Zürich oder Genf erhielt im Jahr 2021 durchschnittlich 38'000 Franken Entschädigung, in der Waadt und Basel-Stadt waren es zwischen 28'000 und 30'000 Franken. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch die Arbeitszeit enorm variiert: Der Zürcher Kantonsrat trifft sich fast wöchentlich.

Auch im Nachbarkanton Luzern kommen die Parlamentarier besser weg: Rund 13'000 Franken verdiente ein Luzerner Kantonsrat 2021 durchschnittlich. Weniger gab es in den anderen Zentralschweizer Kantonen: In Uri, Schwyz und Obwalden erhielten die Politikerinnen weniger als 4'000 Franken.

«Der Zuger Ansatz wirkt recht kümmerlich.»

Georg Koller, emeritierter Professor für politische Philosophie der Universität Zürich

Der Zuger Regierungsrat schreibt in seiner Antwort zur Interpellation, es gebe eine gewisse Übereinstimmung bei der Entschädigung zwischen den Innerschweizer Kantonen. Gesamtschweizerisch betrachtet bewege sich Zug im moderaten Bereich. Was genau moderat bedeutet, bleibt offen.

Yener ist überrascht über die Reaktionen

Ronahi Yener hat mit einem so breiten Medienecho nicht gerechnet. «Mir war es ein Anliegen, mit dem Post aufzuzeigen, dass solche Ungleichheiten auch innerhalb unseres demokratischen Systems existieren.» Sie habe den Post mit Absicht sehr persönlich formuliert.

Die Reaktionen auf ihren Post haben ihr auch gezeigt, dass sie ein tatsächliches Problem anspricht. Zahlreiche Parlamentarierinnen hätten ihr geschrieben, dass es ihnen ähnlich gehe. Und auch Personen haben sich gemeldet, «die gerne aktiver in der Politik wären, aber es sich zeitlich und finanziell nicht leisten können», schreibt die Kantonsrätin auf Anfrage von zentralplus.

«Es gibt Personen innerhalb des Zuger Kantonsrats, die sagen, dass sie sich dieses Amt nur schwer leisten können.»

Ronahi Yener

Die Stimmung innerhalb des Rats sei zudem sehr gespalten. «Es gibt Personen innerhalb des Zuger Kantonsrats, die sagen, dass sie sich dieses Amt nur schwer leisten können», schreibt sie weiter. Andere seien völlig zufrieden mit dem, was sie erhalten.

Die SP-Kantonsrätin Ronahi Yener aus Baar kritisiert die Bezahlung der Zuger Parlamentarier. (Bild: jal)

Politisieren als Privileg

Es zeigt sich: Die Zuger haben eine glänzende Wirtschaft und hohe Gehälter in den Verwaltungsräten. Doch die Politiker, die den Rahmen abstecken, spielen nicht in der ersten Liga. Skeptisch äusserte sich dazu Georg Koller, emeritierter Professor für politische Philosophie der Universität Zürich, zur Entschädigung des Zuger Parlaments. «Der Zuger Ansatz wirkt recht kümmerlich», erklärte er gegenüber zentralplus im Jahr 2019 (zentralplus berichtete).

Ein Argument für das Milizsystem ist unter anderem, eine abgehobene, überbezahlte Politiker-Kaste zu verhindern. Abgeordnete sollen weiter Teil der Gesellschaft sein und so die Bedürfnisse und Nöte der Bevölkerung in die Ratssäle tragen. Doch wenn die Entschädigung nicht ausreicht, um die Kosten zu decken, ist die Demokratie in Gefahr.

Denn wenn gut bezahlte Berufsgruppen mit flexiblen Arbeitszeiten übervertreten sind, bildet ein Parlament keinen Querschnitt durch die Gesellschaft ab. Dies verfälscht Einschätzungen und Entscheidungen. Und führt unter Umständen dazu, dass sich die Interessen von Minderheiten auf Kosten der Mehrheit durchsetzen.

«Mir ging es in erster Linie darum zu vermitteln, dass Politisieren ein Privileg ist.»

Ronahi Yener

Den Diskurs darüber hat die jüngste Kantonsrätin von Zug erneut auf die Agenda gesetzt. Im nächsten Schritt plant Yener einen politischen Vorstoss. «Mir ging es in erster Linie darum zu vermitteln, dass Politisieren ein Privileg ist», erklärt sie.

Kritikern, die ihr vorwerfen, nur wegen des Geldes in die Politik zu gehen, entgegnet sie ruhig: «Ich selbst habe die ersten sechs Jahre, also von 15 bis 21, ehrenamtlich Politik betrieben und mache es heute immer noch.»

Verwendete Quellen
  • Antwort der Zuger Regierung auf eine Interpellation zum Milizsystem
  • LinkedIn von Ronahi Yener
  • Schriftlicher Austausch mit Ronahi Yener, SP-Kantonsrätin Zug
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hop22
    Hop22, 07.02.2023, 18:50 Uhr

    Ein aus meiner Sicht völlig falscher Ansatz, Frau Yener. Pro bono arbeiten in der Schweiz ganz viele und es wäre der völlig falsche Anreiz, mittels höherer Vergütung Leute des Geldes wegen in die Politik zu holen. Wenn ich an all die grossen OK‘s denke, die Festivitäten für die breite Bevölkerung in Zug organisieren, da sehe ich von SP und ALG bloss Leute, die sich in den Hintergrund drängen. Wahrscheinlich sind sie alle zu müde am Abend (oder wissen nicht, wie das geht).

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  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 06.02.2023, 08:37 Uhr

    Der Reiche Kanton Zug geht mit ihren Räten Innen mit der Bezahlung ihrer Arbeit sehr knauserig um, auf der anderen Seite sin aber Abzocker Methoden und überbordete Gehälter in den Chefetagen von Glencore und co. und den gewählten Stadträten Innen völlig Normal, zudem müssen dann die Gewählten ihres Bescheidenen Gehalts ( Zuwenig zum Leben zu viel zum Sterben) 20% an ihre Parteien abgeben. Ich gebe allen Zugern Grossstadträten Innen den Rat wechseln sie alle zu den Parteilosen Schweizern, dann haben sie mehr im Portemonnaie und Folgen sie 30% Lohneinsparung für den Regierungsrat und den Stadtrat. Mit dem ersparten entlöhnt man ersten die Kantonsräte/innen besser. Die Geldverteilung muss von oben nach unten korrigiert werden. Im Kanton Luzern hat Gudio Graf CVP das Gegenteil der Vernunft gemacht und den Lohne des Verwaltungspräsidenten des LUKS um 56% bei einer 50% stelle auf rund CHF 180’000.0 angehoben. Auf der anderen Seite passt der Schlaumeier die Krankenkassenprämienverbilligung für Geringverdienende kaum an und mit dem Abzocken von oben nacht Unten erhöhen den die Kranken Krankenkassen die Prämienlast der Kleinen. Das Verahlten dieser geschaffenen Willkürspolitik nennt man Schindluderei.

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