Harsche Kritik an geplanter Ärzte-Beschränkung

«Fatales Signal»: Kanton Zug will weniger Ärzte

Die Höchstzahlen würden zu längeren Wartelisten führen, lautet ein Kritikpunkt am Entwurf der Zuger Regierung. (Bild: Adobe Stock)

Die Anzahl der Fachärzte in elf medizinischen Fachrichtungen soll im Kanton Zug künftig begrenzt werden. Das sorgt für harsche Kritik.

Gross sind die Sorgen bei einigen Vertretern aus der Gesundheitsbranche im Kanton Zug. Die Gesundheitsversorgung sei in Gefahr, die Wartelisten drohten länger zu werden. Die Rede ist von einem «fatalen Signal» an den medizinischen Nachwuchs.

Grund für den Unmut: die geplante Totalrevision der Verordnung für die Ärztezulassung im Kanton Zug. Wichtigster Bestandteil des Entwurfs: Der Regierungsrat möchte mittels Höchstzahlen beschränken, wie viele Fachärzte in elf Facharztrichtungen tätig sein dürfen.

Höchstzahlen müssen spätestens ab Juli gelten

Die Regierung steht unter Zeitdruck, denn spätestens ab dem 1. Juli müssen die Kantone mindestens ein Fachgebiet mit einer Höchstzahl belegen. Dazu sind die Kantone gemäss dem Krankenversicherungsgesetz des Bundes verpflichtet.

Diese Regelung soll es den Kantonen ermöglichen, eine Überversorgung im Gesundheitswesen zu verhindern und das Kostenwachstum zu dämpfen (zentralplus berichtete). Zudem soll eine bessere Verteilung der Ärzte erreicht werden. Die Begrenzung betrifft Ärzte, die ambulante Leistungen über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abrechnen möchten.

Gemäss dem Entwurf möchte die Zuger Regierung elf Facharztrichtungen mit Höchstzahlen belegen. Betroffen ist etwa das Fachgebiet der Gynäkologie und Geburtshilfe. In Zukunft dürften gemäss Entwurf nur noch 27 Vollzeit arbeitende Frauenärztinnen tätig sein.

In der Facharztrichtung Gynäkologie gibt es Schätzungen zufolge derzeit 31,3 Vollzeitstellen im Kanton Zug. Heisst: Künftig dürften sich keine Gynäkologinnen mehr ansiedeln, bis mindestens vier von ihnen die Praxistätigkeit aufgegeben haben. Bereits zugelassene Ärzte sind von der Regelung nicht betroffen.

Gesundheitsversorgung werde beschädigt, Wartelisten würden länger

Im Rahmen einer Vernehmlassung der Zuger Regierung äusserten sich mehrere Institutionen zum geplanten Vorhaben der Regierung. Gewisse Verbände schrecken vor Kritik nicht zurück.

«Wir gehen davon aus, dass die vorgesehene Steuerung mit Höchstzahlen zu einem ungenügenden Angebot mit Wartefristen für die Patientinnen führen wird.»

Matthias Winistörfer, Spitaldirektor Zuger Kantonsspital

«Erhebliche Bedenken» hat etwa die Ärztegesellschaft Zug. «Die vom Kanton vorgesehene Regelung reglementiert die Zulassung der meisten spezialärztlichen Facharzttitel und verunmöglicht faktisch eine Niederlassung», sagt deren Präsident Urs Hasse auf Anfrage. Der Entwurf habe das Potenzial, «die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu beschädigen», schreibt er weiter.

Urs Hasse macht sich weiter Sorgen um den medizinischen Nachwuchs. Der vorliegende Entwurf stelle ein «fatales Signal» an diesen dar. «Junge Schweizer Mediziner werden sich unter Umständen gegen eine aufwändige Weiterbildung in einem Spezialfach entscheiden», schreibt er. Dies wiederum führe zu vermehrter Abhängigkeit von Ärzten aus dem Ausland.

Auch das Zuger Kantonsspital hat sich im Rahmen der Vernehmlassung zum Entwurf der Regierung geäussert. Spitaldirektor Matthias Winistörfer sieht gar die Versorgungssicherheit im Kanton gefährdet. «Wir gehen davon aus, dass die vom Kanton Zug vorgesehene Steuerung mit Höchstzahlen in 11 Fachgebieten zu einem ungenügenden Angebot mit Wartefristen für die Patientinnen und Patienten führen wird», schreibt er gegenüber zentralplus. Auch er sieht daher die medizinische Versorgung im Kanton gefährdet.

Matthias Winistörfer ist Spitaldirektor des Zuger Kantonsspitals. (Bild: Zuger Kantonsspital)

Wacklige Datenlage führt zu Kritik hüben wie drüben

Die Rückmeldung vonseiten der Ärztegesellschaft Zug als auch vom Zuger Kantonsspital haben einen gemeinsamen Kritikpunkt: Beide bemängeln das Verfahren.

Die Ursache: Der Kanton Zug möchte alle Facharztrichtungen mit Höchstzahlen belegen, die einen sogenannten Versorgungsgrad von über 100 Prozent aufweisen. Dieser gibt an, wie hoch die in Anspruch genommenen ärztlichen Leistungen im Vergleich mit den zu erwarteten Leistungen sind. Ein Beispiel: Im Kanton Zug beträgt der Versorgungsgrad im Fachgebiet Dermatologie derzeit 124 Prozent, wie ein Bericht im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) aufzeigte. Konkret heisst das, dass die Zugerinnen mehr Leistungen beim Hautarzt in Anspruch nehmen, als es anhand von Merkmalen wie der Altersstruktur zu erwarten wäre.

Dieser hohe Versorgungsgrad kann ein Indiz dafür sein, dass eine Überversorgung vorherrscht: Betonung: kann. Denn als Referenzwert wird der gesamtschweizerische Durchschnitt angenommen. Er beruht also auf der impliziten Annahme, dass der gesamtschweizerische Durchschnitt genau dem Bedarf an ärztlichen Leistungen entspricht. Dies muss aber nicht zwingend der Fall sein.

Dass der Kanton Zug auf Basis dieser Zahlen Höchstzahlen festlegt, sorgt für Unverständnis: Die Datenlage sei ungenügend und der Entwurf mutmasslich unter grossem Zeitdruck entstanden, moniert Spitaldirektor Winistörfer. In die gleiche Kerbe schlägt der Präsident der Ärztegesellschaft, Urs Hasse: «Nachweislich unzuverlässig» seien die dem Entwurf zugrundeliegenden Daten.

Kanton Luzern beschränkt nur ein Fachgebiet – das ist keine Option für Zug

Rückenwind erhalten diese gar vom Kanton Luzern. «Sowohl die Methodik als auch die Daten weisen zurzeit jedoch noch erhebliche Mängel auf», heisst es auf Anfrage beim Gesundheits- und Sozialdepartement. Der Kanton Luzern hat sich daher entschieden, lediglich ein Fachgebiet mit Höchstzahlen zu belegen, obwohl mehrere Facharztgebiete einen Versorgungsgrad von über 100 Prozent aufweisen. Die Beschränkung lediglich eines Fachgebietes entspricht dem gesetzlichen Minimum.

Lediglich ein Fachgebiet mit Höchstzahlen belegen? Der Kanton Zug scheint damit nichts anfangen zu können: «Im Kanton Zug nur pro forma in einem einzigen Fachgebiet eine Höchstzahl festzusetzen, wäre zwar rechtlich zulässig», schreibt ein Sprecher der Gesundheitsdirektion auf Anfrage. Dies würde dem beschriebenen Willen des Bundesgesetzgebers und dem Sinn und Zweck der neuen Vorgaben jedoch «klar zuwiderlaufen».

Der Entwurf und die Vernehmlassungsantworten werden voraussichtlich an der Sitzung des Regierungsrats in der kommenden Woche besprochen. Bis dahin will sich der Kanton Zug zu den konkreten Vorwürfen nicht äussern.

Verwendete Quellen
  • Telefonate und schriftlicher Austausch mit der Gesundheitsdirektion des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit dem Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Urs Hasse, Präsident der Zuger Ärztegesellschaft
  • Schriftlicher Austausch mit Matthias Winistörfer, Spitaldirektor Zuger Kantonsspital
  • Schriftlicher Austausch mit Curafutura
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
  • Schlussbericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) und von BSS Volkswirtschaftliche Beratung im Auftrag des BAG
  • Verordnungsentwurf des Kantons Zug
  • Website des BAG
  • Beilagen zum Bericht des Obsan
  • Bericht und Antrag der Zuger Kantonsregierung zum Vernehmlassungsentwurf
  • Medienmitteilung des Kantons Luzern
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7 Kommentare
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    Mike, 22.06.2023, 15:28 Uhr

    Ich denke, dass gerade beim Beispiel der Dermatologie, irgend jemand ein Knopf beim Computer drückt, dieser spuckt eine Zahl heraus (= zu erwarten wäre) und damit muss irgenwie gedeckelt werden. Ich dachte immer, man solle Muttermale, etc. überprüfen lassen und so dem Krebs vorbeugen…na ja, ich warte heute schon 3-4 Monate auf einen Termin und dann im Wartezimmer sicher nochmals eine Stunde…will heissen, in Zukunft müsste ich gleich beim Untersuch den nächste Termin abmachen…sinnvoll?

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    • Profilfoto von Doris Wernli
      Doris Wernli, 22.06.2023, 16:15 Uhr

      Ein Muttermal ansehen und allenfalls eine kleine Probe ans Labor schicken, kann jeder Hausarzt. Dafür braucht es keine teuren Spezialisten, die ein vielfaches kosten. Nicht umsonst ist das Hausarztmodell günstiger, und Sie erhalten den Befund auch viel schneller.

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    Alois Iten, 22.06.2023, 13:57 Uhr

    Richtig so. Wer im Amtsblatt sieht, wie vielen Ärzten im Kanton Zug wöchentlich neu eine Berufsausübungsbewilligung erteilt wird, erkennt rasch, dass hier etwas falsch läuft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zuger plötzlich so viel kranker wurden, dass hier wirklicher Bedarf besteht. Das Problem ist ja, dass jeder Arzt selbst entscheidet, wie er einen Patienten behandelt. Ein Zuger Arzt wollte mal, dass ich wegen einer Scherbe täglich für einen Kamille-Fussbad zu ihm in die Praxis komme. Als ob das zuhause nicht ebenso gut ginge, nur verdient er halt nichts mehr dabei.

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    Ernie, 22.06.2023, 12:50 Uhr

    Im Kanton Zug soll man halt nicht wohnen sondern nur arbeiten. Das ist das Ziel der Regierung wenn man die Handlungen bzw. Nicht-Handlungen rund um Spitalabbau, Wohnungsnot und diese Massnahme richtig interpretiert.

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      Franz, 22.06.2023, 13:45 Uhr

      Polemik nützt niemandem. Gerade im Kt. ZG wohnen viele Menschen, die nicht mehr arbeiten (was ihnen gegönnt ist). Mit dem höheren Alter steigt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen (Arzt, Spital, Medikamente, Therapie). Dabei kommt es jedoch auch zur Überversorgung, wie Herr Bühler unten schreibt. Im Vergleich zu den Niederlanden und den skandinavischen Ländern werden in der Schweiz bspw. sehr viele Operationen durchgeführt. Neben überflüssigen Untersuchungen. Jeder und jede kennt das, der bzw. die mal untersucht worden ist. Auch wenn nichts gefunden wurde, wollen die meisten Ärzte gleich den Termin für die nächste Untersuchung fixieren. Das alles führt zu hohen KK-Prämien.

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        Ernie, 22.06.2023, 15:21 Uhr

        All diese Probleme bekommt man in den Griff in dem man die Patienten mehr in die Kostenverantwortung nimmt, nicht indem man das Angebot einschränkt. Dabei entsteht nur eine geschützt Klasse von Monopolärzten die richtig gut verdienen.

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    R. Bühler, 22.06.2023, 12:43 Uhr

    Wie überall im Leben müssen auch bei den ärztlichen Dienstleistungen immer wieder mal Sparmassnahmen umgesetzt werden. Das ist ein politischer Auftrag und wird erwartet. Die Ärztevereinigung sollte vielmehr dazu Hand bieten oder selber wirksame Massnahmen vorschlagen, anstatt ihren Berufsstand vor Veränderungen zu schützen. Die ärztliche Überversorgung im Kt. Zug führt zu höheren Krankenkassen-Prämien, die auch die gesunden Mitglieder mittragen müssen. Die Ärzte im Kt. Zug sind ja nicht nur hierher gezogen weil die Zuger Bevölkerung übermässig viel krank wäre, sondern auch – und vielleicht besonders – wegen den attraktiven Steuersätzen, die in dieser Einkommensklasse besonders zu Buche schlägt.

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