Wahlen 2023 – Mobilität

Drohender Verkehrskollaps: Gratis-ÖV oder mehr Strassen?

Stau in Luzern: Mittlerweile ein oft gesehenes Bild. (Bild: ewi)

Im letzten Teil der grossen zentralplus-Wahlserie geht es um die Mobilität. Wir haben bei Luzerner Nationalratskandidatinnen und -kandidaten nachgefragt, wie sie den Verkehrskollaps verhindern wollen.

Der Verkehr in der Schweiz nimmt stetig zu – sei es auf den Autobahnen oder auf der Schiene. Die Staustunden auf den Nationalstrassen beispielsweise haben sich gemäss dem Bundesamt für Statistik seit 2010 verdoppelt. Und die SBB meldeten vor einem Monat einen Passagierrekord: 1,33 Millionen Passagiere im ersten Halbjahr – so viele wie noch nie zuvor.

Das Thema ist emotional. Und auch im Kanton Luzern wird seit Jahren über den Verkehr und die richtigen Massnahmen zur Entlastung gestritten. Die Diskussionen um den Durchgangsbahnhof, den Bypass, angebliche «Velo-Rowdys» oder Dosierampeln lassen grüssen (zentralplus berichtete). Dabei scheint es einen gemeinsamen Nenner zu geben: Es braucht Massnahmen, um den Verkehr in den Griff zu bekommen. Denn kaum kommt irgendwo auf der Schiene oder auf der Strasse während Stosszeiten ein Problem auf, geht es oft für tausende Verkehrsteilnehmende nicht mehr weiter. Dann hat es sich schon bald mit der Einigkeit.

zentralplus hat im Rahmen der grossen Wahlserie vor den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober von den Luzerner Spitzenkandidaten für den Nationalrat in Erfahrung bringen wollen, welche Massnahmen sie fordern. Konkret lautete die Frage: «Wie können wir sicherstellen, dass unsere Verkehrsnetze nicht kollabieren?»

Die Antworten der SP-Kandidaten

Pia Engler (50, neu): «Der Nahverkehr Zone 10 in Luzern ist konsequent gratis anzubieten – alle, die ein Auto besitzen und knapp bei Kasse sind, werden den ÖV für Kurzstrecken nur nutzen, wenn sie keine Zusatzkosten haben. Die Städte sind autofrei zu gestalten und dem Ausbau des ÖV ist oberste Priorität zu geben. Wir müssen die Bevölkerung mehr auf ihr Mobilitätsverhalten sensibilisieren. Der Ausbau von Strassen führt nachweislich zu mehr Verkehr.»

David Roth (38, neu): «Wir brauchen eine dezentrale Versorgung, damit weniger und kürzere Wege notwendig sind. Flächeneffiziente Verkehrsmittel wie Zug und Velo müssen in den dicht besiedelten Gebieten gezielt gefördert werden. Neue Autobahnprojekte sind eine Gefahr für die Verlagerungspolitik.»

Die Antworten der Mitte-Kandidaten

Leo Müller (65, bisher): «Ein weiterer Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Strassennetzes ist notwendig. Es ist aber ein Teufelskreis: Wünschenswert wäre, wenn die Leute wieder vermehrt dort wohnen würden, wo sie arbeiten. Dies ist aber kaum möglich zu steuern.»

Priska Wismer-Felder (53, bisher): «Die Attraktivität des ÖV muss erhalten oder gesteigert werden – die Kombination des motorisierten Individualverkehrs (MIV) mit dem ÖV zum Beispiel durch vermehrte Park+Rail-Angebote ist dabei wesentlich. Kurze Strecken (auf dem Land) mit dem MIV, lange Strecken mit dem ÖV. Neue Arbeitsformen, die weniger Mobilität erfordert, müssen wir fördern.»

Adrian Nussbaum (45, neu): «Wir müssen wegkommen vom Schwarz-weiss-Denken. Autopartei SVP und ÖV-Prediger Grüne und SP lösen das Problem nicht. Die Herausforderung der steigenden Mobilität lösen wir nur miteinander: ÖV-Ausbau, Massnahmen für Wirtschaftsverkehr, Ausbau Radroutennetz und so weiter.»

Karin Stadelmann (38, neu): «Es gilt, sich in Bern weiterhin für den Durchgangsbahnhof für Luzern einzusetzen. Damit reduzieren wir einige Verkehrsprobleme des Kantons Luzern und können aber auch schweizweit dazu beitragen, dass das Streckennetz ausgebaut und damit der ÖV attraktiver wird. Zudem müssen wir die Elektrifizierung (E-Mobility) und die Digitalisierung besser nutzen.»

Die Antworten der Grüne-Kandidaten

Michael Töngi (56, bisher): «Glücklicherweise haben in den letzten Jahren die Verkehrszahlen nicht mehr stark zugenommen. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen: Keinen Ausbau mehr für den Strassenverkehr, Umsteigen erleichtern mit einem guten ÖV-Angebot, zahlbaren Preisen und in Luzern mit der Verwirklichung des Durchgangsbahnhofs. Leider droht uns gerade das Gegenteil mit einer Realisierung des Bypasses und langem Warten auf die Bahninfrastruktur.»

Laura Spring (39, neu): «Indem wir auf flächeneffiziente Verkehrsmittel umsteigen: Zug, Bus, Tram, Velo und Fussverkehr. Ein gut ausgebautes ÖV-Netz, mehr und sichere Velorouten, aber auch eine intelligente Siedlungsplanung machen das möglich. So können wir das Strassennetz entlasten und gleichzeitig unser Klima und unser Kulturland schützen.»

Die Antworten der GLP-Kandidaten

Roland Fischer (58, bisher): «Insbesondere in den Städten und Agglomerationen, aber auch in den regionalen Zentren muss der Veloverkehr deutlich stärker gefördert werden, zum Beispiel durch den Bau von Velobahnen und die Verbesserung der Infrastruktur wie Parkmöglichkeiten und Ladestationen. Denn Velofahren braucht deutlich weniger Platz als der motorisierte Individualverkehr und ist zudem gesünder – mit der Verbreitung des Elektrovelos erwachsen hier neue Möglichkeiten, gerade auch in den ländlichen Regionen.»

Claudia Huser (42, neu): «Indem wir auch bei der Mobilität durch Mobilitypricing die Kosten gemäss dem Verursacherprinizip steuern.»

Die Antworten der FDP-Kandidaten

Peter Schilliger (64, bisher): «Grossprojekte wie der Durchgangsbahnhof Luzern und der Bypass der Autobahn bringen uns weiter. Diese beiden Projekte sind für Luzern ein wichtiger Lösungsansatz, um überfüllte Züge und verstopfte Strassen zu reduzieren. Ich wehre mich dagegen, dass man versucht, diese gegeneinander auszuspielen.»

Jacqueline Theiler (42, neu): «Die Regionen sollen mit allen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Der Durchgangsbahnhof ist für unsere Region und den Ausbau des S-Bahn-Netzes von grosser Bedeutung. Genauso der Bypass – der die Innenstadt vom Durchgangsverkehr sowie die Umfahrungen entlasten soll.»

Die Antworten der SVP-Kandidaten

Franz Grüter (60, bisher): «Die Schweizer Bevölkerung ist in den letzten zwanzig Jahren um 1,5 Millionen angewachsen. Verstopfte Strassen und überfüllte Züge sind die logische Folge. Wir müssen die Zuwanderung wieder selber steuern und auf ein vernünftiges Mass zurückführen.»

Dieter Haller (49, neu): «Wichtige Projekte wie der Durchgangsbahnhof Luzern, aber auch das Gesamtsystem Bypass, welche Entlastung im Grossraum Luzern bringen, stehen an und müssen zielgerichtet umgesetzt werden. Hauptverkehrsachsen dürfen nicht durch Hindernisse reguliert werden und es braucht einen bedarfsgerechten Ausbau im urbanen Gebiet, aber auch auf dem Land, so dass der Verkehr flüssig gehalten werden kann.»

Vroni Thalmann-Bieri (54, neu): «Nebst der Drosselung der Einwanderung brauchen wir einen gezielten Ausbau der Strassen- und Bahninfrastruktur. Wirtschaftspolitisch können flexible Arbeitszeiten und Homeoffice einen Beitrag leisten, um die Überlastung des Verkehrsnetzes zu mindern.»

So sind wir vorgegangen

Der Kanton Luzern hat neun Nationalratssitze zu vergeben. Derzeit hat die Mitte drei davon inne, die SVP zwei und die Grünen, GLP, FDP und SP je einen. Da wir aus praktischen Gründen nicht die Antworten sämtlicher Kandidaten – es sind 387 Personen – abbilden können, haben wir uns entschieden, uns auf die Spitzenkandidaten zu fokussieren. Dabei haben wir folgendes Prinzip angewandt: Anzahl derzeitige Sitze pro Partei plus eins. So sind wir beispielsweise bei der Mitte von ihren derzeit drei Vertretern ausgegangen, plus ein weiterer Kandidat. Bei der SVP von ihren zwei Sitzen, plus eine Kandidatin und so weiter.

zentralplus hat 15 Personen einen Fragenkatalog zugestellt. Die bisherigen Nationalräte waren dabei gesetzt, hinzu kamen die Kandidaten, die unserer Meinung nach die besten Chancen haben, gewählt zu werden. Sei es aufgrund ihrer Prominenz oder ihrer Wahlergebnisse in früheren Nationalrats- oder Kantonsratswahlen.

Bei der Wiedergabe der Antworten haben die Bisherigen Vorrang, danach kommen die neuen Kandidaten, alle alphabetisch sortiert. Die Angefragten wurden gebeten, sich auf drei Sätze pro Antwort zu beschränken. Wo dies überschritten wurde, haben wir die Antwort gekürzt.

Hinweis: Damit beendet zentralplus die Berichterstattung vor den eidgenössischen Wahlen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit den Kandidaten
  • Zahlen zu den Staustunden, Bundesamt für Statistik
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Ragnar
    Ragnar, 17.10.2023, 16:20 Uhr

    Wird wohl mit den ganzen Beton Blöcken die in Kriens und Horw gebaut werden nicht besser werden

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 15.10.2023, 17:50 Uhr

    Anwort an
    P.Engler; Gute Idee,das heisst aber noch mehr Subventionen an VBL von der PW Steuer abzweigen!
    D.Roth ;schwacher Vorschlag(ALT)
    L.Müller; Realistischer Vorschlag( vor jahrrzenten schon vorgeschlagen)
    P.Wismer Felder; Park+ Rail Abzocke mit Parkgebühren!
    K.Stadelmann; für Internationalem Verkehr gute Sache, aber für Nahverkehr bring er nichts!
    F.Grüter; wiedersprüchlich ,es sind viele Perufliche Vakanzen ausgeschrieben,von wo ersetzen!
    V.Thalman Bieri; Realistischer Vorschlag😌
    bei den ander fand ich es nicht nötig zu kommendieren

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