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Droht der Luzerner Kulturjournalismus nach dem Verlust des Kulturmagazins «Kultz» gänzlich zusammenzubrechen? zentralplus hat mit kleinen und grossen Playern der Luzerner Medienlandschaft gesprochen.
«Die Kulturberichterstattung wird ähnlich oft wie andere Bereiche gelesen. Die Online-Klickzahlen steigen stetig», heisst es in einer Kurzantwort von CH Media zu Fragen, die zentralplus dem Medienkonzern zum Kulturjournalismus in der «Luzerner Zeitung» gestellt hat. Von Krise offenbar keine Spur. Inwiefern sich die Pensen in der Kulturredaktion während der letzten Jahre verändert haben, möchte die Kommunikationsabteilung von CH Media nicht verraten. Unklar ist zudem, ob der jüngst verkündete massive Stellenabbau des «LZ»-Mutterhauses auch die Luzerner Kulturredaktion betreffen wird (zentralplus berichtete).
Martin Erdmann, Redaktionsleiter von «Kultz» und Journalist beim Berner «Bund», zeichnet ein deutlich düstereres Bild vom Zustand des regionalen Kulturjournalismus: «In der ganzen Medienbranche sind die Lokal- wie auch die Kulturteile am Schrumpfen», sagt er. «Lokalen Kulturjournalismus zu machen, ist eigentlich ein Himmelfahrtskommando.»
Gen Himmel gehts für «Kultz» per Jahresende. Dann stellt das Kulturmagazin den Betrieb ein (zentralplus berichtete).
«Kultz» möchte Schuld nicht bei anderen suchen
«Der Kulturjournalismus hat es ein Stück weit verpasst, sich zu erneuern», findet Martin Erdmann. Die Möglichkeiten, neue Impulse zu setzen, seien bei den Luzerner Kulturmedien – namentlich den Kulturmagazinen «041» und «Frachtwerk» sowie dem «Radio 3Fach» – deutlich grösser als bei den «grossen Playern» wie der «Luzerner Zeitung» oder zentralplus.
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Nebst der Konzeption der Inhalte gehört selbstredend auch die Finanzierung zu den täglichen Herausforderungen im Kulturjournalismus. Das Scheitern von «Kultz» möchte Erdmann aber nicht etwa auf die fehlende Medienförderung zurückführen. «Das wäre sehr verbittert», sagt er. «Kultz» habe von Anfang an auf die Finanzierung über Mitgliederbeiträge gesetzt – «und das hat eben nicht geklappt».
Dennoch, fährt Erdmann fort, wäre eine Medienförderung, insbesondere für Kulturmedien, wichtig – gerade in einer Kulturstadt wie Luzern. Doch hätten die entsprechenden Gespräche mit der Stadt zu nichts geführt. «Vielleicht sollte sie ihre Haltung dazu überdenken», so Erdmann.
Chance für die «Kleinen»
Die Akquirierung von über 700 zahlenden Mitgliedern innert wenigen Jahren darf «Kultz» durchaus als Achtungserfolg werten. Gleichzeitig müssen sich die Macherinnen den Vorwurf gefallen lassen, den Konkurrenzkampf in der Region weiter angekurbelt zu haben.
«Es ist bestimmt so, dass nicht alle ‹3Fach›- oder ‹041›-Member auch noch bei uns Mitgliederbeiträge zahlen konnten oder wollten», so Erdmann. Wobei sich «Kultz» inhaltlich bewusst von den anderen Kulturmedien abgegrenzt habe – mit der Konsequenz, dass die Luzerner Kulturszene künftig etwas weniger divers dargestellt werde.
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Bei «Kultz» hofft man, dass die eigenen Mitglieder künftig «041», «Frachtwerk» und «Radio 3Fach» unterstützen werden. Diese «Verbündeten», wie sie in der Medienmitteilung zum Ende von «Kultz» genannt werden, hat zentralplus gefragt, wie gut es ihnen finanziell geht. Im Fall des Kulturmagazins «041» lautet die Kurzantwort von Dominik Bienz, Verlags- und Co-Geschäftsleiter: nicht schlecht. Aber auch nicht gut.
Corona liess die Papierpreise in die Höhe schnellen
Dass «Kultz» dem «041» Mitglieder weggeschnappt haben soll, bezweifelt Bienz. Die «041»-Abonnenten seien «sehr loyal» und hätten einen «ausgeprägten Unterstützungssinn». Darum dürften viele Kulturinteressierte beide Medien finanziell unterstützt haben, ist Bienz überzeugt.
Schwierigkeiten bereiteten dem Kulturmagazin die seit der Corona-Pandemie um bis zu 20 Prozent gestiegenen Papierkosten, der Abwärtstrend bei den Abos und die zunehmende Verlagerung von Werbung in den digitalen Bereich.
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Auch Bienz bemängelt die «marode, nicht mehr zeitgemässe» Medienförderung. Zwar bestünden Ideen und Initiativen – etwa diejenigen einer Studie der Stiftung Mercator. Doch kämen diese nur schleppend voran.
«Kultz» ist kein Einzelfall
Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung sind nicht nur «Kultz», sondern im Mai 2023 auch dem «echt»-Magazin zum Verhängnis geworden (zentralplus berichtete). Und jüngst vermeldete, wie Dominik Bienz weiss, auch das «Saiten Magazin» aus der Ostschweiz, zum vierten Mal in Folge Verlust zu schreiben. «Das ist tragisch. Und ein schweizweites Phänomen.»
Gleichzeitig sieht Bienz im Abbau der Kulturredaktionen grösserer Player auch eine Chance für spezialisierte Kulturmagazine. «Weil wir als kleines Medium Marktanteile grösserer Medienunternehmen übernehmen können.» Das erklärte Ziel des «041» sei denn auch, in der Zentralschweiz «Kulturmedium Nummer eins» zu sein.
Der Verbund Luzerner Kulturmedien
Eine Kampfansage? Ilayda Zeyrek winkt ab. Die Programm- und Redaktionsleiterin von «Radio 3Fach» erklärt, was es mit dem Terminus «Verbündete» auf sich hat: «2022 haben wir uns als ‹3Fach›, ‹Kultz›, ‹041› und ‹Frachtwerk› zum ‹Verbund Luzerner Kulturmedien› zusammengetan, um die Zukunft für uns alle zu sichern.» Und zu verhindern, dass man sich gegenseitig zahlende Mitglieder abwerbe.
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«Für freie Online-Medien wie ‹Kultz› gibt es aktuell schlichtweg keine nachhaltige, langfristige und gesicherte Finanzierungsmöglichkeit», fährt Zeyrek fort. Gleichzeitig würden die Anforderungen daran, was ein Medium online alles leisten können muss, ansteigen. Das sei auch fürs «Radio 3Fach» eine Herausforderung. «Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass diese Rechnung nicht aufgeht», schliesst Zeyrek.
Beim «Frachtwerk» steht ein Relaunch an
Angeklopft hat zentralpus auch beim Kulturmagazin «Frachtwerk», das sich gemäss Präsident Jan Rucki an ein junges bis sehr junges Publikum richtet. «Auch wir müssen feststellen, dass der Wille, grundsätzlich kostenfreie journalistische Inhalte monetär zu unterstützen, eher gering ist.» Das sei zwar nicht überraschend, aber dennoch etwas enttäuschend.
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Das «Frachtwerk» strebe per Februar 2024 einen Relaunch seines Magazins an, «in dem wenig so sein wird, wie es bisher war». Auch, um nach Jahren des ehrenamtlichen Journalismus nach der bereits professionalisierten Geschäftsstelle die Autorinnen vermehrt entlöhnen zu können.
«Es gibt neue Kommunikationswege auf Social Media, Podcasts, die nach wie vor im Hype sind, und ganz viele andere, moderne Kurzformate, die ein junges Publikum sehr ansprechen», erklärt Rucki. In finanzieller Hinsicht stelle dies aber ein Problem dar: Denn gerade auf Social Media wirke alles kostenfrei. «Dass hinter gewissen Beiträgen im Internet journalistische und redaktionelle Arbeit steht, ist Nutzenden beispielsweise oft nicht bewusst.» Die neuen Arten, Journalismus zu machen, seien also Chance und Gefahr zugleich.
- Schriftlicher Austausch mit der Kommunikationsabteilung von CH Media
- Schriftlicher Austausch mit «041», «Frachtwerk», «Radio 3Fach»
- Medienmitteilung von «Kultz»
- Studie der Stiftung Mercator zur Unterstützung des Schweizer Lokaljournalismus