Krampfanfälle und Erbrechen

In Luzern kursiert hochgefährliches Gras

Joint mit Risiko: In Luzern sind synthetische Cannabinoide im Umlauf, die gefährlich sind. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Schweizer Drogenfachstellen warnen wieder häufiger vor synthetischen Cannabinoiden. Das ist Gras, das im schlimmsten Fall tödlich sein kann. Auch in Luzern ist die Droge im Umlauf.

Schon wieder: Die Drogeninformation Luzern (DILU), warnt vor Gras. Und das zum dritten Mal innerhalb von 30 Tagen.

Sieht aus wie normales Gras, ist es aber nicht:

In der DILU können Konsumentinnen ihre Drogen auf gefährliche Substanzen testen lassen (zentralplus berichtete). Wurden diese unter falschen Angaben verkauft oder sind sie hochdosiert und oder gefährlich, warnt die DILU vor der Substanz. Das macht sie auch auf Instagram.

Beim getesteten Gras handelt es sich nicht um normales Cannabis. Sondern um synthetisches Cannabinoid. Dabei handelt es sich um legalen CBD-Hanf, der mit synthetischen Cannabinoiden besprayt wird. Die Probe enthält gemäss Infos der DILU zusätzlich auch noch ADB-Butinaca. Dieses synthetische Cannabinoid ist hoch potent und steht weltweit im Zusammenhang mit mehreren Todesfällen.

Erbrechen und Ohnmacht

Wer diese synthetischen Cannabinoide raucht, kann sie kaum dosieren. Schnell kann es zu riskanten Überdosierungen kommen. Die Folgen: Ohnmacht, Herzrasen, Krampfanfälle, Übelkeit und Erbrechen – bis hin zum Herzinfarkt. Die Worte der DILU sind eindeutig: «Wir raten vom Konsum ab!»

Es ist nicht das erste Mal, dass in Luzern gefährliches Gras im Umlauf ist. Bereits vor drei Jahren berichtete zentralplus, dass vermehrt Gras und Hasch in Luzern aufgetaucht ist, das mit synthetischen Cannabinoiden behandelt wurde.

Schweizweit nehmen die Warnungen wieder zu

Schweizweit warnen Drogen-Überprüf-Angebote zwar am meisten vor bunten Pillen. Sie sind pink, blau und gelb – und haben Totenköpfe, das «Casa de Papel»-Logo oder Markenlogos wie Louis Vuitton eingraviert. In den meisten Fällen, in denen vor Substanzen gewarnt wird, handelt es sich um MDMA-Pillen, die hochdosiert sind.

Bei Infodrog, einer Fachstelle, die schweizweit die Daten aller Drug-Checkings sammelt und publiziert, sind aber auch mehrere Bilder und Warnungen zu Cannabisblüten zu finden.

Schweizweit scheinen die Warnungen wieder zuzunehmen. Das bestätigt auch Marc Marthaler, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Infodrog. «In letzter Zeit tauchen wieder häufiger Warnungen für synthetische Cannabinoide auf», schreibt er auf Anfrage. Wohl auch deswegen, weil sogenannte «halbsynthetische Cannabinoide» zunehmend verbreitet wären. Gemäss Marthaler handle es sich um ein gesamtschweizerisches Phänomen.

Erst boomten synthetische Cannabinoide, dann flauten sie wieder ab

Synthetische Cannabinoide fanden vor noch nicht allzu langer Zeit den Weg in die Schweiz. Gemäss Marthaler tauchte 2019 in der Schweiz erstmals CBD-Hanf auf, auf dem synthetische Cannabinoide nachgewiesen werden konnten. Ein Jahr später haben Kifferinnen in Schweizer Drug-Checking-Angebote zahlreiche Proben von CBD-Hanf mit synthetischen Cannabinoiden zum Testen abgegeben. Zuvor haben sie diesen illegal gekauft, als «gewöhnliches» THC-haltiges Cannabis.

«Es ist immer beunruhigend festzustellen, dass ein Trend wieder neu aufflammt.»

Olivia Allemann, Betriebsleiterin DILU – Drogeninformation Luzern

«Während ab 2020 relativ viel Cannabis, welches mit synthetischen Cannabinoiden versetzt war, in Umlauf war, beruhigte sich die Lage im 2022 wieder ein wenig», sagt Marthaler. So wurden 2022 bei lediglich acht Proben synthetische Cannabinoide nachgewiesen. Das entsprach ungefähr neun Prozent der publizierten Warnungen. Ein Jahr zuvor, im 2021, waren es noch massiv mehr Warnungen. Damals wurden 71 Warnungen in der Kategorie, in die auch auch das gefährliche Gras zugeteilt wird, ausgesprochen.

Letztes Jahr deutete die Lage darauf hin, dass synthetische Cannabinoide allmählich wieder vom Substanzenmarkt verschwinden. Dem scheint nun doch nicht so zu sein. «Seit 2023 kommen immer weitere Substanzen hinzu und insbesondere auch halbsynthetische Cannabinoide wie HHC (Hexahydrocannabinol), Delta-8-THC und viele mehr», so Marthaler.

Von blossem Auge ist kein Unterschied feststellbar

Auch die DILU beobachtet, dass wieder öfter synthetische Cannabinoide getestet werden. «Es ist immer beunruhigend festzustellen, dass ein Trend wieder neu aufflammt», sagt Olivia Allemann. Sie ist Betriebsleiterin der DILU, einem Angebot des Vereins Kirchliche Gassenarbeit.

Hier kannst du Drogen auf gefährliche Substanzen testen lassen

Die DILU – Drogeninformation Luzern hat jeden Montagabend von 17.30 bis 19.30 Uhr geöffnet. Mehr Infos findest du hier. Die Abgabe einer Substanz ist jeweils mit einem Beratungsgespräch verbunden. Alles kostenlos und anonym.

Hier findest du alle aktuellen Substanzwarnungen des nationalen Warnungstools. Und auf know-drugs.ch findest du Infos zu allen Substanzen, Risiken, Nebenwirkungen und Safer Use.

Sie appelliert an die Kiffer, umzudenken. «Insbesondere bei Gras herrscht in vielen Köpfen die Vorstellung, dass es sich um ein unberührtes und reines Produkt aus der Natur handelt und der Konsum deswegen unbedenklich sei. Doch das stimmt einfach nicht mehr. Cannabiskonsum ist immer mit einem Risiko verbunden, insbesondere, seit synthetische Cannabinoide im Umlauf sind.»

Das Tückische daran: Von blossem Auge erkennt man nicht, ob die Blüte behandelt wurde oder nicht. Synthetische Cannabinoide sehen also aus wie unbehandeltes, «normales» Gras. «Man kann nie mit 100-prozentiger Garantie wissen, was wirklich in einer Substanz enthalten ist. Oder ob das Gras wirklich unbehandelt ist, oder es sich nicht doch um besprühten CBD-Hanf handelt.»

Anders als bei einer Flasche Wein gibt's kein Etikett, was in diesen illegalen Substanzen konkret enthalten ist und in welcher Menge. Auch wenn der Dealer auf der Gasse oder im Darknet die Drogen anpreist und Angaben dazu macht: Ob das alles stimmt, ist eine andere Frage.

Olivia Allemann ist die Betriebsleiterin der Drogeninformation Luzern (DILU). (Bild: ida)

 

Mehr Kiffer testen ihr Cannabis

Auch Kifferinnen scheint dies vermehrt Sorgen zu machen. So lassen mehr ihr Cannabis testen, wie Allemann sagt. Während der Pilotphase der DILU in den Jahren 2020 bis 2022 wurden insgesamt 46 Cannabisproben untersucht. Dieses Jahr waren es bis jetzt 30 Analysen. «Das zeigt, dass Konsumierende eher über das Risiko Bescheid wissen und ihr Cannabis testen lassen», so Allemann. Eine Entwicklung, welche die DILU begrüsst.

Wie Allemann weiter erzählt, gäbe es eine Gruppe Konsumierender, welche das Gras testet, bevor sie es raucht. Auch aus Sorge, dass das Gras nicht sauber sei. Andere haben es bereits geraucht und gemerkt, dass «irgendetwas anders beziehungsweise komisch» ist und daraufhin ein Drug-Checking-Angebot aufgesucht.

Allemann rät, dass Konsumierende jede Substanz vor dem ersten Konsum testen lassen. Andernfalls rät sie, zuerst nur zwei bis drei Züge zu inhalieren, den Joint für rund 20 Minuten auf die Seite zu legen und abzuwarten. «Falls die Wirkung ungewöhnlich ist, sollte man die Finger davonlassen.» Das können unter anderem Kopfschmerzen, Übelkeit oder Herzrasen sein. Im schlimmsten Fall sogar zum Tod, wie mehrere Studien zeigen. In EU-Ländern gab es mehrere Todesfälle, in der Schweiz bislang noch keinen. Sowohl Infodrog als auch Simon Kopp, Sprecher der Staatsanwaltschaft, sind keine Todesfälle in der Schweiz bzw. in Luzern bekannt.

Legales Kiffen – bald in Luzern

«Synthetisches Gras ballert übelst weg»: Das sagte Robert vor einigen Monaten gegenüber zentralplus. Er hat während Corona mal «richtig komisches Zeugs» gekifft. Ihm sei übel geworden. Als er den Stoff testete, zeigte sich: Es war synthetisches Gras (zentralplus berichtete).

«Bisher musste ich wildfremden Dealern vertrauen. Ich wusste nie, was ich da genau rauche», sagte er weiter. Dass das nicht ungefährlich ist, weiss er selbst. Er raucht seit einiger Zeit strengstens geprüftes Biocannabis, frisch von der Apotheke. Denn Robert ist einer von rund 370 Kiffern, der sich an der «Weed-Care-Studie» in Basel beteiligt. Im Rahmen dieser wird der regulierte Cannabisverkauf in Apotheken und die gesundheitlichen Auswirkungen davon untersucht.

Auch die Universität Bern will den legalen Verkauf von Gras in Apotheken untersuchen. Im Mai dieses Jahres hat die Uni grünes Licht vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) erhalten. Auch die Stadt Luzern will sich am Projekt beteiligen. Geplant ist, dass auf Anfang 2024 hin auch in Luzerner Apotheken für Studienteilnehmerinnen legale Joints erhältlich sind (zentralplus berichtete). Ab Anfang 2024 soll man sich für die Cannabisstudie anmelden können. «Der genaue Fahrplan steht noch nicht, sollte aber noch im Herbst bekannt gegeben werden können», sagt Paolo Hendry, Leiter Abteilung Alter und Gesundheit der Stadt Luzern.

«Ein vermeidbares Risiko»

Olivia Allemann von DILU begrüsst diese Studien. «Mit dem legalen Verkauf von strengstens kontrolliertem Gras kann man den Risiken stark entgegenwirken.» Dass Menschen Cannabis konsumieren, sei eine Realität. Mit der Verbreitung synthetischer Cannabinoide würden sich Konsumierende Risiken aussetzen, die vermeidbar wären.

Durch einen regulierten, legalen Verkauf wüssten Kiffer, was sie genau rauchen. Zudem gäbe es eine gewisse Kontrolle, weil Mitarbeitende von Apothekern auch schadensmindernd und präventiv tätig sein könnten. So könnte der Konsum zum Thema gemacht werden. «In dem Sinne sind die laufenden Pilotversuche eine positive Entwicklung. Eine Legalisierung von Cannabis alleine wäre kaum der richtige Weg, wohl aber eine regulierte Legalisierung.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Olivia Allemann, Projektleiterin DILU Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Marc Marthaler, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Infodrog
  • Instagram-Account der Drogeninformation Luzern
  • Bericht 2023 «Kiffen, sniffen, spicken & Co.» von Infodrog
  • Aktuelle Substanzwarnungen von Infodrog
  • Website «Weed Care Basel»
  • Schriftlicher Austausch mit Paolo Hendry, Leiter Abteilung Alter und Gesundheit Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Medienstelle Staatsanwaltschaft Luzern
  • Studie im Raum München über synthetische Cannabinoide in den Jahren 2014-2020
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9 Kommentare
  • Profilfoto von A.Z. Shabani
    A.Z. Shabani, 25.11.2023, 10:28 Uhr

    In Kanton Zug ist genau das gleiche eingetroffen. Eine Cannabis Entkriminalisierung und bezahlbarer legaler Zugang sind zwingend notwendig um weitere Opfer von gespritztem CBD zu verhindern. Die Bevölkerung muss vor solchen schändlichen Substanzen gewarnt, geschützt und entfernt werden.

    Trotz dessen dass ich eine Schmerzpatientin bin , wird mir das Cannabis nicht übernommen.

    Von sämtlichen Institutionen , sowie einem Schmerztherapheuten aus Luzern, meiner Krankenversicherung ,der Unfallversicherung sowie vom Rechtschutz wurde mir nahe gelegt das einzige Medikament was mir gegen meine Schmerzen hilft auf dem SCHWARZMARKT beziehen zu sollen , da dieses einfacher im Bezug und Bezahlung zu sein scheint.

    Suche nach Lösungen um den Konsum nach dem Arbeitsunfall vom medizinischen Cannabis legal entgegen zu treten, bisher vergeblich.

    Nun erfahre ich von Opfern die ins Spital eingeliefert worden sind.

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  • Profilfoto von SunnySunshine
    SunnySunshine, 15.11.2023, 18:08 Uhr

    Cannabis sollte schon längst entkriminalisiert werden! Bringt uns Steuern und den Konsumierenden Sicherheit!

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  • Profilfoto von Der Denker
    Der Denker, 15.11.2023, 07:03 Uhr

    Dann nutzt doch gleich die Chance, um mit den Drogen endgültig aufzuhören. Es lohnt sich wohl nicht, deswegen zu sterben.

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    • Profilfoto von SunnySunshine
      SunnySunshine, 15.11.2023, 18:10 Uhr

      Naja, ob das Abschreckt? Weder der Tod, noch Lungenkrebs, noch verfaulende Körperteile halten rauchende vom Rauchen ab..

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  • Profilfoto von Leunam
    Leunam, 15.11.2023, 07:02 Uhr

    Genau aus diesem Grund sollte Cannabis in der Schweiz legalisiert werden. So kann das Gras getestet und die Produzenten kontrolliert werden.
    Zum Thema ‹Weinetikette›. Wenn ich Alkohol trinken will weiss ich auch wie viel davon im angebotenen Produkte ist. Dies wünschte ich auch für Cannabis. Nur mit einer Legalisierung kann das sicher gestellt werden

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    • Profilfoto von Franz
      Franz, 15.11.2023, 08:58 Uhr

      Nein. Es verkehren schon zu viele Angetrunkene auf unseren Strassen, es braucht nicht noch (mehr) Bekiffte.

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      • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
        Hanspeter Flueckiger, 15.11.2023, 13:06 Uhr

        Alkohol hat weltweit mehr Leid verursacht, als etwas Gras rauchen. Die Gewaltexzesse der saufenden Väter und Ehemänner, welche Ehefrauen und die eigenen Kinder schlagen etc.
        Gutes Gras führt sicher nicht zu solchen Gewaltexzessen, wie dies der Alkohol tut. Deshalb sind solche Vergleiche aus meiner Sicht falsch. Es ist aber schon richtig, dass die Legalisierung von so genannten weichen Drogen oder eben eine staatlich kontrolliere, allenfalls auch regulierte Abgabe durchaus Sinn machen könnte. Das wie müsste sicherlich vertiefter diskutiert werden. Die Beschaffungskriminalität fällt u.a. beim Alkohol auch weg, denn diesen können sie überall kaufen.

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      • Profilfoto von Alabin
        Alabin, 15.11.2023, 14:10 Uhr

        Sie implizieren, dass eine Legalisierung der Droge zu einem erhöhten Konsum (im Strassenverkehr) führen würde. Woher kommt diese Annahme? Es gibt meines Wissens nach keine Studien, die einen solchen Schluss zuliessen.

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    • Profilfoto von Tilhelm Well
      Tilhelm Well, 15.11.2023, 09:22 Uhr

      Selber gärtnern. Problem gelöst.

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