Cannabis bald in Luzerner Apotheken?

Kiffen für die Wissenschaft: So funktioniert es

Joints mit Gras aus der Apotheke - in Luzern vielleicht bald Realität. (Bild: Ahmed Zayan / Unsplash)

Apotheken verkaufen in Basel neuerdings Marihuana und Haschisch für die «Weed-Care»-Studie. In drei Monaten könnte es auch in Luzern so weit sein. zentralplus hat mit einem 28-jährigen Studienteilnehmer über seinen ersten legalen Joint gesprochen.

«Es war schon speziell, in die Apotheke zu gehen und nach Cannabis zu fragen», erzählt Robert* von seinem ersten legalen Cannabis-Kauf in der Schweiz. Gleich am erstmöglichen Tag hat er sich mit je einer Sorte Marihuana und Haschisch eingedeckt. «Die stärksten Produkte waren bereits ausverkauft.»

Robert ist einer von rund 370 «Weed-Care»-Studienteilnehmern. Alle haben sich verpflichtet, regelmässig an Umfragen teilzunehmen. Das Bewerbungsverfahren beinhaltete unter anderem ein 30-minütiges Gespräch mit einem Arzt. Im Gegenzug erhalten die Studienteilnehmerinnen Zugang zu legalem Apotheken-Gras – zu marktüblichen Preisen zwischen 8 und 12 Franken pro Gramm.

Mitmachen dürfen nur Kifferinnen

Angenommen wurde bei der Studie nur, wer eine Urinprobe vorweisen konnte, die positiv auf THC-Rückstände getestet wurde. Es sei seine erste überhaupt gewesen, sagt Robert. Mit dem Gesetz sei er kaum je in Konflikt geraten. «Ein einziges Mal wurde ich beim Kiffen erwischt – am Tag, an dem die 10-Gramm-Regel eingeführt wurde.» Diese besagt seit 2013, dass, wer nicht mehr als 10 Gramm Cannabis mit sich führt, straffrei bleibt. Der Konsum von Cannabis wird aber mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken bestraft.

«Beim Gras-Kaufen kommst du dir schon kriminell vor. Du triffst dich mit irgendwelchen Dealern, irgendwo in einer dunklen Ecke der Stadt und weisst ganz genau: Mit diesem Einkauf unterstützt du mafiöse Strukturen.» Das bestätigt die Eidgenössische Kommission für Fragen zu Sucht und Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (EKSN): «Die organisierte Kriminalität ist in die Herstellung, die Verbreitung und den Verkauf von Cannabis involviert.» Darum setzt sich die EKSN für den legalen Zugang zu Cannabis ein.

BAG prüft Gesuch zum Luzerner Apotheken-Cannabis

Derweil prüft das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein Bewilligungsgesuch der Universität Bern, die im Rahmen der «Script»-Studie – analog zur «Weed-Care»-Studie in Basel – den Verkauf von Cannabis in Apotheken plant. Das Apotheken-Cannabis soll in Bern, Biel und Luzern erhältlich sein. «Wir streben einen Abschluss des Verfahrens innerhalb von drei Monaten an», so Céline Reymond, Sprecherin des BAG gegenüber zentralplus. Das sei aber nur möglich, wenn alles zusammenpasse.

«Ich bin für die Legalisierung des Konsums und des Besitzes von Cannabis.»

Robert, «Weed-Care»-Studienteilnehmer

Konkret heisst das: Das Forschungsprojekt muss bewilligt und eine Ausnahmebewilligung für den Anbau des Studien-Cannabis erteilt werden. Weiter müsse die zuständige Ethikkommission grünes Licht geben. Bereits wurden die betroffenen Kantone und Gemeinden, sprich die Kantone Bern und Luzern sowie die Städte Bern, Biel und Luzern, angehört. Bei allfälligen Vorbehalten ihrerseits seien weitere Abklärungen und allfällige Anpassungen nötig.

Synthetisches Gras mit Todesfolge

Robert beschreibt seine Haltung so: «Ich bin für die Legalisierung des Konsums und des Besitzes von Cannabis. Die Produktion und den Verkauf soll aber der Staat regulieren.» So würden Kifferinnen nicht weiter unnötig stigmatisiert und das organisierte Verbrechen würde eine Einnahmequelle verlieren.

«Synthetisches Gras ballert übelst weg.»

Robert, «Weed-Care»-Studienteilnehmer

«Bisher musste ich wildfremden Dealern vertrauen. Ich wusste nie, was ich da genau rauche», erklärt Robert. Das sei unangenehm gewesen. Und einmal sogar richtig gefährlich: «Während Corona hatte ich mal richtig komisches Zeugs.» Ihm sei übel geworden davon. Robert liess den Stoff testen. Dabei stellte sich heraus: Es handelte sich um synthetisches Gras. «Das ballert übelst weg.» Auch in Luzern kursierte während Corona synthetisches Gras. Die Polizei warnte explizit davor. Es kam zu Todesfällen (zentralplus berichtete).

Feierabendbier oder Schnaps

Seit einigen Tagen raucht Robert strengstens geprüftes Bio-Cannabis aus dem Aargau. Der Start der «Weed-Care»-Studie musste um fast ein halbes Jahr verschoben werden, weil bei Labortests ein geringer Anteil eines Pflanzenschutzmittels entdeckt worden sei, wie der Kanton Basel im September 2022 mitteilte.

Ein Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob sich das Konsumverhalten der Studienteilnehmerinnen verändert. Bei Robert trifft dies bereits nach wenigen Tagen zu: «Anders als beim Gras von der Strasse kann ich abschätzen, welche Sorte welche Wirkung auf mich hat.» So sei es ihm nun möglich, die Rauschwirkung durch Mengendosierung und Wahl der Sorte präzise zu bestimmen.

In der Apotheke gibt es verschiedene Marihuana- und Haschisch-Sorten. Der THC-Gehalt variiert je nach Sorte von 4.5 bis 20 Prozent. Man könne sich das vorstellen wie beim Alkoholkonsum: «Unter der Woche ein Feierabendbier – das geht. Aber den Schnaps trinkt man lieber erst am Wochenende.»

Kifferparadies Schweiz

Wer als Teilnehmer der «Weed-Care»-Studie Apotheken-Cannabis bezieht, darf dieses nur zu Hause rauchen. Es versteht sich von selbst, dass der Weiterverkauf verboten ist. Auch das Weitergeben eines Joints mit Apotheken-Cannabis an Dritte ist nicht erlaubt. Dieser Regelung fehle es an Pragmatismus. Robert gibt denn auch zu: «Wenn ich Besuch habe und jemand mal probieren will, werde ich die Person sicher kurz ziehen lassen.»

Hingegen findet er es richtig, dass er den Stoff nicht im öffentlichen Raum rauchen darf. Die Schweiz solle kein Kifferparadies werden. Es sei schon schlimm genug, dass der Alkoholismus in den Städten derart sichtbar sei. Er würde die Einrichtung von Safe-Spaces begrüssen: Orte, an denen man legal kiffen könne, ohne dass Jugendliche verführt oder Drogenabhängige getriggert würden.

Sowieso kiffe er meist zu Hause, seit er vor ein paar Jahren seinen Konsum reduziert habe. Reduziert, das heisst konkret: ungefähr 12 Gramm im Monat. Auf dem Schwarzmarkt koste ihn das ungefähr 100 Franken. «Wenn ich grosse Mengen kaufe, kommt das günstiger», erklärt Robert. «Das bedeutet aber auch, dass ich beim Einkauf ein grösseres Risiko eingehe.»

Diese Abwägungen muss Robert nicht mehr machen: In den Basler Cannabis-Apotheken gibt es keinen Mengenrabatt.

* Hinweis: Der Name des Studienteilnehmers wurde auf dessen Wunsch abgeändert.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Robert, «Weed-Care»-Studienteilnehmer
  • Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG)
  • Medienmitteilung der Eidgenössischen Kommission für Fragen zu Sucht und Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (EKSN)
  • Schriftlicher Austausch mit Céline Reymond, Pressesprecherin des Bundesamts für Gesundheit (BAG)
  • Medienmitteilung des Kantons Basel-Stadt
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