Krampfanfälle und Erbrechen: In Luzern ist gefährliches Gras im Umlauf
Kiffen statt Pillen schmeissen: Weil während des Lockdowns keine Partys stattfanden, sind viele Drogen-Konsumenten von Ecstasy und MDMA auf Cannabis umgestiegen. Das ist gefährlich – weil derzeit mit Stoff gedealt wird, der im schlimmsten Fall tödlich wirken kann.
Kiffertote gibt es nicht. Diese seit Jahrzehnten verbreitete Wahrheit gerät gerade ins Wanken. Wie aus einem neuen Bericht der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht (Infodrog) hervorgeht, ist in den letzten Wochen Gras und Hasch aufgetaucht, das mit synthetischen Cannabinoiden behandelt ist. Und das kann gefährlich sein.
Kriminelle Organisationen besprayen legalen CBD-Hanf und Harz mit einer Substanz, die einen THC-Gehalt von über 1 Prozent hat. Man nennt sie synthetische Cannabinoide. Die Luzerner Polizei bestätigt, dass sie auch im Kanton Luzern im Umlauf sind. «Es ist dazu zu sagen, dass die Verwendung von solchen synthetischen Cannabinoiden nicht ungefährlich ist, da eine Dosierung kaum möglich ist», bestätigt Sprecher Urs Wigger entsprechende Recherchen von zentralplus.
«In den letzten Wochen haben wir in der ganzen Deutschschweiz eine Häufung festgestellt», sagt Franziska Eckmann, die Leiterin von Infodrog. Die Fachstelle sammelt und publiziert die Daten der Drug-Checkings, wo Konsumenten prüfen lassen können, welche Substanzen ihr Stoff enthält. Die Luzerner Gassenarbeit ist daran, ein entsprechendes Angebot auch in Luzern aufzubauen, es soll im September eröffnet werden.
Unterschied ist nicht erkennbar
Die künstlichen Stoffe wirken bereits in geringer Dosis giftig. Das Tückische daran: «Von blossem Auge ist kein Unterschied zu unbehandelten Blüten feststellbar», wie Franziska Eckmann sagt. Als Konsument kann man nicht erkennen, dass man seinen Körper einem Risiko aussetzt.
Die Folgen des Konsums können verheerend sein. Es kann zu Erbrechen, Krampfanfällen, einem Delirium oder Bewusstlosigkeit kommen. Im schlimmsten Fall droht ein Herzinfarkt. In der Schweiz ist es bislang noch nicht zu einem Todesfall gekommen, gemäss einer internationalen Studie wurden aber in Europa zwischen 2015 und 2017 bereits 28 Tote registriert.
«Eine Dosierung ist kaum möglich.»
Urs Wigger
Sprecher Luzerner Polizei
Anfang Jahr ist das Problem in der Deutschschweiz angekommen. Akzentuiert hat es sich durch die Corona-Krise. Denn aus einem Newsletter von Sucht Schweiz geht hervor, dass die Cannabis-Käufe im Darknet während des Lockdowns massiv angestiegen sind – von etwa 50 auf gegen 300 pro Woche.
Die Luzerner Polizei macht statistisch keine separaten Auswertungen zur Lockdown-Zeit. «Als Einschätzung kann aber gesagt werden, dass die sichergestellten Paketsendungen im Vergleich zum letzten Jahr angestiegen sind», so Sprecher Urs Wigger.
Keine soziale Kontrolle im Homeoffice
Eine Infodrog-Umfrage unter Drogenkonsumenten zeigt das gleiche Bild. Es wurden zwar – wohl wegen des Veranstaltungsverbots – weniger Partydrogen wie MDMA, Ecstasy und Kokain genommen. Dafür stieg der Gebrauch von Alkohol, Tabak und Gras. Es kam also zu einer Konsumverlagerung. Begünstigt durch den Wegfall von beruflichen Verpflichtungen und der sozialen Kontrolle im Homeoffice.
«Von blossem Auge ist kein Unterschied zu unbehandelten Blüten feststellbar.»
Franziska Eckmann
Leiterin Infodrog.ch
Einige Dealerinnen haben versucht, aus der Krise Kapital zu schlagen und haben für Gras und Haschisch die Preise erhöht. Vielleicht sind auch deswegen vermehrt Konsumenten ins Darknet ausgewichen. Kommen die mit künstlichem THC versetzten Stoffe von dort?
Franziska Eckmann bezweifelt, dass sie nur dort im Umlauf sind. «Im Darknet gibt es Bewertungen von Anbietern – ganz ähnlich wie bei Amazon», sagt sie. Wenn jemand also Gras liefert, das massive Nebenwirkungen hat, erfahren die anderen User davon.
Dosis variert von Blüte zu Blüte
Ein verlässlicher Schutz ist das allerdings nicht. Dies insbesondere, weil durch das Besprayen das künstliche THC nicht gleichmässig verteilt wird. Selbst innerhalb einer Lieferung kann die Dosis von Blüte zu Blüte stark variieren.
Stellt sich die Frage: Wie können sich Kiffer vor den gefährlichen Nebenwirkungen schützen? Nicht mehr zu rauchen, ist das Sicherste – aber für viele Konsumenten dürfte das keine Option sein. Die Suchtprävention Zürich hat deshalb drei Tipps:
- Zuerst nur zwei bis drei Züge inhalieren, dann den Joint für 15 Minuten zur Seite legen. Wenn die Wirkung ungewöhnlich ist: nicht weiterrauchen.
- Neben dem Kiffen keinen Alkohol oder dämpfende Medikamente einnehmen – sie erhöhen das Risiko von Nebenwirkungen.
- Nur konsumieren, wenn jemand dabei ist, der im Notfall Hilfe holen könnte.
Die Nachfrage nach Cannabis im Darknet hat übrigens wieder abgenommen, seit der Lockdown beendet ist. Allerdings ist sie immer noch deutlich höher als vor der Corona-Krise, wie eine Analyse der Universität Lausanne zeigt.
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