Abgelegen in der «Sennhütte»

30 minderjährige Asylsuchende kommen auf den Zugerberg

Die «Sennhütte» auf dem Zugerberg: Hier werden künftig unbegleitete minderjährige Geflüchtete untergebracht. (Bild: wia) (Bild: wia)

Ab August muss der Kanton Zug unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) wieder selbst betreuen. Rund 30 Jugendliche sollen in der «Sennhütte» am Zugerberg ein vorübergehendes Zuhause finden. Regierungsrat Andreas Hostettler spricht von einer besonderen Herausforderung.

Die Anzahl geflüchteter Kinder und Jugendlicher, die alleine in die Schweiz reisen, steigt derzeit massiv.

Wie die Zuger Direktion des Innern schreibt, habe sich die Zahl der Gesuche von unbegleiteten Minderjährigen (UMA) in den vergangenen zwei Jahren verfünffacht. Ende 2022 waren es 2450 Personen pro Jahr. Die Direktion des Innern rechnet mit einer weiteren Zunahme. Gemäss dem nationalen Verteilschlüssel werden dem Kanton Zug 1,5 Prozent der UMA zugeteilt.

Auf drei Jugendliche kommt eine Betreuungsperson

Regierungsrat Andreas Hostettler erklärt dazu auf Anfrage: «Insbesondere sind es afghanische Jugendliche, die in die Schweiz flüchten. Viele von ihnen bringen den Konflikt mit.» Was er damit meint: «Es ist vergleichbar mit dem ehemaligen Jugoslawienkrieg. Die Konflikte zwischen den afghanischen Ethnien ist nicht zu unterschätzen.» Viele der Menschen seien traumatisiert. «Das macht die Betreuung dieser UMA aufwändig und anspruchsvoll und erfordert entsprechende Fachkräfte.»

«Es wird eine grosse Herausforderung werden, diese Personen an einen Alltag zu gewöhnen, damit sie eine Chance haben, hier Fuss zu fassen.»

Andreas Hostettler

Es komme oft vor, dass UMA von ihren Eltern in die Schweiz geschickt werden, um hier Geld zu verdienen, damit sie ihre Familien in der Heimat unterstützen können. «Man kann sich kaum vorstellen, was für eine Last auf diesen Jugendlichen liegt», so Hostettler.

Die Situation beschönigt er nicht: «Es wird eine grosse Herausforderung werden, diese Personen an einen Alltag zu gewöhnen, damit sie eine Chance haben, hier Fuss zu fassen. Wir rechnen damit, dass auf drei Jugendliche eine Betreuungsperson kommt.»

Vereinbarung zwischen Zug und Schwyz aufgelöst

Im Jahr 2021 haben ein paar Zentralschweizer Kantone eine Vereinbarung zur Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen im Kanton Schwyz unterzeichnet. Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde gemäss der Direktion des Innern festgehalten, dass die Übernahme der Kinder und Jugendlichen durch den Kanton Schwyz im Falle einer Überbelastung wieder aufgelöst werde.

«Mittlerweile kann der Kanton Schwyz die geforderten Kapazitäten nicht mehr alleine erbringen», sagt Hostettler. Aufgrund der aktuellen Überlastung ist der Kanton Zug demnach erneut verpflichtet, die ihm zugewiesenen UMA ab August 2023 selbst unterzubringen und zu betreuen.

Der Zuger Direktor des Innern, Andreas Hostettler. (Bild: zvg)

 «Sennhütte» wird zur UMA-Unterkunft

Nun schaffen die Behörden in der kantonseigenen «Sennhütte» auf dem Zugerberg Platz für 30 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Die Unterkunft soll ab August 2023 ihren Betrieb aufnehmen. «Eigentlich war die Unterkunft für ukrainische Geflüchtete gedacht und wurde zu diesem Zweck vor einem halben Jahr baulich angepasst. Da wir nun aber die Unterkunft in der Lorzenallmend bauen, erübrigt sich das», erklärt der Direktor des Innern.

«Es ist sicher nicht schlecht, dass die Jugendlichen dort wenig Hektik ausgesetzt sind. Doch wäre es mir aus logistischen Gründen lieber, wir hätten einen weniger abgelegenen Standort.»

Andreas Hostettler

Für die Unterbringung und Betreuung in der Sennhütte will der Kanton eine qualifizierte externe Organisation beauftragen. Da das Gebäude auf dem Gebiet der Stadt Zug liegt, erfolge die Organisation in enger Abstimmung zwischen Stadt und Kanton. «Dank dem ausgezeichneten Einvernehmen mit der Stadt und den Gemeinden werden wir diese besondere Herausforderung bewältigen können», so Hostettler.

Die UMA sollen individuell und in Zusammenarbeit mit den bestehenden Partnerorganisationen in ihrer schulischen beziehungsweise beruflichen Integration unterstützt werden. Schulpflichtige UMA werden ordentlich in der Stadt Zug eingeschult. UMA, die nicht mehr schulpflichtig sind, besuchen Angebote der sprachlichen und beruflichen Integration. Da die Sennhütte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut erreichbar ist, will man einen Fahrdienst zur Verfügung stellen.

Traumabewältigung im «Chrache»?

In der Tat ist die Sennhütte ziemlich abseits gelegen. Hostettler schätzt diesen Umstand wie folgt ein: «Es ist sicher nicht schlecht, dass die Jugendlichen dort wenig Hektik ausgesetzt sind. Doch wäre es mir aus logistischen Gründen lieber, wir hätten einen weniger abgelegenen Standort.»

Gerade für das Personal sei der Standort sicherlich nicht ideal. «Doch wir mussten uns nach den Infrastrukturen richten, die wir bereits zur Verfügung haben. Wann immer es geht, gilt es, UMA unabhängig unterzubringen und nicht in einer Kollektivunterkunft.» Die Jugendlichen hätten andere Bedürfnisse und sollten anders behandelt werden wie die erwachsenen Geflüchteten.

Bei den 30 Jugendlichen wird es voraussichtlich nicht bleiben. «Der Bund hat bereits angekündigt, dass dem Kanton Zug bis Ende des Jahres womöglich insgesamt 50 UMA zugeteilt würden», so Hostettler. Wo die weiteren 20 Geflüchteten untergebracht würden, ist in Abklärung, jedoch bis dato noch offen.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung Direktion des Innern
  • Telefonat mit Andreas Hostettler
  • Augenschein vor Ort
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8 Kommentare
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    Denise, 08.06.2023, 11:36 Uhr

    Lieber Regierungsrat Hostettler – Am 17. Juni 2023 findet bei der AOZ im Lilienberg das Sommerfest statt. Nehmen Sie einen Augenschein, sprechen Sie mit den UMA’s und lassen Sie sich inspirieren! Schlüpfen Sie aus Ihrer Haut, tanzen Sie mit und auch die Kulinarik kommt nicht zu kurz! Die Jugendlichen können Ihnen erklären, warum Segregation (und das ist es mit der Sennhütte) keine gute Idee ist. Übrigens hat Zug mit Abdullah Moradi einen erfolgreich schreibenden Flüchtling, der selbst sehr viel zur Integration beiträgt.

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  • Profilfoto von Thomas Aeberhard
    Thomas Aeberhard, 08.06.2023, 09:19 Uhr

    In Afrika hat sich inzwischen rumgesprochen, dass allein reisende Kinder und Jugendliche in Europa auch aus sicheren Ländern ohne Asylgrund nicht ausgeschafft werden. Also kommen nun nicht mehr junge erwachsene Männer, sondern werden 12 bis 14 jährige los geschickt, in der Hoffnung, dass sie hier gross gezogen werden und eine Ausbildung absolvieren, um später die Familie in der Heimat zu unterhalten. Uns bleiben die Kosten für die 1:1 Betreuung, die ein vielfaches von klassischen Migranten betragen.

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  • Profilfoto von Koni
    Koni, 08.06.2023, 08:05 Uhr

    Eine äusserst „spannende“ Lösung. Dies neben oder anstatt der Fachinstitution für Suchttherapie? Als nicht ideal bezeichnet es der „umsichtige“ Regierungsrat für die Betreuenden, da sehr abgelegen und kaum mit ÖV erreichbar. Was glaubt er denn, was diese jungen Leute brauchen? Abschottung? Welcher Jugendliche möchte da oben shon freiwillig zur Ruhe kommen? Die meisten dieser Jugendlichen haben ihr Leben riskiert, waren über 2 Jahre auf der Flucht, auf sich alleine gestellt und brauchen Peers, viel Gespräche und Verständnis. Sie suchen keine von einem Politiker verromantisierte Alpruhe. Sie haben nebst den Traumatisierungen auch ganz einfach die pubertäre Identitätskrise zu überstehen. Da stehen sie am gleichen Ort wie „unsere“ Jugendlichen. Blickt mal auf den unweiten Lilienberg der AOZ, der auch ziemlich abgeschottet ist, aber immerhin per Posti im Halbstundentakt erreichbar. Die Sennhütte könnte zum Hot Pot werden.

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    • Profilfoto von Valeria Wieser
      Valeria Wieser, 08.06.2023, 11:02 Uhr

      Grüezi Koni, vielen Dank für Ihre Rückmeldung und die interessanten Fragen. Bezüglich der Fachinstitution für Suchttherapie: Diese ist vor wenigen Jahren an einen anderen Standort auf dem Zugerberg gezogen. Deshalb ist die alte Sennhütte frei.

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    • Profilfoto von Sereina Willi
      Sereina Willi, 08.06.2023, 18:54 Uhr

      Woher wissen Sie, dass diese Jugendlichen 2 Jahre auf der Flucht brauchen und was diese brauchen? Sie wurden von ihren Familien losgeschickt, die auch den Schlepper bezahlt haben. Oder denken sie, ein 12jähriger Aethiopier schlachtet einfach mal sein Sparschwein, findet per Zufall mehrere tausend Dollar und verlässt aus eigenem Antrieb seine Eltern? Vielleicht tut den Betroffenen etwas Ruhe und intensive Betreuung an einem abgelegenen Ort ganz gut.

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    Franz, 07.06.2023, 13:25 Uhr

    Wenns um Familiennachzug geht, nimmt man es halt mit dem Alter nicht so genau. 14- oder 15-jährige Kinder reisen ganz allein von Afghanistan in die Schweiz. Glaubt doch niemand mehr. Wer bezahlt die Schlepper? Abgesehen davon wird «Dublin» wieder mal sehr grosszügig ausgelegt. Oder im Klartext: nicht respektiert.

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 07.06.2023, 11:58 Uhr

    Ich denke eine Beschäftigung (nicht «sklave») zb auf einem Bauernhof würde sie sicher langsam intregieren und das Erlebte verarbeiten,manch mal erwirckt eine beziehung zu Tieren Wunder

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    • Profilfoto von Christian Spiegel
      Christian Spiegel, 05.07.2023, 17:10 Uhr

      Nicht nur die schulpflichtigen sonden jeder der jungen flüchtlingen UMA´s sollte einen gleichaltrigen deutschsprachigen Paten zugeteilt bekommen. So wird Boden geschaffen auf dem Integration auf Augenhöhe erblühen kann. Das Transportmittel zur/von Sennhütte gibt es ja ganz offensichtlich

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