Köchinnen sind in der Region eine Seltenheit

Sexismus in der Küche: Das sagt eine Zuger Sterneköchin

Noémie Bernard vom «Sternen» in Walchwil ist eine der wenigen Köchinnen in der Zentralschweiz. (Bild: Olivia Pulver)

Obwohl mehr Frauen in der Gastronomie arbeiten, bleibt ein Beruf männerlastig: der Koch. Auch in Luzern und Zug. zentralplus hat sich mit einer lokalen Sterneköchin über den Umgangston und den Nachwuchs gesprochen.

«Manch eine Hausfrau kann zu Hause schlecht kochen oder mehr schlecht als recht.» Mit Sätzen wie diesen hat Bruno Lustenberger, Vorstandsmitglied von Gastro Suisse, in einem Interview bei Tele Züri für mehr Frauen in der Gastronomie geworben. Und stattdessen die Debatte über Sexismus in der Gastronomie neu entfacht.

Eine Kochausbildung sei für das weibliche Geschlecht von grossem Vorteil, um die Hausfrauen-Qualitäten zu verbessern. Wenn «ein junges ‹Frölein›» Kochen gelernt habe, könne sie auch wieder in den Beruf zurückkehren, wenn die Kinder aus dem Haus seien.

Die Aussagen kamen nicht nur bei Frauen in der Gastronomie nicht gut an, sie sorgten auch schweizweit für Empörung. Gastro Luzern distanziert sich: «Diese Aussage entspricht nicht den Bemühungen und der Einstellung von Gastro Luzern», schreibt Sprecher Thomas Tellenbach. Auch der Dachverband Gastro Suisse entschuldigte sich mittlerweile.

Köchinnen sind in der Unterzahl

Tatsächlich fällt aber auf, dass Frauen an den Kochherden der Gastronomie in der Unterzahl sind. Bei den zahlreichen Reportagen und Berichten über Kochwechsel, die zentralplus in der Vergangenheit publiziert hat, handelte es sich fast ausnahmslos um Männer. Warum das so ist, lässt sich gemäss Tellenbach nicht klar beantworten.

Ohne tiefgründige Umfragen sei das Kaffeesatzlesen, meint er. Ein möglicher Grund könnten die bestehenden Arbeitsmodelle sein, die bei Küchenleitungsstellen oft 100-Prozent-Pensen bedeuten. «Frauen, welche Kinder haben und Teilzeit arbeiten, werden im Moment noch weniger für Leitungspositionen in Küchen angestellt.»

Hälfte der Gastro-Azubis sind Frauen

Eine ausgesprochene Männerdomäne sei die Branche heutzutage aber nicht mehr. Der Frauenanteil habe in den verschiedenen Gastroberufen laufend zugenommen. So arbeiten heute gemäss Gastro Suisse im Gastgewerbe mehr Frauen (125'000) als Männer (113'000). Und bei den Lehrberufen liegt der Frauenanteil zwischen 55 und 85 Prozent. Die Ausnahme: der Kochberuf. Nur etwa ein Drittel der Kochlehrlinge sind Frauen.

Tellenbach, selbst gelernter Koch, erinnert sich: «Als ich 1986 bis 1989 die Ausbildung zum Koch absolvierte, waren wir ungefähr 30 Lernende. Davon waren zwei Frauen.» Im Luzerner Aus- und Weiterbildungszentrum G'ART, in dem Tellenbach Betriebsleiter ist, verzeichnet man heute hingegen je nach Jahrgang eine Gleichstellung der Geschlechter.

«Ich wünsche mir mehr Frauen in Leitungspositionen.»

Thomas Tellenbach, Leiter Aus- und Weiterbildungszentrum G'ART

Im Jahrgang 2019 schlossen beispielsweise 30 Frauen und 33 Männer ab. Im Folgejahr waren es 31 Frauen und 32 Männer. «Rein mathematisch gesehen ergibt dies für die Zukunft mehr Wirtinnen oder Küchenchefinnen», sagt Tellenbach. Und das sei gut so, denn: «Ich wünsche mir mehr Frauen in Leitungspositionen.»

In Walchwil kocht ein hochdekoriertes Jungtalent

Natürlich gibt es sie, die renommierten Köchinnen in der Region. Beispielsweise Michèle Meier mit 16 Gault-Millau-Punkten, die im «Lucide» beim KKL in Luzern den Kochlöffel schwingt und 2021 von Gault Millau zur «Köchin des Jahres» gekürt wurde. Oder das Jungtalent Noémie Bernard, die im historischen Restaurant Sternen in Walchwil kocht – und 15 Gault-Millau Punkte ihr Eigen nennen darf (zentralplus berichtete).

Michèle Meier ist Köchin des Jahres 2021 und amtet im «Lucide» im KKL. (Bild: Tina Sturzenegger)

Seit 2018 kocht Noémie Bernard im denkmalgeschützten Restaurant am Zugersee. Das 30-jährige Jungtalent hat die Gastronomie in die Wiege gelegt bekommen, wie sie zentralplus sagt. Schliesslich haben ihre Eltern, die heute im Betrieb mitarbeiten, früher schon gewirtet. Und dennoch: «In der Schule hat man mir davon abgeraten, Köchin werden zu wollen.»

Ob sie nicht lieber einen anderen Job möchte. Das sei kein Beruf für eine Frau, habe es geheissen. Geholfen hat das nichts – zum Glück. Bernards Wille war stärker als die Unkenrufe der Zweifler. «Ich hatte als eine der Ersten in meiner Klasse eine Lehrstelle», sagt sie und fügt an: «Meine Lehrzeit war zwar streng, aber sehr lehrreich.»

Der raue Umgangston verschwindet langsam

Ihre Ambitionen und Wissbegier hat sie nach der Ausbildung zu einer Grande Dame der Gastronomie gebracht – Tanja Grandits. Die Köchin des «Stucki» in Basel wurde mit zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet und gilt als eine der besten Köchinnen der Schweiz. Noémie Bernard stand ihr als Chef de Partie zur Seite.

In einem gemeinsamen Interview mit dem «Gastro Journal» haben die beiden auch über den rauen, teils sexistischen Unterton gesprochen, der oft mit der Branche in Verbindung gebracht wird. Diesen hat Bernard persönlich nicht erlebt. Gemäss Grandits gebe es den Ton teilweise heute noch, aber es sei besser geworden.

Noémie Bernard und ihr Vater Giorgio am Genuss Film Festival 2021 in Zug. (Bild: photoadventures.ch)

So findet auch Thomas Tellenbach von Gastro Luzern, dass der Umgangston in modernen Küchen wertschätzend geworden sei. «Es gibt auch keinen Grund, herumzuschreien», findet Noémie Bernard. «Wir leben in einer modernen Welt, die ‹alte Schule› ist vorbei.» Und weiter: «Eine gute Stimmung und Atmosphäre bringt das Team auch viel besser vorwärts.»

Besserung ist in Sicht

Die Zahlen deuten darauf hin und auch Branchenprofis wie Bernard stellen fest, dass das Interesse bei den Frauen für den Kochberuf steigt. «Es ist besser geworden. Ich kenne tolle weibliche Köche.» Sie selbst ist eine gefragte Adresse für den weiblichen Nachwuchs geworden.

«Es ist ein toller Beruf und wer grosse Ambitionen hat, hat grosse Chancen.»

Noémie Bernard, Köchin «Sternen» Walchwil

«Ich habe Lernende, die als Gäste mit Fragen zu mir kommen», sagt die 30-Jährige. Und welchen Rat hat sie für angehende Köchinnen? «Entscheidet euch für den Beruf und gebt Vollgas. Haltet durch und verfolgt euer Ziel. Es ist ein toller Beruf und wer grosse Ambitionen hat, hat grosse Chancen.»

Mit Kursen und mehr Lohn zu mehr Attraktivität

Die Branche kämpft seit längerer Zeit mit Personalproblemen, unabhängig vom Geschlecht. Der Mangel macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar. Darum arbeiten Gastro- und Hotellerieverbände daran, die Berufe attraktiver zu gestalten. In Luzern setzt man beispielsweise auch auf Kurse, welche Neu- und Quereinsteigern den Zugang zum Beruf vereinfachen sollen (zentralplus berichtete).

Dafür haben Verbände wie Gastro Suisse und Hotel & Gastro Union einen Aktionsplan entworfen, der weitere Abwanderungen stoppen, bestehendes Personal mehr wertschätzen und Nachwuchs sicherstellen soll. Einer der Kernpunkte: mehr Lohn (zentralplus berichtete). Und punkto der Köchinnenfrage schreibt Gastro Suisse auf Anfrage: «Wir wollen den allgemein hohen Frauenanteil in der Branche auch im Kochberuf steigern.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Noémie Bernard, Köchin «Sternen» Walchwil
  • Interview «Talk Täglich» bei Tele Züri
  • Medienmitteilung Hotel & Gastro Union
  • Schriftlicher Austausch mit Thomas Tellenbach, Gastro Luzern
  • Artikel bei Nau
  • Interview im «Gastro Journal»
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