Guide Michelin zeichnet Stefan Wiesner aus

Bei diesem Luzerner Sternekoch landen auch Bäume in der Pfanne

Steht für experimentelle Naturküche: der Entlebucher Sternekoch Stefan Wiesner. (Bild: Olivia Pulver)

Der Entlebucher Spitzenkoch Stefan Wiesner hat jüngst mehrere Auszeichnungen vom Guide Michelin erhalten. Auch wenn das Ausland den Koch ins Auge fasst, bleibt er seiner Heimat – und Philosophie – treu.

In der Schweizer Gastroszene ist er bekannt wie ein bunter Hund. Sei es in Magazinen, in Dokumentarfilmen oder schlicht im eigenen Restaurant: Stefan Wiesner ist über die Luzerner Kantonsgrenze hinaus so mancher Geniesserin ein Begriff. Wiesner hat sich dank seiner experimentellen Kochart ins Bewusstsein der Leute gekocht. Er bezieht nämlich viele seiner Zutaten aus der heimischen Natur. Schnee, Kohle, Baumrinde – was bei Stefan Wiesner in der Pfanne landet, würde andernorts eher von den Wanderschuhen geklopft werden.

Anerkennung findet der Entlebucher Gastronom aber nicht nur bei seinen Gästen, den Medien und Berufskolleginnen, sondern auch bei der Jury des Guide Michelin. Erstmals seit 2007 ehrt der renommierte Gastronomieführer den Luzerner wieder mit einem begehrten Michelin-Stern. Genau genommen sogar mit drei Sternen, verteilt auf die einzelnen Bereiche des Restaurants Mysterion. Ein roter und ein grüner Stern ging im Oktober an den «Wiesner-Zauber», und einen grünen Michelin-Stern sowie einen Michelin Bib Gourmand gab es für die «Werkstatt» (zentralplus berichtete).

Wiesner kocht gerne auch mal unter freiem Himmel. Wie hier an seinem Feuerring. (Bild: Olivia Pulver)

Nachdem zentralplus mit Gilad Peled – dem anderen Luzerner Michelin-Gewinner in diesem Jahr – gesprochen hat (zentralplus berichtete), ist es an der Zeit, in die Alchemieküche des sogenannten «Hexers vom Entlebuch» einzutreten. Ein Übername, zu dem Stefan Wiesner übrigens ein gespaltenes Verhältnis hat.

Erhalten hat er ihn 2006 im Rahmen einer «SRF»-Dokumentation des Schweizer Regisseurs Eric Bergkraut. Seither wird er in fast jeder Publikation verwendet. «Der Name ist ein zweischneidiges Schwert», so Wiesner. Während er in der Schweiz wunderbar passe, sei er im Ausland eher hinderlich. Weil «Hexer» nicht in allen Ländern gleich konnotiert ist.

Das Ende einer Odyssee

Seit April amtet Stefan Wiesner auf Bramboden in Romoos. Der neuen Wirkungsstätte ging eine kleinere Odyssee voraus. Denn nach dem Wegzug vom Gasthaus Rössli in Escholzmatt-Marbach, wo Wiesner über 30 Jahre wirtete, wollte er auf Heiligkreuz im Entlebuch etwas Neues probieren. In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Schwesternheims wollte er nebst einem Restaurant auch eine Kochakademie eröffnen. Weil das Projekt aber teurer wurde als geplant, musste sich der Spitzenkoch nach einer anderen Lösung umsehen (zentralplus berichtete).

«Der Zufall wollte es, dass ich das Lokal im Bramboden entdeckt habe», so Wiesner. Hier eröffnete er schliesslich das Mysterion. Das Restaurant setzt auf Naturküche und folgt damit Wiesners Philosophie der alchemistischen Kochkunst. Heute, ein halbes Jahr nach der Eröffnung, fühlt sich der Entlebucher am neuen Ort angekommen.

Stefan Wiesners neuer Schaffensplatz befindet sich auf Bramboden im Haus Weitsicht. (Bild: Olivia Pulver)

Seinem Kochtalent haben die Turbulenzen keinen Abbruch getan. Nebst den Ehrungen des Guide Michelin vergab der Gault Millau 17 Punkte, und im Lifestyle-Magazin «Falstaff» ergattert das Mysterion 93 von 100 möglichen Punkten und wurde zur Eröffnung des Jahres 2024 gekürt (zentralplus berichtete). Für Wiesner sind die Auszeichnungen eine Bestätigung, dass er auf dem richtigen Weg ist. «Es zeigt mir, dass unser Konzept funktioniert.»

Baumrinde statt Schickimicki

Wer bei Wiesner an den Tisch sitzt, kriegt Gerichte serviert, die im Alltag garantiert nirgendwo sonst zu finden sind. Da wird auch schon mal ein Arvenbaum gekocht, eine Heusuppe serviert oder Kohlensenf zum selbstgebackenen Brot gereicht. Die Holzkohle – eine von Wiesners Lieblingszutaten – findet er praktisch vor der Haustür. Denn Bramboden gilt als Zentrum der Köhlerei.

«Ich bin mit Rösti und Spiegelei zufrieden.»

Stefan Wiesner

Kernstück im Mysterion ist der «Wiesner-Zauber», ein Neungänger, den es wahlweise auch mit Getränkebegleitung gibt. Im aktuellen Menü kocht Stefan Wiesner Gerichte, die von der deutschen Architekturrichtung Bauhaus inspiriert worden sind. In Form, Farbe und Zutaten. Das Menü gibt es auch in einer vegetarischen Variante. Gegenwärtig serviert das Team um Stefan Wiesner das Gourmetmenü von Mittwoch bis Samstag jeweils von 11 bis 17 Uhr.

Etwas reduzierter geht es in der «Werkstatt» zu. Hier servieren Wiesner und sein Team ein Viergangmenü, bei dem nebst Wildkräutern und Reh unter anderem auch die Douglastanne kulinarisch verarbeitet wird. Wer es hemdsärmliger möchte, kann im «Weitsicht-Treff» das Selbstbedienungsrestaurant besuchen, das besonders bei Wanderern und Bikerinnen beliebt ist. Hier gibt es etwa Fleischkäse, Rotschmierkäse, Birnenweggen und Brot mit Kohlensenf.

Stefan Wiesner in seiner «Werkstatt». (Bild: Olivia Pulver)

Generell ist Wiesner kein Freund von «Shiny Shiny»-Luxuszeug, wie er es nennt. Dinge wie Stopfleber oder Kaviar sucht man in Wiesners Küche vergebens. Das zeigt sich auch in der privaten Küche des Sternekochs. Hier gehe es nämlich bescheiden und einfach zu und her, wie er sagt. Statt Experimentalküche gibt es Hausmannskost. «Ich bin mit Rösti und Spiegelei zufrieden. Oder einem Wurst-Käse-Salat, Pommes oder Birchermüesli», sagt er. Gelegentlich besucht er auch ein Fast-Food-Lokal. «Ich denke, das geht vielen Spitzenköchen so.»

Das Ausland lockt nicht

Seine Komfortzone verlässt er trotzdem immer wieder – nicht nur kulinarisch. So stand er für die deutsche Kochsendung «Kitchen Impossible» vor der Kamera und bekam kürzlich Besuch von der «New York Times». In die Ferne lockt es ihn trotzdem nicht. Zumindest nicht beruflich. Den Reiz, ein Restaurant im Ausland zu eröffnen, versteht er zwar, selbst hat er allerdings keinerlei Ambitionen in diese Richtung. «Ich bleibe lieber hier und schaue, dass es gut läuft», so der Entlebucher. Beispielsweise will er vermehrt in den Nachwuchs investieren.

Mittels sogenannten Culinary Internships bietet er Nachwuchsköchen oder Quereinsteigerinnen die Möglichkeit, gegen eine Gebühr einzelne Tage oder gleich mehrere Monate auf Bramboden zu leben und im Betrieb mitwirken zu können. Ein Angebot, das langsam ins Rollen kommt. Langweilig wird Wiesner also bestimmt nicht. Und ruhiger treten steht auch nicht zur Diskussion.

Vor wenigen Wochen feierte Wiesner seinen 62. Geburtstag. «Meine biologische Uhr steht aber bei 52 Jahren», präzisiert er gut gelaunt. Darum denkt er noch lange nicht ans Aufhören. Zum einen arbeitet er an einem neuen Kochbuch. Zum anderen bereitet ihm das gemeinsame Tüfteln und Experimentieren mit seinem Team in der Küche oder auf dem Feuerring zu viel Spass. Das dürfte Freunde der naturverbundenen Küche besonders freuen. Und zwar weit über die Kantonsgrenze hinaus.

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