eat’n drink
Blog
Restaurant-Test

Degen Hünenberg: Kein schlechtes Gewissen dank Sommerbock

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Österreichisch, Schweizerisch
  • Ambiente Traditionell
Eine Küche für alle, aber mehr als nur eine Dorfbeiz: Der Degen Hünenberg bietet bis zu 250 Gästen Platz. (Bild: hch)

Ein Lokal für alle will der Degen Hünenberg sein – für den Kanton Zug eine seltene Dosis Bescheidenheit. Das gelingt den österreichischen Betreibern dafür umso besser, wie unser Testbesuch zeigte. Was die Küche auf den Tisch zaubert, hat uns beeindruckt. Manchmal war es jedoch etwas gar kreativ.

Ohne Burger, Pommes frites, Wiener Schnitzel oder Cordon bleu geht gar nichts, will ein Gastronom den Schweizer Gast glücklich machen. Daran hält man sich auch im Degen. Doch neben diesem Pflichtprogramm, dessen Bestandteile bei unserem Besuch fast schon im Minutentakt zu den Tischen getragen wurden, findet sich auf der Karte auch ein erfrischend kreatives Angebot. Die Kür sozusagen. Und selbst der Burger wird nicht mit irgendwelchem Rindfleisch zubereitet, sondern besteht aus Büffelfleisch aus der Nachbargemeinde Sins.

Nicht der erste Degen

Älteren Hünenbergern ist der Abtransport des einstigen Gasthauses Degen ins Freilichtmuseum Ballenberg im Mai 1990 vielleicht noch in Erinnerung. Bereits zwei Jahre zuvor wurde das Gebäude auf die andere Strassenseite verschoben und an dessen Stelle das heutige Gasthaus erstellt, weil das Gebäude die Ansprüche des damaligen Wirtes nicht mehr erfüllte. Doch auch dieses Gasthaus war nicht das erste. 1883 brannte die Wirtschaft von Peter Dägen, der dem Lokal seinen ursprünglichen Namen verlieh, nieder.

Die verschiedenen Räume im Restaurant sind bei unserem Besuch gut belegt, es sind auffallend viele Familien und Gruppen zugegen. Die überdachte Terrasse blieb an diesem regnerischen Abend geschlossen, was die Gastgeberin bereits bei der Reservation ankündigte. Kirschen haben in Zug derzeit Hochsaison und werden in der Küche unter anderem zu Eglifilets, einem Kirschenrisotto, oder einem Kirschenstrudel verarbeitet. Erhältlich ist auch ein Kirschenschmarrn, mit dem Chef Emil Girstmair, der im Degen seit 2008 zusammen mit seiner Frau Monika wirtet, an seine Heimat Tirol erinnert.

Wild aus der Region – auch im Sommer

Ebenfalls mit Kirschen zubereitet wird der Sommerbock, genauer das Rehschnitzel. Während die Patentjagd in den Bergen erst im Herbst beginnt, werden in den Revieren im Flachland auch im Sommer Rehe geschossen. Zwar stammt das Fleisch im Degen aus der Region – das Jagdrevier des Hünenberger Jägers Heiri Meier befindet sich im aargauischen Freiamt. Die Vorstellung aber, dass das Tier wenige Tage zuvor im Burgwald bei seinen Sprüngen bestaunt werden konnte, wäre doch nicht ganz einfach gewesen. Und zeigt das Dilemma beim Fleischkonsum.

Das schlechte Gewissen vergeht dann aber rasch: Das Fleisch ist perfekt gebraten und butterzart, serviert wurde es mit Spinat, Kohlrabi, Bohnen, Broccoli und Rüebli. Oder sechs Gemüsen gar, wenn man unterschiedliche Karottensorten mitzählt. Die Portion fällt sehr grosszügig aus, die Küche gibt ihr Bestes. Das ist alles gut, sehr gut sogar, teilweise jedoch etwas zu viel des Guten. Der Broccoli ist mit Samen garniert, die Amarenakirschen in der Sauce sind ebenfalls sehr intensiv und auch die Kroketten, die ich mir anstelle der Serviettenknödel gewünscht habe, sind zusätzlich paniert. Da gehen die einzelnen Aromen, etwa der delikaten Eierschwämme, fast etwas unter.

Wer werkelt denn hier im Garten?

Gefallen hat auch der Salat voraus, ein Saison-Salat mit viel Randen und Rüebli an Omas Gartenkräuter-Dressing. Bei der Oma dürfte es sich jedoch um den Wirt handeln, dieser betreibt einen Bio-Garten und versorgt so seine Küche mit Kräutern, Obst und Gemüse. Die übrigen Frischprodukte bezieht der Degen vom Hünenberger Gemüsebauer Boog (zentralplus berichtete).

In der Zwischenzeit hat sich auch das Rätsel um das Murmel-Glas gelüftet. Als die Bedienung das Hahnenwasser einschenkt, das erfreulicherweise im selben Atemzug wie Mineralwasser angeboten wird, wird klar, dass es sich um auffällig dekorierte Trinkgläser handelt. Gut, müssen die nicht von Hand abgewaschen werden ...

Nicht ganz so dekadent wie bei Franck Ribéry

Meine Begleitung versuchte sich indessen an der schönen Steak-Karte respektive am aufgeführten Goldgräber-Steak. Auf das dekadent wirkende Blattgold, das als Dekor vorgesehen war, verzichteten wir. Einen Shitstorm wie der frühere Bayern-Spieler Franck Ribéry, der vor einigen Jahren in Dubai für 1200 Euro ein ganz in Blattgold gehülltes Steak verspiesen hat, hätte man im Degen aber nicht befürchten müssen. In Hünenberg wird das Steak, mit oder ohne Gold, für eher bescheidene 36 Franken serviert. Unter der Bezeichnung E 175 wird das geschmacksneutrale Blattgold übrigens als Lebensmittelfarbstoff verwendet.

Für den Geschmack sorgte stattdessen die grosszügig drapierte Café-de-Paris-Sauce. Diese war ungewohnt scharf geraten und ein eher auffälliger Begleiter zum Entrecôte. Dass die Küche aber mit Fleisch umzugehen weiss, zeigt sie hier auch unter erschwerten Umständen. Das ungleich geschnittene Stück war auf einer Seite wie gewünscht medium gebraten, sonst zwar etwas weniger, aber nicht gleich blutig.

Wir bleiben nicht beim Wasser. Auf der Weinkarte stehen nicht weniger als 14 Offenweine ab sehr preiswerten 4.20 Franken, neben Gewächsen aus der Wachau auch der Hünenberger Solaris. Den Chäppeliwy aus dem Ort gibt es in der Flasche. Neben einer breiten Auswahl von Schweizer und italienischen Weinen sind alle bekannten und auch viele weniger bekannte Österreicher zu finden, dies ebenfalls zu sehr attraktiven Preisen. Wir haben uns für einen ideal gekühlten Lagrein entschieden, wie so oft war der Südtiroler eine gute Wahl.

Bewertung

Preis-Leistung
***** von *****
Hier findet jeder das Passende; der Mix aus Standards und kreativer Küche hat uns sehr gut gefallen. Die Portionen sind grosszügig und die Preise für Zug sehr fair. Der gemischte Salat kostete 10 Franken, das Entrecôte mit Beilagen 43 Franken, die Rehschnitzel 44 Franken. Vegetariern stehen vier saisonale Gerichte zur Auswahl. Mittags stehen sechs Gerichte zur Auswahl. Es wird sehr viel Wert auf saisonale Produkte und lokale Lieferanten gelegt. Auch die Weinkarte ist passend.

Service
**** von *****
Trotz der sehr vollen Gaststube dauerte die Wartezeit nicht überaus lange. Die Bedienung war sehr flink und kommuniziert auf Augenhöhe mit den Gästen. Sonderwünsche werden ohne Aufhebens erfüllt.

Ambiente
*** von *****
Der Degen ist ein klassischer Vertreter der 90er-Jahre. Viel Holz, eher nüchtern und funktional und in einem unscheinbaren Neubau mit Gewerbe und Wohnungen an der Hauptstrasse. In drei Innenräumen sind 150 Sitzplätze verteilt, die schöne Terrasse verfügt über weitere 100. Nicht ganz alltägliche Tisch­dekoration und Papierservietten. Auch bei der Schriftenauswahl der Karten zeigte man sich kreativ, was etwas auf Kosten der Lesbarkeit ging.

Online-Faktor
*** von *****
Einfach aufgebaute Website mit den wichtigsten Informationen und den verschiedenen Karten. Reservationen sind telefonisch oder per E-Mail möglich. Die Mittagsmenüs vom Folgetag sind abrufbar.

Auch im Degen wird zum Schluss eine Rechnung präsentiert.
Auch im Degen wird zum Schluss eine Rechnung präsentiert.
Verwendete Quellen

Degen Hünenberg

Adresse:
Chamerstrasse 9
6331 Hünenberg

Telefon:
041 780 12 54

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 8 bis 24 Uhr, Samstag 10 bis 23 Uhr.
Karte
eat’n drink
Blog
So isst zentralplus – Vom Gourmet bis zum Fast-Food – der eat’n drink-Blog befasst sich mit alltäglichen und besonderen gastronomischen Erlebnissen aus den Kantonen Zug und Luzern.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon