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Restaurant-Test

«Wart» Hünenberg: Rätsel um die Croûtons beim Rehrücken

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Schweizerisch
  • Ambiente Gehoben, Traditionell
Nach einem Jahr Pause sind auch die Gäste in der Wart Hünenberg zurück. (Bild: hch)

Es scheint, als ob sich derzeit ganz Hünenberg im wiedereröffneten Restaurant Wart trifft. Wir haben uns unter die Gäste gemischt und uns auf einen Rehrücken gefreut. Bei unserem Restaurant-Test stellte uns jedoch eine Zutat vor ein Rätsel.

Es gab einmal eine Zeit, da gehörte das gepflegte Essen in der «Wart» für viele Hünenberger einfach dazu. 20 Jahre lang. Dann kam ein neuer Küchenchef mit einer Mission und 16 Gault-Millau-Punkten (zentralplus berichtete), gefolgt von Corona. Wer nicht mehr kam, das waren viele bisherige Gäste. Die hatten keine Lust auf teure Chips aus Zwiebelschalen – oder waren nicht bereit dazu, wie Küchenchef Sebastian Rabe meinte. Und dann ging gar nichts mehr. Ein ganzes Jahr blieb das Hünenberger Lokal geschlossen.

Man kennt sich

Seit einem Monat empfängt Daniel Lüthold in den historischen Mauern wieder Gäste. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger setzt er nicht auf Sterneküche. «Meine Küche soll für jeden erschwinglich sein. Das Haus ist so schön, das sollen alle besuchen können», sagte er gegenüber zentralplus.

Und so sind auch die früheren Gäste wieder da. Bei unserem Testbesuch, an einem normalen Wochentag, war die Gaststube ausgebucht. An unseren Nebentischen links und rechts wurden der 81. und der 71. Geburtstag gefeiert, man kennt und herzt sich, freut sich. «Es ist so schön, die ‹Wart› zurückzuhaben», sagte der ältere Jubilar, ein seit langer Zeit in Hünenberg wohnender Stadtzuger.

Wohl damit die Gäste «ihr» Lokal auch wiedererkennen, sind die Erneuerungen in der Gaststube diskret ausgefallen. Noch immer hängen die holzgeschnitzten Wappen der Hünenberger Korporationsgeschlechter an der Wand, das historische Buffet steht wie eh und je in der Ecke. Das Lokal erscheint jedoch luftiger, rund um einen Raumtrenner aus Glaskugeln und um eine Sitzbank sind Zweiertische angeordnet; die schweren tropfenförmigen Glasleuchten wurden durch LED-Leuchten ersetzt.

Herbstlicher Gruss mit Salat

Auf dem Tisch empfing uns als Erstes ein Gruss aus der Küche, ein zur Jahreszeit passendes Rädchen Weisswurst auf Kartoffelsalat. Gerne hätte ich danach die knusprige Herbstrolle mit Rotkraut, Waldchampignon und Hünenberger Gin auf Waldorfsalat versucht. Doch angesichts eines opulenten Hauptgangs wollte ich nicht vorzeitig die Waffen strecken müssen, wie in der Woche zuvor (zentralplus berichtete).

So blieb es an diesem Abend bei etwas Grünzeug. Bei mir war es ein Nüsslisalat mit Ei (16.50 Franken), meine Begleitung orderte einen Blattsalat mit gerösteten Haselnüssen, Cranberries und Rotkohlsprossen für 15.50 Franken – ein Tipp für Kernenfans. Zwar hatte ich zum Nüsslisalat ein Balscamicodressing gewünscht. Die Küche schien es aber besser zu wissen, denn die leichte französische Sauce passte ganz hervorragend. Beide Salate waren in einem eher grossen, flachen Teller angerichtet, was hübsch anzusehen war, dem Personal aber die Arbeit nicht unbedingt einfacher machte.

Rehrücken mit unerwarteten Aromen

Doch, wie heisst es in der umstrittenen Werbekampagne des Metzgerverbandes: «Fleisch, alles andere ist Beilage.» In unserem Fall hiess das ein Rehrücken, eines der edelsten Stücke, die der Herbst zu bieten hat. Daniel Lüthold kann für Wild auf Lieferanten aus seiner Zeit im «Michaelskreuz» zurückgreifen, wo er bis letzten September wirtete. So kommt ausschliesslich Fleisch aus Rooter und Udligenswiler Wald auf den Teller. Unser Rehrücken wurde zwar nicht am Tisch tranchiert, dafür fehlte hier schlicht auch der Platz. Der Service erfolgte aber auch in der Wart in zwei Gängen.

Das Gericht überraschte dabei durch unerwartete Noten und nicht alltägliche Beilagen. Zusammen mit Klassikern wie Rotkraut, Marroni, Apfel mit Preiselbeeren oder Rosenkohl wurde beim ersten Gang ein eher unüblicher Gemüsemix aus Karotten und Sellerie serviert, auf dem zweiten Teller drapierte das Team um Küchenchef André Jufer eine zuckersüsse Traubenmischung.

Das perfekt gebratene Fleisch selbst wies feine Noten eines aromatischen Wildgewürzes auf und ergab in Kombination mit Salbei – auf beiden Teller thronte jeweils ein rohes Blatt – eine bisher nicht gekannte Kombination. Bei anderen Zutaten musste geraten werden, etwa bei den Pastinaken.

Vielfalt von Aromen

Und ein Rätsel gaben wir dem eloquenten Chef selbst mit auf den Weg. Mit Sesamöl beträufelte Brotcroûtons waren es, die dem Fleisch eine individuelle Note verliehen. Dasselbe galt für eingelegte, leicht säuerliche Pilze. Erfreulicherweise war die Küche bei der Sauce sehr zurückhaltend, sodass die opulente Aromenvielfalt überhaupt eine Chance fand, sich zu entwickeln. Die Wildsauce für die Spätzli – erfreulicherweise schön weich und nicht trocken gebrutzelt – kam ebenso wie die Stärkebeilage im Kännchen an den Tisch.

Ein Dessert wäre nach dieser Vielfalt von Geschmäckern fast etwas gar viel gewesen. Die süsse Überraschung gab es stattdessen mit auf den Heimweg, eine Erdbeerkonfitüre als kleines Dankeschön für den Besuch in der neuen alten Wart.

Preis/Leistung
****von*****
Der in zwei Gängen servierte Rehrücken kostet pro Person 64 Franken, ein Cordon bleu oder Fischknusperli 36 bis 37 Franken, Salate ab 15.50 Franken. Das ist eher gehobenes Niveau – so wie auch die Küche. Die Karte ist überschaubar, aber vielfältig und dürfte für jeden Geschmack etwas bieten. Mittagsmenüs werden von 23.50 bis 38.50 Franken angeboten.

Die Weinkarte ist umfassend und bietet ein breites Angebot aus der Schweiz und angrenzenden europäischen Ländern zu teilweise sehr attraktiven Flaschenpreisen. Sehr schön sind auch die regionalen Weine, die zum Teil offen ausgeschenkt werden. Wir genossen die Empfehlung, einen überraschend reichhaltigen Cuvée aus dem Aargau (Vigoroso von Nauer).

Ambiente
*****von*****
Das heutige Gebäude stammt aus dem Jahr 1703 und diente früher für Rats- und Gemeindeversammlungen. Die Gaststube wurde auf diesen Wirtewechsel hin sanft renoviert und erscheint heute trotz viel dunklen Holzes luftiger und offener. Geblieben sind hochwertige Materialien und weisse Tischtücher, die Zweiertische bieten gerade noch ausreichend Privatsphäre. Die beiden Sablets auf der Menagerie zum Kaffee wirkten etwas verloren, hier wäre etwas weniger mehr.

Service
***von*****
Der Ablauf und die Wartezeiten stimmte, wir hätten uns das Essen allerdings etwas wärmer gewünscht. Das Lokal ist jedoch erst seit einigen Wochen geöffnet, da sind die Abläufe naturgemäss noch nicht ganz perfekt. Der Zweiertisch stösst für die vielen separaten Gefässe wie bei einem Rehrücken rasch einmal an seine Grenzen. Es stellt sich ausserdem die Frage, ob es sinnvoll ist, die Gäste mit der Frage «Ischs guet?» alle paar Minuten im Gespräch zu unterbrechen. Das macht jedoch Chef Daniel Lüthold, der es sich auch nicht nehmen lässt, die Gäste persönlich zu verabschieden, mit seiner offenen und zugänglichen Art locker wieder wett.

Online-Faktor
***von*****
Daniel Lüthold zeigt sich als «Gastgeber mit Weitblick», das Team wird inklusive Haushund vorgestellt. Lieferanten sind ebenso wie Speisen und Getränkekarten aufgeführt, eine kleine Agenda gibt Auskunft zu anstehenden Anlässen. Reservationen sind online möglich, müssen aber per Mail bestätigt werden.

Verwendete Quellen
Die Rchnung gibts zuletzt, auch in der Wart Hünenberg.
Die Rchnung gibts zuletzt, auch in der Wart Hünenberg.

Restaurant Wart

Adresse:
Wart 1
6331 Hünenberg

Telefon:
041 780 12 43

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Freitag 11 bis 23 Uhr, Samstag 10 bis 23 Uhr, Sonntag 10 bis 22 Uhr.
Karte
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Claudio
    Claudio, 11.11.2022, 10:06 Uhr

    Immer wieder erstaunlich, wie viel Durchschnittsverdiener fürs Essen auszugeben bereit sind. Mit weit über 10’000 Fr. im Monat und weit über 1 Mio. Vermögen esse ich seit Jahren nur in Migros- und anderen Self-Services. Und fühle mich viel wohler unter einfachen Leuten. Wein brauche ich sowieso nicht, nicht nur wegen der Abzockerei.

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    • Profilfoto von Geniesser-Toni
      Geniesser-Toni, 11.11.2022, 14:16 Uhr

      Dann wünsche ich Ihnen ein langes Leben. Nicht, dass Sie nach soviel Verzicht ihr sauer angespartes Vermögen nicht ausgeben können.

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