Werden Lehrer überflüssig?

Künstliche Intelligenz erobert nun auch die Zuger Stadtschulen

Stadtrat Etienne Schumpf (l.) zeigt, wie die KI-Bots aussehen könnten, die Schulkinder künftig im Unterricht begleiten sollen. Daneben Remo Krummenacher und Peter Rigert (r.). (Bild: zvg)

Künstliche Intelligenz wird auch im Kanton Zug immer wichtiger. Deshalb möchten die Stadtzuger Schulen sie schon bald für den Unterricht nutzen.

Es ist eines der gängigsten Beispiele dafür, wofür künstliche Intelligenz (KI) derzeit eingesetzt wird: Eine Schülerin liefert einen Aufsatz ab. Diesen hat sie jedoch nicht selber verfasst, sondern kurzerhand mit der Hilfe des Programms Chat GPT erstellen lassen.

«Es ist oft schwierig zu sagen, was KI-generiert ist und was nicht», bestätigt Remo Krummenacher, Rektor der Stadtschulen Zug. «Konkret greifbar ist es darum bis heute nicht, wie oft die Schüler KI einsetzen. Doch wir wissen, dass die Kinder mit dem Thema in Berührung kommen und Bescheid wissen.»

Das sei eine Herausforderung, wenn auch keine neue, betont Peter Rigert, Dozent und Mitarbeiter von Forschung und Entwicklung an der PH Luzern, an einer Medienkonferenz der Stadt Zug am Dienstag: «Schon heute lässt sich nicht immer herausfinden, wenn nicht die Kinder, sondern deren Eltern die Hausaufgaben erledigt haben.»

KI soll ein Bestandteil des Unterrichts werden

Bloss: Das Potenzial von KI ist noch längst nicht ausgeschöpft. In den kommenden Jahren dürften sich die Anwendungsmöglichkeiten stark weiter entwickeln. Und dafür möchten die Stadtschulen bereit sein, indem sie nun proaktive Lösungen suchen. Dabei geht es längst nicht nur darum, Probleme zu lösen.

Vielmehr soll KI auch aktiv in den Unterrichtsalltag integriert werden. Zu diesem Zweck arbeiten die PH Luzern, die PH Zug sowie die Zuger Stadtschulen derzeit an Guidelines und Grundlagen. Mithilfe dieser möchte man den Umgang mit der neuen Technologie ab März 2024 im Unterricht anwenden.

Wie das genau aussehen soll, steht noch nicht fest. Denn, so Rigert: «Derzeit überschlagen sich die Entwicklungen. Doch werden wir sicher eines der bestehenden Sprachmodelle verwenden.» Zu letzteren gehören Bots wie etwa Chat GPT oder «Palm».

Peter Rigert äussert sich zu den Chancen und den Schwierigkeiten von KI im Unterricht:

Experten-Bots sollen als Trainer fungieren

«Mit diesen können wir beispielsweise Experten-Bots erstellen, die den Kindern punktuell im Lernprozess behilflich sein können. Dies etwa, indem ein Bot im Sinne eines Coaches mit einem Schulkind reflektieren kann, was es gerade gelernt hat oder wie ein nächster Schritt aussehen könnte», erklärt Rigert weiter.

«Wir sind sehr neugierig, wie wir den Unterricht damit gestalten können. Aber auch, was das mit den Schülern macht.» Ob Schülerinnen gern und effektiv lernen, hänge stark von der Lehrperson ab. Wenn Kinder nicht nur durch den Lehrer, sondern auch durch Bot-Experten gecoacht werden, könne sich das positiv auf die Motivation auswirken.

Doch um KI überhaupt erfolgreich in den Unterricht implementieren zu können, müssen auch die Lehrer an Bord sein. Dies mache man in zwei Teilen. Stadtschulenrektor Remo Krummenacher erklärt: «Wir laden die Lehrpersonen ein, sich vorgängig an einem Partizipationsprozess zu beteiligen. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis zum Thema KI zu erhalten, um eine Haltung einnehmen zu können.»

«Wir möchten dem Lehrpersonal nichts aufzwingen. Doch bisher ist es uns gut gelungen, ein Interesse am Thema zu wecken.»

Remo Krummenacher, Rektor Stadtschulen Zug

Bewusst geschehe dies auf freiwilliger Basis. «Wir möchten dem Lehrpersonal nichts aufzwingen. Doch bisher ist es uns gut gelungen, ein Interesse am Thema zu wecken. Es geht schliesslich darum, unser Repertoire im Bereich der Didaktik zu erweitern.»

Es steckt noch alles in der Anfangsphase

Da es sich um ein abstraktes Thema handle, arbeite man beim Partizipationsprozess mit fiktiven Geschichten. «Über fiktionale Geschichten behandeln wir Dilemmata, welche in der täglichen Arbeit auftreten könnten», erklärt Rigert.

Ein Beispiel: «Wir besprechen die Situation des fiktiven Lehrers, Herr Bauer in der Schule Chriesifeld. Dieser hat das Problem, dass die KI-Tools besser Bescheid wissen als er, wo Schüler ihre Stärken und Schwächen aufweisen. Die Eltern zu Hause sind entsprechend irritiert, weshalb diese Tools das so genau wissen.» Gemeinsam mit den Lehrpersonen philosophiere man über solche möglichen Situationen.

«Wir können davon ausgehen, dass die heutigen Tools rasch überholt werden.»

Peter Rigert, Dozent und Mitarbeiter von Forschung und Entwicklung an der PH Luzern

Als zweiter Teil werden sogenannte KI-Zukunftlabore durchgeführt, bei denen KI greifbar gemacht werden soll. Rigert: «Es sind so viele Tools vorhanden, doch noch steckt alles in der Anfangsphase. Wir können davon ausgehen, dass die heutigen Tools rasch überholt werden.» Im Zukunftslabor gehe es darum, zu antizipieren, wohin die Entwicklung in Zukunft führe.

Lehrer werden nicht überflüssig

Wenn schon im kommenden Semester KI-Bots als Lerncoaches dienen, stellt sich automatisch die Frage, ob das Lehrpersonal aus Fleisch und Blut bald überflüssig sein wird. Darauf angesprochen, sagt Rigert: «Diese Gefahr besteht nicht. Klar, es ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Die Beziehung zwischen Schülerin und Lehrperson lässt sich nicht ersetzen. Überhaupt nicht.»

Ausserdem dürfe man nicht vergessen, dass bereits im heutigen Unterricht Bots genutzt würden. Dies etwa, wenn Schüler auf Onlineplattformen Aufgaben lösen. «Nur kann ein KI-Bot die Schulkinder nicht nur fragen, ob sie es verstanden haben, sondern auch, was sie verstanden haben.»

Der Bildungschef mag Zugs Pionierrolle

Etienne Schumpf, der städtische Zuger Bildungschef, sagt dazu: «Der proaktive Umgang mit dem Thema KI an Schulen ist wichtig. Wir können fast nicht anders, als zu handeln. Wir möchten nicht warten, bis die Herausforderungen zu uns kommen.» Ausserdem passe es gut zur Stadt Zug, eine Pionierrolle einzunehmen. «Schliesslich konnte man hier schon 2016 Botengänge mit Bitcoin zahlen, was weltweit fast einzigartig war», gibt er zu bedenken.

Diese Haltung vertritt auch Krummenacher: «Wir haben den Auftrag, unsere Schüler anschlussfähig zu machen an das, was sie später im Leben erwartet. Und diese Anschlussfähigkeit ist nur dann gewährleistet, wenn wir solche Trends aufnehmen.»

Verwendete Quellen
  • Besuch der Medienkonferenz
  • Gespräche vor Ort
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Alpha Mike
    Alpha Mike, 07.12.2023, 14:26 Uhr

    Viel Erfolg! Die Dept. an der ETH leisten erstaunliche Arbeit in der Forschung – wir konnten davon viel bei der letzten Saison der Open Sundays, Treffpunkt Science City hören (alles ist auf YT).

    Wir haben Kinder an den Stadtschulen Zug. Meine Kinder wissen schon viel über KI Chats und die generative Bildgestaltung. Sie sind selbstständig im Lernen, die Projektarbeit und alles bezüglich individuell von den Lernplan 21 ist äusserst willkommen! Wir sehen KI nur als die Fortsetzung.

    Mit ChatGPT zu sprechen ist viel kindgerechter als zu googeln, und heutzutage müssen Kinder viele Informationen online finden. Daher ist Sicherheit und die Klarheit der Informationen Ihr wichtigstes Argument. Es geht aber Eltern nicht.

    Erst letzte Woche konnte die Hälfte der Klasse meines Kindes ein einfaches mathematisches Konzept nicht verstehen. KI könnte das für sie auf verschiedene Weisen erklären, Tests vorbereiten und einen Mentor ersetzen.

    Stadtschulen, nutzen, bitte, Ihre Autonomie, um dies umzusetzen, und zögern Sie nicht, die erfahreneren Eltern als freiwillige Helfer einzubeziehen!

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  • Profilfoto von Zurfluh H.P.
    Zurfluh H.P., 06.12.2023, 16:57 Uhr

    Die Kinder werden immer fauler und können nicht mehr selber Lösungsansätze kreieren. Sobald sie anstehen, tippen sie die Fragestellung in den PC. Wo bleibt das Denken, ausprobieren, der Wille etwas zu verstehen….. leider auf der Strecke.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 06.12.2023, 16:13 Uhr

    Man ist in der Schule dann und in denjenigen Fächern gut, wenn und wo ein faszinierender Lehrer vor der Klasse steht. Das kann jeder und jede aus eigener Erfahrung bestätigen. Gerade dieser Tage zeigt sich anhand der verheerenden Leistungen, die die sogenannte „Pisa-Studie“ vorab in D aber auch in der Schweiz nachweist, dass es just die elektronischen Hilfsmittel und Medien sind, welche Fokussierung und Interesse verhindern und also für schlimme Leistungen ursächlich sind. Vielleicht sollten die KI-Pädagogen einfach ihre nutzlosen Spielchen einstellen. Vielleicht sollten die selbsternannt fortschrittlichen Bildungspolitiker aufhören, das Zeugs in der Realität zu implementieren.

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    • Profilfoto von Karl Gerber
      Karl Gerber, 06.12.2023, 18:56 Uhr

      So sehe ich das auch. Danke

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