«Wir lassen uns das etwas kosten»

Kündigung wegen Sanierung: Stiftung geht anderen Weg

Am Grimselweg 11 in Luzern müssen die Mieter raus – Rolf Fischer erklärt, warum. (Bild: zvg)

Eine halbe Million Franken koste das Versprechen, erst zu bauen, wenn die Schwächsten eine neue Bleibe hätten. Das sagt der Geschäftsführer einer Luzerner Wohnbaustiftung im Interview.

Wieder müssen Mieter in der Stadt Luzern wegen einer Totalsanierung ihre Wohnungen verlassen. Dieses Mal steckt jedoch eine soziale Stiftung hinter dem Bauvorhaben. Sie verspricht: Die meisten Wohnungen am Grimselweg 11 sollten auch nach dem Umbau preisgünstig sein, und ihre Bewohner könnten zurückkehren. Der Bau starte ausserdem erst, wenn alle Mieter, die Hilfe benötigen würden, eine neue Wohnung gefunden hätten (zentralplus berichtete).

Im Interview erklärt Geschäftsführer Rolf Fischer, warum die Gemeinnützige Stiftung für preisgünstigen Wohnraum Luzern (GSW Luzern) dieses Versprechen mache – trotz hoher Kosten. Ausserdem wirbt Fischer für ein Umdenken beim Umgang mit Totalsanierungen.

zentralplus: Rolf Fischer, wie haben die 77 Mieter am Grimselweg in Luzern auf die angekündigte Totalsanierung reagiert?

Rolf Fischer: Weil wir schon seit zweieinhalb Jahren Untersuchungen zum Zustand des Gebäudes machen, waren die Mieter nicht besonders überrascht, dass sie die Wohnungen verlassen müssen. Einige haben sogar gedacht, dass das Haus abgerissen wird. Alle waren sehr gefasst.

zentralplus: Kündigungen wegen Totalsanierung haben einen schlechten Ruf: alte Mieter raus, einmal streichen, teurer weitervermieten. Was machen Sie anders?

Fischer: Wir kündigen nicht wegen Mietzinsoptimierungen. Die Mietzinse werden maximal zehn Prozent steigen. Die meisten Einzimmerwohnungen sollen nach dem Umbau maximal 1000 Franken pro Monat kosten. Das entspricht den Richtlinien der Sozialen Dienste. Ausserdem versuchen wir herauszufinden, wer aus finanziellen Gründen Hilfe braucht, eine Wohnung zu finden. Die Bewohner erhalten ein Formular, um sich dafür anzumelden. Wir schätzen, dass wir rund 50 Mietern helfen werden.

zentralplus: Was für Mieter leben im Grimselweg 11?

Fischer: Die Mieter sind zwischen 30 und 65 Jahre alt und auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen. Wohlhabend ist niemand. Die meisten leben allein, teilweise erhalten sie staatliche Unterstützung, teils sind sie erwerbstätig. Es gibt auch einige Bewohner mit Flüchtlingsstatus, die aber schon lange in der Schweiz sind.

Information zur Stiftung

Die 1985 gegründete GSW Luzern besitzt 387 Wohnungen in 21 Liegenschaften in der Stadt Luzern und vermietet sie hauptsächlich an Personen, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. Die Stiftung bezweckt gemäss eigenen Angaben «unter Ausschluss jeder spekulativen Absicht die Beschaffung und Vermittlung von preisgünstigen Wohnungen».

zentralplus: Für schätzungsweise 50 Mieter werden Sie eine Wohnung suchen. Das stellen wir uns auf dem Luzerner Wohnungsmarkt schwer vor.

Fischer: Ich denke, es ist einfacher, Einzelpersonen weiterzuvermitteln als Familien mit Kindern. Jetzt können wir mit befreundeten Baugenossenschaften, Privaten, Stadt und Kanton in Verhandlungen treten. Auch eine Lösung mit einem Apartmenthaus wäre für uns vorstellbar. Aber ja, es könnte schwierig werden.

zentralplus: Damit riskieren Sie doch sicher Verzögerungen beim Bau.

Fischer: In unseren Verträgen mit den Baufirmen steht, dass sich der Bauablauf durch die Wohnungssuche verzögern könne. Das wäre in Ordnung. Jahrelang soll das aber nicht gehen. Im optimistischen Fall sind die Wohnungen im Herbst 2025 leer.

zentralplus: Und im pessimistischen?

Fischer: Diesen Fall haben wir nicht durchgerechnet. Schliesslich gibt es auch so Fluktuationen in der Mieterschaft.

zentralplus: Das ist ein ungewöhnliches Vorgehen. Ist es auch für andere Baugenossenschaften denkbar, die wegen Totalsanierungen Mietern die Wohnungen kündigen?

Fischer: Ich kann nicht für andere sprechen. Wir lassen uns dieses Versprechen aber etwas kosten. Wenn über einen längeren Zeitraum Leerwohnungen entstehen, kostet das schnell eine halbe Million Franken und mehr, auch mit Zwischennutzungen. Das haben wir am Neuweg 3 gesehen, wo wir gerade bauen. Dort mussten wir für 30 bis 40 Mieter Übergangslösungen finden. 

zentralplus: Wie könnten auch andere Totalsanierungen in der Stadt Luzern sozialer gestaltet werden?

Fischer: Mit Anlagen zur temporären Nutzung: So was hätten wir gerne gehabt. Das könnte ein Gebäude in Billigbauweise sein, quasi eine Durchlaufanlage, die von verschiedenen Eigentümern genutzt wird. Dort könnte man die Mieter dann übergangsweise einquartieren. Schliesslich wird es immer schwerer, leer zu kündigen. Bei Familien mit Kindern ist das für uns nicht mehr vorstellbar.

zentralplus: Sollte die Stadt oder der Kanton solche Durchlaufanlagen zur Verfügung stellen?

Fischer: Ich sehe dort nicht den Staat im Zugzwang. Eine Gemeinschaftsanlage könnten Baugenossenschaften und grosse Private bauen sowie die Provisorien für Schulanlagen. Auch wir von der GSW Luzern könnten uns vorstellen, zu einem vernünftigen Preis ein Apartmenthaus anzumieten oder sogar zu kaufen. 

zentralplus: Erhalten Sie als Stiftung für günstigen Wohnraum staatliche Hilfe? 

Fischer: Einen jährlichen Beitrag der Stadt Luzern erhält die Stiftung nicht. Die Stadt unterstützt uns aber mit 2,8 Millionen Franken bei der Sanierung am Grimselweg 11. Die Gesamtkosten liegen allerdings bei 16 Millionen. Weil wir die Mietzinse kaum anheben wollen, müssen wir grosse Eigenmittel aufbringen.

zentralplus: Könnten Sie die Kosten nicht senken, wenn die Mieter am Grimselweg während des Umbaus bleiben?

Fischer: Wir haben anfänglich überlegt, ob der Umbau bewohnt funktioniert. So wäre es für uns selbstverständlich viel leichter. Die Bauteile am Grimselweg sind aber bereits 50 Jahre alt, wenn wir mit dem Umbau beginnen. Leitungen und Schadstoffe müssen aus den Wänden. Wir werden das Haus bis aufs Betonskelett zurückbauen. Bewohnt ist das nicht möglich.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Rolf Fischer, Geschäftsführer GSW Luzern
  • Website der GSW Luzern
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