Preisdruck trifft Mitarbeiter

Luzerner Sicherheitsfirma: «Die Branche ist ein Haifischbecken»

Der Preisdruck macht Luzerner Sicherheitsfirmen zu schaffen. (Bild: Adobe Stock)

Im Kanton Luzern gibt es 20 Prozent mehr Sicherheitsfirmen als vor fünf Jahren. Sie kämpfen um Aufträge in einem Markt mit Tiefpreisen – auch auf Kosten der Mitarbeiter.

Die Nachtzuschläge sind niedrig, der Stress an den Hauptstrassen ist hoch. Meist passiert während der Schichten nichts – ausser bei der Gebäudebewachung. Dann ruft man schnell die Polizei und hofft auf das Beste.

Das erzählt ein Angestellter einer bekannten Sicherheitsfirma anonym gegenüber zentralplus. Der Luzerner ist Quereinsteiger und will seinen Job nicht aufs Spiel setzen, weil sein Name in der Zeitung steht. Denn gute Jobs in der privaten Sicherheitsbranche sind umkämpft.

Festanstellungen gibt es nur selten, Vollzeitpensen auch. «Um auf die benötigten Stunden zu kommen, beutest du dich bis an die eigenen Grenzen aus», erklärte ein Sicherheitsmann der Wochenzeitung WOZ im Jahr 2021. Auch er wollte anonym bleiben.

Luzerner Sicherheitsfirma: Preise sind im Keller

Timo Lichtsteiner kennt die Sicherheitsbranche seit über 20 Jahren. Vor fünf Jahren hat der Luzerner und Vizepräsident der SVP Stadt Luzern mit Michèle Lichtsteiner eine eigene Sicherheitsfirma gegründet. Mit 86 Mitarbeitern übernimmt die Firma Phoenix Aufträge in der ganzen Deutschschweiz. Zwölf Personen sind beim ihm festangestellt.

Timo Lichtsteiner, Geschäftsführer des Phoenix Sicherheitsdiensts. (Bild: zvg)

Er sagt: «Die Branche ist ein Haifischbecken. In den letzten zehn Jahren hat sie einen echten Knacks erlitten.» Ein Beispiel: Während Firmen für eine Stunde Verkehrsdienst vor 30 Jahren noch 75 Franken erhielten, sei es heute ein Drittel weniger.

Grund dafür ist ein «schädlicher, unsozialer Wettbewerb» – so bezeichnen es die Gewerkschaften. Immer mehr kleine Firmen drängen auf den Markt, Auftraggeber wie der Staat drücken die Preise. Die Folge: «Ein Haufen schwarzer Schafe zahlt unter dem GAV-Lohn oder keine Sozialabgaben», sagt Lichtsteiner.

Gewerkschaften und Arbeitgeber appellieren an den Staat

Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in der privaten Sicherheitsbranche wurde 2004 vom Bund erstmals für verbindlich erklärt. Anfang dieses Jahres ist ein neuer GAV in Kraft getreten, in dem die Mindestlöhne auf 23 und 27 Franken im ersten Dienstjahr angehoben wurden. Gleichzeitig haben der Arbeitgeberverband und die Sozialpartner gemahnt.

«Wenn du beim Preis nicht mitgehst, hast du den Auftrag nicht.»

Timo Lichtsteiner, Geschäftsführer des Phoenix Sicherheitsdienst.

Behörden, die bei der Vergabe von Aufträgen einseitig das Kriterium Preis berücksichtigen, würden die Aufwertung der Branche verhindern, heisst es in einer Mitteilung. Timo Lichtsteiner erklärt: Bei öffentlichen Ausschreibungen entscheide der Preis teils zu 60 bis 100 Prozent über den Zuschlag. «Wenn du da nicht mitgehst, hast du den Auftrag nicht.» Gilt das auch im Kanton Luzern?

30 Luzerner Sicherheitsfirmen mehr als vor fünf Jahren

Kontrollgängen bei Schulhäusern und Kantonsgebäuden, Verkehrslotsen, Dienste in Strafvollzugsanstalten und im Armeeausbildungszentrum: Dafür nutzt der Kanton Luzern die meisten externen Sicherheitskräfte, erklärt das Justiz- und Sicherheitsdepartement auf Anfrage.

Parallel schreibt das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement, dass der Preis nur eines von vielen Kriterien bei der Vergabe sei. Ebenfalls zählen würde Qualität und (soziale) Nachhaltigkeit. «Der Kanton hat selbst ein Interesse daran, Aufträge an Anbietende zu erteilen, die eine hohe Qualität garantieren.»

Im Kanton Luzern waren im letzten September 170 Sicherheitsunternehmen zugelassen. Das sind rund 30 Firmen mehr als vor fünf Jahren. Welche Voraussetzungen eine Firma erfüllen muss, um von der Polizei zugelassen zu werden, regelt jeder Kanton selbst. Etwa 770 Sicherheitsfirmen sind aktuell in der Schweiz registriert.

Im Vergleich zahlt der Kanton Luzern angemessen

Auch aus der Sicherheitsbranche ist zu erfahren, dass Luzern recht fair bezahlt. Die Stunde Verkehrsdienst werde in Luzern mit 40 bis 48 Franken pro Stunde entlohnt. Im Kanton Bern seien es weniger als 40 Franken, erzählt Timo Lichtsteiner. Doch es gehe mehr: Zürich, St. Gallen und Aargau würden 48 bis 55 Franken zahlen.

Auch Armin Häfliger, Chef der Daru-Wache AG, bestätigt die Beobachtung. «Wir haben in der Innerschweiz weniger Probleme als in den grenznahen Gebieten.» Der Preis werde hier weniger gewichtet als zum Beispiel in Basel-Stadt, wo die Konkurrenz aus dem Ausland gross ist.

Ein Mitarbeiter der Daru-Wache beim Verkehrsdienst in der Stadt Luzern. (Bild: zvg)

Die Daru-Wache gehört mit 400 bis 500 Angestellten zu den grösseren Firmen in der Schweizer Sicherheitsbranche. Deutlich grösser sind nur die Securitas AG und die Protectas AG. In Luzern arbeiten 35 Mitarbeiter bei der Daru-Wache, sie stehen auch vor den Coop-Filialen.

Armin Häfliger hat eine Idee, warum der Preis bei vielen Ausschreibungen entscheidet. «Kriterien mit viel Spielraum sowie Nachhaltigkeit, sind juristisch angreifbar. Ein harter Faktor wie der Preis weniger.» Wer als öffentlicher Angestellter über den Preis einen Auftrag vergibt, stehe auf festerem Boden.

Bessere Ausbildung ist dringend notwendig

Doch wie könnte man den Preisdruck in der Branche verringern? Der neue GAV ist für Armin Häfliger nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Viele Sicherheitsfirmen hätten auf dem Papier weniger als 10 Mitarbeiter – womit der GAV für sie nicht gilt.

Ebenso missfallen ihm die Lohnklassen im GAV. Dass Mitarbeiter im Stundenlohn weniger erhalten als Mitarbeiter im Monatslohn, mache für ihn «betriebswirtschaftlich keinen Sinn». Ausserdem widerspreche es dem Grundsatz «gleiche Arbeit, gleicher Lohn».

Seine Lösung: «Wenn man die Kategorien an Ausbildungsniveaus knüpft, kann man Ausbildung mitfördern.» Heute gäbe es nur bei grossen Firmen wie Securitas, Protectas oder der Daru-Wache interne und zertifizierte Schulungen. Das müsste auch bei kleinen Firmen möglich sein.  

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Gewerkschaft Unia, Syna und des Verbands der Schweizerischen Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmer
  • Gespräch mit Sicherheitsdienstmitarbeiter
  • Liste der zugelassenen Sicherheitsunternehmen Kanton Luzern
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Beitrag auf SRF
  • Artikel in der WOZ
  • Anfrage beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement Kanton Luzern
  • Anfrage beim Justiz- und Sicherheitsdepartement Kanton Luzern
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit Oliver Wirz
  • Telefonat mit Timo Lichtsteiner, Geschäftsführer von Phoenix
  • Website von Phoenix
  • Telefonat mit Armin Haefliger, Verwaltungsratspräsident und CEO der Daru Wache
  • Liste der zugelassenen Sicherheitsfirmen im Kanton Zürich
  • Liste der zugelassenen Sicherheitsfirmen im Kanton Bern
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans im Glück
    Hans im Glück, 19.02.2024, 20:24 Uhr

    Wer sich in der Branche nur über den Preis definiert ist kurz oder lang Konkurs. Es gibt viele Dienstleister in der Branche, welche über anständige Preis verfügen und auch entsprechend das Personal korrekt schult und ausrüstet.

    Das der GAV Lohn auf CHF 27.00 auf dem 01.01.2024 stimmt nicht. Der GAV Lohn für Luzern wurde per 1. Januar auf CHF 23.25 erhöht. Das sind ganze 1.8% mehr… Wer diese Löhne bezahlt, bekommt halt meistens auch das Personal, was dieser Preis Wert ist.

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  • Profilfoto von Eins Zwei Polizei
    Eins Zwei Polizei, 18.02.2024, 08:25 Uhr

    Fakt ist aber auch, dass ein Grossteil dieser Sicherheitsleute intellektuell irgendwo zwischen Schülerlotse und Rambo stehen geblieben sind, sich selbst jedoch als uniformierte Könige sehen!

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