Besonders Junge in Covid-Fälle verwickelt

«Wir haben vier neue Ausbruchsherde im Kanton Zug – das macht uns Sorgen»

Auf Rudolf Hauris Tisch stapeln sich die Unterlagen zum Coronavirus. (Bild: ios)

Zwölf neue Ansteckungen hat man in den letzten 10 Tagen im kleinen Kanton Zug gezählt – dies nachdem das Coronavirus Ende Mai lokal besiegt schien. Vor allem ein Seuchenherd beschert den Behörden viel Arbeit – und rund 50 Personen die Quarantäne.

Aufsehen erregt hat der Fall eines Steinhauser Kindergartenkindes, das vor wenigen Tagen positiv auf das Coronavirus getestet wurde und dessen Familie in Quarantäne geschickt wurde (zentralplus berichtete). Der Vorfall scheint aber glimpflich zu verlaufen. Wie der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri am Mittwoch vor den Medien sagte, habe kein anderes Kind Symptome gezeigt. Eine Reihe von Lehrpersonen und anderen Kindern in Steinhausen habe sich testen lassen. «Alle Tests waren negativ», so Hauri.

Mehr Sorgen bereitet dem Kantonsarzt, seinem Stellvertreter Brian Martin und dem Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister (CVP) das plötzliche Wiederauftauchen des Virus. Ende Mai waren im Kanton Zug tagelang keine Ansteckungen mehr verzeichnet worden.

Händewaschen und Abstand halten

«Das Virus ist nicht verschwunden, es gilt daher wachsam zu sein», sagt Gesundheitsdirektor Pfister. Er rufe dazu auf, weiter die beiden wichtigsten Verhaltensregeln zu beachten, «damit die Pandemie sich nicht wieder ausbreitet». Nämlich sich häufig die Hände zu waschen und Abstand zu wahren. «Das sind wirklich banale Massnahmen, die jeder befolgen kann», so Pfister. «Und doch sind sie wesentlich, um Infektionen zu verhindern.»

In den vergangenen sieben Tagen hat man im Kanton Zug neun neue Ansteckungen mit dem Coronavirus gezählt – so viele wie in keinem anderen Zentralschweizer Kanton. In den vergangenen 10 Tagen waren es gemäss Hauri 12. «Wir haben vier verschiedene neue Ausbruchsherde im Kanton festgestellt – das macht uns Sorgen.»

Kindergarten in Steinhausen: Alle anderen gesund

Weil, wie Martin Pfister sagt, jüngst mehrere junge Leute in die Covid-Fälle verwickelt sind. Und, wie Rudolf Hauri sagt, mit den weiteren Lockerungen und dem Anstieg des Reiseverkehrs das praktizierte Contact Tracing anspruchsvoller wird. «Es handelt sich um Knochenarbeit, die mit viel detektivischem Aufwand verbunden ist», so Hauri. «Durch viele neue Fälle würden wir rasch an die Grenze der Machbarkeit stossen.»

Von den vier Ausbruchsherden betreffen zwei Einzelpersonen – eines davon ist das erwähnte Steinhauser Kindergartenkind. Der dritte Seuchenherd betrifft zwei Personen, die zusammenleben und aufgrund ihrer Ansteckung isoliert werden mussten.

Virus von Fest zum Arbeitsplatz gebracht

Insgesamt acht Ansteckungen gab es schliesslich in einem grösseren Beziehungsnetz, das die Gesundheitsbehörden in Zusammenarbeit mit der Lungenliga aufgedeckt haben. Ausgehend von zwei Krankheitsmeldungen in einer Zuger Gemeinde begannen sie mehrere Tage lang die Kontakte zurückzuverfolgen und konzentrierten sich in einem Fall aufs familiäre Umfeld, im anderen Fall auf die Arbeitsumgebung, in der eine weitere Infektion auftauchte.

«Testresultate sind immer mit Vorsicht zu geniessen.»

Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt

Schliesslich entdeckte man eine Verbindung zwischen der Familie und dem Betrieb.

«Uns bereitete längere Zeit Bauchweh, dass wir nicht wussten, wo sich das Virus zuerst ausgebreitet hatte», erzählt Rudolf Hauri. Schliesslich fand man die Quelle der Ansteckung bei einem Fest, das mehrere «Arbeitskollegen im jungen Erwachsenenalter» zusammen besucht hatten. Von dort kam das Virus in den Betrieb, dann in die betroffene Familie, in der sich sechs Verwandte ansteckten. Insgesamt haben die Zuger Behörden gegen 50 Personen aus diesem Beziehungsnetz in Quarantäne gesteckt.

53 Leute müssen sich von anderen fernhalten

Hauri und Pfister loben das grosse Verständnis und die Zusammenarbeit der Betroffenen. «Doch man kann sich leicht vorstellen, wie schnell so etwas aus dem Ruder laufen könnte», sagt Kantonsarzt Hauri. Würden Betroffene nicht kooperieren oder übersehe man ein Glied in der Infektionskette, könnten schnell viele Menschen krank werden. Im konkreten Fall habe man die Lage unter Kontrolle gebracht, mehrere Tage lang habe sich niemand mehr infiziert.

Im Moment stehen im Kanton Zug 53 Personen unter Quarantäne. Diese Form der Absonderung ist laut Hauri ein wirksames Instrument, um Infektionsketten zu unterbrechen. «Wir hatten schon in der heissen Phase der Pandemie bemerkt, dass zwei Drittel jener Leute, die Covid-19-Symptome entwickelten, in Quarantäne waren», so Hauri. Zu Hause isoliert konnten sie aber niemanden mehr anstecken.

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri (links) und der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (rechts) bei einer früheren Pressekonferenz. (Bild: wia) (Bild: wia)

Wo man sich ansteckt: Beim Fest, der Arbeit, der Familie

Nicht betroffen von den neuerlichen Ansteckungen sind Pflegeeinrichtungen. «Bei der ersten Welle der Covid-19-Pandemie steckten sich bei uns die Leute zuerst bei Geburtstagsfesten an, dann bei Arbeitstreffen und Kongressen und schliesslich im familiären Umfeld», sagt Hauri. «Nun scheint sich das Muster in ähnlicher Form zu wiederholen.

Unter den neu Infizierten befanden sich indes nicht nur Junge, sondern laut Hauri auch Leute mit «erheblichen Vorerkrankungen». Eine Person habe vorübergehend hospitalisiert werden müssen.

«Wir werden hart und gezielt Massnahmen ergreifen, um Infektionsketten zu unterbrechen.»

Martin Pfister, Zuger Gesundheitsdirektor (CVP)

Eine zweite Welle der Covid-19-Pandemie befürchten derzeit weder Pfister noch Hauri. «Aber wir beobachten die Entwicklung mit grossem Respekt», so Hauri. Zwar seien nun nicht mehr so viele Leute in Quarantäne wie vor zwei Monaten. Doch die Zahl der Kontakte pro Fall, die es mit dem Contact Tracing ausfindig zu machen gilt, steigt. «Während des Lockdown waren die Leute weniger mobil und hatten weniger Kontakte mit anderen», erklärt Hauri.

Jetzt wird auch auf Antikörper getestet

Zweite Änderung: Während des Lockdown verzichtete man darauf, Leute, die zwar in Quarantäne waren, aber keine Symptome zeigten, systematisch auf das Virus zu testen. Das hat sich nun geändert. Gerade im Beziehungsnetz mit den acht neuen Ansteckungen haben die Behörden häufig Laboruntersuchungen angesetzt.

Gesucht hat man nicht mehr nur ausschliesslich nach der DNA des Coronavirus, sondern auch nach Antikörpern. «Obwohl wir noch nicht genau wissen, wie zuverlässig diese Antikörpertests wirklich sind», so Hauri. «Resultate sind also immer mit Vorsicht zu geniessen.»

Kanton Zug bereitet Massnahmen gegen zweite Welle vor

Solche Tests werden wohl in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen – und auch Rückschlüsse darauf erlauben, wie viele Menschen das Virus hatten, ohne dabei Symptome zu zeigen. Laut Rudolf Hauri überarbeitet das Bundesamt für Gesundheit derzeit seine Richtlinien zur Testpraxis. Änderungen seien «in naher Zukunft zu erwarten».

Der Kanton Zug bereitet sich derweil auf eine mögliche zweite Welle der Seuche vor. «Dabei wird es nicht mehr zu den gleichen Einschränkungen wie beim ersten Lockdown kommen», sagt Martin Pfister. «Aber wir werden hart, gezielt und lokal Massnahmen ergreifen, um Infektionsketten zu unterbrechen, wenn dies nötig ist», sagt der Gesundheitsdirektor. Ein Regierungsratsbeschluss, der diese Massnahmen festlegt, sei in Vorbereitung.

Dann folgt der letzter Appell zum Händewaschen und Abstand halten. «Die Quarantäne ist ja eigentlich die allermildeste Massnahme, die man ergreifen kann», sinniert Martin Pfister. «Und doch hat bereits diese Massnahme eine einschneidende Wirkung auf das Leben der Betroffenen.»

Auch könne leicht volkswirtschaftlicher Schaden entstehen. Müsse man etwa alle Mitarbeitenden eines Betriebs unter Quarantäne stellen, dann sei dieser stillgelegt. Der Zuger Betrieb, in dem sich der jüngste Seuchenherd fand, hat über 50 Angestellte. Nicht auszudenken, was in einer noch grösseren Firma passieren könnte.

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