Luzern und Zug gucken in die Röhre

Trotz Alternativen streichen SBB den Flughafen-Direktzug

Von Luzern und Zug fahren ab Dezember vorerst keine Direktzüge mehr zum Flughafen Zürich. (Bild: ewi)

Zugerinnen und Luzerner müssen für mindestens ein Jahr auf den beliebten Direktzug zum Flughafen in Zürich verzichten. Dabei hätte es für die SBB Alternativen gegeben.

Der Fahrplanwechsel der SBB im Dezember dieses Jahres bringt für die Zentralschweiz einen herben Dämpfer mit sich. Aufgrund von Bauarbeiten am Wipkinger Viadukt in Zürich streicht die SBB den Direktzug von Luzern zum Flughafen Zürich. Zugerinnen und Luzerner, die nächstes Jahr von Zürich in die Ferien fliegen oder in die Ostschweiz fahren wollen, müssen zwingend am Hauptbahnhof in Zürich umsteigen.

Der Entscheid der SBB sorgte in der Zentralschweiz für einen Aufschrei. Der Luzerner Regierungsrat zeigte sich sehr enttäuscht über den vorübergehenden Abbau des Angebots. Obwohl die Regierung mehrere Male bei der SBB vorstellig wurde, hielt das Bahnunternehmen an seiner Entscheidung fest.

Die Argumentation der SBB vermittelt den Eindruck, dass die Streichung des Direktzugs alternativlos sei. Das überrascht. Denn kein Bahnknoten in der Schweiz ist so gut ausgebaut wie derjenige in Zürich. Dass es keine alternativen Direktrouten von Luzern nach Kloten gibt, erscheint darum unwahrscheinlich. So zeigt denn auch eine Nachfrage von zentralplus bei der SBB, dass es durchaus Alternativen zum gestrichenen Direktzug geben würde.

Züge aus der Zentralschweiz fahren in die Sackgasse

SBB-Sprecher Oliver Dischoe bestätigt auf Anfrage, dass das Bahnunternehmen verschiedene Varianten geprüft hat, die den Erhalt des Direktzugs gewährleistet hätten. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass der Interregio 75 von Luzern und Zug künftig nicht mehr in Thalwil hält und somit früher in Zürich ankommt. Eine ähnliche Option hat denselben Ansatz verfolgt und mit einer Verschiebung der Abfahrts- und Ankunftszeiten in Luzern und Zürich gespielt.

«Die Trennung der Zuglinie hat sich als die beste Variante erwiesen. Von den übrigen Varianten wären teils wesentlich mehr Kundinnen betroffen, oder die Varianten sind betrieblich nicht umsetzbar.»

Oliver Dischoe, SBB-Sprecher

Eine weitere Möglichkeit wäre es, die Züge aus der Zentralschweiz ab Thalwil statt durch den Zimmerberg-Basistunnel entlang des Sees durch Kilchberg und Zürich Enge zu führen. Doch diese Variante zeigt das Dilemma aus Zentralschweizer Sicht deutlich auf: Zwar gelangt man über Thalwil und den Zimmerberg-Tunnel schnell an den Zürcher Hauptbahnhof. Doch der Tunnel ist nicht an die Zürcher Durchmesserlinie und somit auch nicht an den Durchgangsbahnhof angeschlossen. Dazu müsste die Seelinie gefahren werden.

Oder anders formuliert: Zwar gibt es für Zentralschweizer eine schnelle Verbindung nach Zürich. Doch führt die in eine Sackgasse.

Züge aus Luzern haben im Zürcher Tiefbahnhof keinen Platz

Das Beispiel des Bahnhofs Luzern zeigt deutlich auf, dass ein Kopfbahnhof wenig flexibel ist. Gerade bei Unfällen oder grösseren Baustellen kann sich das negativ auf den Bahnbetrieb auswirken. Erst vor wenigen Monaten legte eine Baustelle fast den ganzen Bahnhof für mehrere Tage lahm (zentralplus berichtete).

Die fehlende Anbindung der Zentralschweiz an den Zürcher Durchgangsbahnhof ist ein Detail – doch sie wirft einen Schatten auf das bevorstehende Milliardenprojekt Zimmerberg-Basistunnel II. Denn obwohl man aus Zug und Luzern dank des neuen Tunnels noch schneller nach Zürich gelangt, fahren auch diese Züge zwangsläufig in den Kopfbahnhof ein und müssen dort wenden.

Die Durchmesserlinie führt von Oerlikon über den Hauptbahnhof nach Altstetten und macht aus dem Haupt- einen Durchgangs­bahn­hof. Der Zimmerberg-Tunnel (gestrichelte Linie am unteren Bildrand) ist nicht mit dem Tiefbahnhof verbunden. (Bild: SBB)

Das schmälert das Potential der neuen Zugverbindung von der Zentralschweiz nach Zürich. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) erklärt jedoch auf Anfrage, dass man sich bei der Planung der Zürcher Durchmesserlinie bewusst gegen eine Anbindung an den Zimmerberg-Tunnel entschieden hat.

«Die Durchmesserlinie mit ihrem Durchgangsbahnhof Zürich Löwenstrasse ist auf den Ost-West-Fernverkehr ausgelegt», schreibt BAV-Sprecher Michael Müller auf Anfrage. Durch den geplanten Ausbau des Fernverkehrs wird der Durchgangsbahnhof voll ausgelastet sein. Für Züge aus Luzern und Zug bleibt darum kein Platz mehr.

«Verkehrsplanerisch ist die Ausrichtung auf den Ost-West-Fernverkehr sinnvoll», so Müller. Würden zusätzliche Züge aus Richtung Süden in den Tiefbahnhof fahren, würde das zu Platzproblemen führen und so die Gesamtkapazität am Knoten Zürich reduzieren.

Zentralschweiz hat das Nachsehen

Züge aus der Zentralschweiz werden darum wohl noch für lange Zeit in den Zürcher Kopfbahnhof einfahren und somit im Störungsfall wenig flexibel für alternative Streckenführungen sein. Der gestrichene Direktzug zum Flughafen Zürich unterstreicht das. SBB-Sprecher Oliver Dischoe begründet den Entscheid: «Die Trennung der Zuglinie hat sich als die beste Variante erwiesen. Von den übrigen Varianten wären teils wesentlich mehr Kundinnen und Kunden betroffen, oder die Varianten sind betrieblich nicht umsetzbar.»

Gerade die Frage der Betroffenheit ist bei Baustellen zentral. Welche Massnahme betrifft insgesamt am wenigsten Reisende? Hier hat die Zentralschweiz das Nachsehen. Dass sich an diesem Grundsatz bald etwas ändert, ist nicht absehbar.

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14 Kommentare
  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 19.08.2023, 14:42 Uhr

    ist ja noch glück, Fährt der Zug nicht nur bis Thalwil gell muss man ja Dankbar sein ,Das Kommt von den ZH die wollen nur das die Touris nicht nach Luzern kommen sondern in ZH Bleiben,.. also muss der Touristenverein LU mit den Hoteliers sich zusammen tun,, und Cars Organisieren,, die eben die Touristen am Airport Abholen. mit Tollen Hostessen und Aperos.

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  • Profilfoto von Rolf Hefti
    Rolf Hefti, 16.08.2023, 18:00 Uhr

    Theoretisch könnte man in der Mitte, unter dem Hauptbahnhof, wohl noch einen dritten Durchgangsbahnhof bauen. Das würde man den Innerschweizern gönnen. Es gab auch schon die Vermutung, dass dieser Platz für eine U – Bahn genützt werden könnte, falls Züri irgend einmal doch etwas moderner daherkommen möchte. Vermutlich ist aber die Zeit der grossen Projekte für länger vorbei.

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  • Profilfoto von Marcel Fretz
    Marcel Fretz, 16.08.2023, 14:25 Uhr

    Die Option kein Halt im Thalwil hätte zur Folge keine Verbindung von der Ausserschwyz nach Zug oder von Luzern nach Chur (IR 75 und IR 35). Dann müsste man auf S-Bahnen ausweichen.

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    • Profilfoto von Steinhauser
      Steinhauser, 22.08.2023, 22:46 Uhr

      Nicht ganz. Sie vergessen den Voralpen via Goldau.

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  • Profilfoto von Sämi (Pragmatiker)
    Sämi (Pragmatiker), 16.08.2023, 13:07 Uhr

    Wenn man nicht mehr als 1mal im Jahr fliegt (oder besser noch gar nicht), dann ist das doch kein Problem.

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  • Profilfoto von LD
    LD, 16.08.2023, 12:04 Uhr

    Immer mehr, immer schneller
    Just in Time, Konsumitis
    Da kommt die Infrastruktur niemals hinterher
    Lenkt ab von wichtigen Dingen

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  • Profilfoto von FritzliBühler
    FritzliBühler, 16.08.2023, 11:12 Uhr

    Es gibt im Tiefbahnhof Löwenstrasse zwei Gleise pro Richtung. Es gibt pro Knotenzeit zwei Fernverkehrslinien in Ost-West-Richtung. Das ist einfache Mathematik, keine Diskriminierung der Zentralschweiz. Das Potential Richtung Westen ist halt auch aus der Ostschweiz grösser als in Richtung Zentralschweiz und Tessin.
    Die andere Variante wäre, die Fernverkehrszüge aus Luzern und Zug ausserhalb des Knotens Zürich einzuführen, aber dann wäre das Gejammer auch wieder gross. Die umsteigefreien Verbindungen kommen ja wieder zurück und Luzern hat sogar halbstündlich einen umsteigefreien Zug zum Flughafen, das ist mehr als Basel hat. Zug hat sogar vier pro Stunde.

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  • Profilfoto von Ruedi R
    Ruedi R, 16.08.2023, 10:22 Uhr

    Die Innerschweizer und nicht nur die Stadtluzerner, wie Jerome Halter schreibt, werden immer mehr vom ÖV abgehängt. Und es hat auch nichts mit den Grünen der Stadt Luzern zu tun!
    Es ist wichtiger den je, dass sich alle Innerschweizer Politiker/innen gemeinsam stark machen, dass solche Versuche der SBB geblockt werden. Auch Richtung Süden sind wir mit direkten Zügen diskriminiert worden. Bahnhof Luzern gehört zu den meistfrequentierten Hubs in der Schweiz und sollte somit auch entsprechend behandelt werden. Und einzelne, mit selbstmitleid befangenen Autofahrer/innen dürfen sich freuen, dass die Bahnfahrer/innen «ihre Strassen» nicht auch noch zusätzlich mit Autos verstopfen.

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    • Profilfoto von FritzliBühler
      FritzliBühler, 16.08.2023, 11:17 Uhr

      Der Bahnhof Luzern ist kein Hub, er hat nicht mal eine Knotenfunktion, da er nicht an einer Schnittstelle von zwei Achsen liegt. In Richtung Süden wird Luzern nicht diskriminiert, das Angebot mit den zweistündlichen Direktverbindungen entspricht der Nachfrage, bzw. ist sogar besser als die Nachfrage. Denn Zürich HB hat fünf mal mehr Passagiere als Luzern, aber «nur» dreimal mehr Züge in den Süden. Dieselbe Rechnung lässt sich auch mit der Einwohnerzahl machen. Luzern ist halt auch selber schuld, dass man nur einen Tiefbahnhof, also die Luxusversion möchte, aber der Bund dies gefälligst alles selber bezahlen muss, dazu natürlich noch die Bypassautobahn. Vorzahlen, wie das beispielsweise Zürich mit der DML gemacht hat, will man ja auch nicht. Da muss man sich nicht wundern.

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    • Profilfoto von Jerome Halter
      Jerome Halter, 16.08.2023, 11:31 Uhr

      Vielleicht wäre es einfach gut generell weniger Mobilität zu konsumieren? Ich fahre übrigens auch Zug und nicht nur Auto.

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  • Profilfoto von Peter Aemisegger
    Peter Aemisegger, 16.08.2023, 09:11 Uhr

    Mann könnte den IR 75 Richtung Zü Altstetten und Altstetten kehren und
    Über den käferberg Tunnel führen

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  • Profilfoto von Zurfluh
    Zurfluh, 16.08.2023, 07:55 Uhr

    Dann werden wenigstens auch die ÖV Fahrer schikaniert und nicht nur die «bösen» umweltverpestenden Autofahrer

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  • Profilfoto von Jerome Halter
    Jerome Halter, 16.08.2023, 06:43 Uhr

    Die Stadtluzerner sind ja grün und fliegen nicht. Eigentlich ist diese Schikane doch gut? Auf der Strasse schikaniert man Autofahrer ja auch, warum nicht auch die, die zum Flughafen wollen!

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 16.08.2023, 06:22 Uhr

    Der Entscheid der SBB sorgte bei den zentralschweizer Umweltsündern für einen Aufschrei…

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