Schiff ahoi! In Zug steht ein «Jahrhunderttransport» an

Die MS Schwyz nimmt am Montagabend Kurs aufs Zuger Strassennetz. Das Zuger Kursschiff unternimmt eine viertägige Reise, um am Donnerstag im Walensee eine neue Heimat zu finden. Der Transport ist für die Verantwortlichen eine Herkulesaufgabe – und wird ziemlich spektakulär.

Redaktion

Valeria Wieser

Wer kommende Montagnacht durch die Zuger Innenstadt wandelt und ein Schiff an sich vorbeifahren sieht, ist nicht zwingend betrunken. Es handelt sich um die MS Schwyz, ein ehemaliges Kursschiff der Zugersee Schifffahrtsgesellschaft, das nicht nur einen anderen Hafen ansteuert, sondern gleich ein anderes Gewässer.

Die MS Schwyz stand ab 1997 im Dienst der Zugersee Schifffahrt, nun passt sie jedoch nicht mehr zur Flotte. Walensee Schifffahrt nimmt sie mit Handkuss bei sich auf. «Wir können das Schiff gut brauchen für die Erweiterung unseres Kursbetriebes. Nicht zuletzt, weil wir bis jetzt über kein Schiff dieser Grösse verfügen», erklärt Nadine Jordan, die Kommunikationsverantwortliche des Betriebs.

«An schönen Sommertagen sind unsere Schiffe oft voll und wir müssen weitere Schiffe nachschicken, um alle Passagiere abzuholen.» Ebenfalls wertvoll werde die MS Schwyz für Events sein. «Heute haben wir kein Schiff mit einer Bordküche. Anlässe durchzuführen war zwar bisher möglich, aber gerade für die Caterer mit viel Frustpotenzial verbunden.»

Ein ausgeklügelter Transportplan

Soweit, so gut. Nur, wie überwindet ein solches Vehikel eine solch grosse Strecke? Mit sehr viel penibel genauer Vorarbeit, wie die Planungsdetails der verantwortlichen Transportfirmen Käppeli Logistik und Emil Egger zeigen.

Auf Rädern durch die Nacht

Los geht’s am Montagabend um 21 Uhr. Das Schiff verlässt, von einem Sattelschlepper gezogen, den Hafenplatz. Um 21.30 Uhr erreicht es den Postplatz. Zu sperrig ist das Vehikel, um beim Kolinplatz bereits links auf die Ägeristrasse abzubiegen, darum geht’s weiter bis auf die Zugerbergstrasse, wo der Laster um 21.45 Uhr einbiegt, um dort bergwärts zu schnaufen. Über die Waldheimstrasse und die Fadenstrasse in Richtung Ägeristrasse – um etwa 23.30 Uhr.

Für neugierige Eulen dürfte dies einer der spektakulärsten Standorte sein, um das Vorhaben zu verfolgen. Denn die Abbiegung Fadenstrasse/Ägeristrasse ist aufgrund vieler Gebäude und Bepflanzungen verhältnismässig eng. Die Umschiffung ebendieser dürfte dem Lastwagenfahrer einiges an Fingerspitzengefühl abverlangen. Damit die Abbiegung überhaupt bewältigbar ist, mussten gar Bäume und Hecken vorgängig zurückgeschnitten werden.

«Tatsächlich haben sich die Transportfirmen zu diesem Zweck im Voraus mit verschiedenen Anwohnern auf der Transportstrecke abgesprochen», so Jordan. Und nicht nur das. Die betroffenen kommunalen und kantonalen Behörden mussten vorgängig über den Sondertransport informiert werden. Jordan weiter: «Diese akribische Planung ist es, welche den Transport so aussergewöhnlich macht.»

Die Städte haben sich seit dem letzten Transport verändert

Zwar sei das Schiff 1997 auf dem Weg von der Bodensee-Werft bis nach Zug, zumindest ab Rapperswil, auf denselben Strassen transportiert worden. Aber, so Jordan «waren die Gemeinden damals noch etwas weniger stark verbaut. Ausserdem ist heute ein ausgewachsener Baum, was damals noch ein Setzling war.»

Jordan weiter: «Von der Grösse, dem Ausmass und insbesondere vom Schwierigkeitsgrad her kann man das Unterfangen als Jahrhunderttransport bezeichnen.»

Auf der Ägeristrasse geht’s tuckernd hinauf in Richtung Talacher, Backbord – oder eher Steuerbord, denn das Schiff wird rückwärts transportiert – der Blick aufs Zuger Häusermeer. Den Kreisel Talacher wird das Vehikel voraussichtlich um 24 Uhr erreichen, um dann wieder in Richtung Baar hinunterzufahren. Auf der Ägeristrasse in Baar befindet sich das Schiff um voraussichtlich 1.30 Uhr. Über Sihlbrugg geht’s wieder hoch zum Hirzel, wo die MS Schwyz um 3.45 Uhr auf dem Parkplatz beim Dorfeingang eine Pause einlegen darf. Oder muss.

Stau wegen eines Schiffes auf der Fahrbahn? Undenkbar

Denn ein solcher Sondertransport bei grossem Verkehrsaufkommen wäre undenkbar. Erst gegen 22 Uhr am Dienstagabend nimmt das Schiff Kurs auf Wädenswil, um dann im Hafen von Horgen um 2 Uhr früh einzuwassern. Der dafür benötigte Kran wird gleich wieder abgebaut, nach Nuolen, also ans Ende des Zürichsees gefahren, und dort wieder aufgestellt, derweil das Schiff in seinem natürlichen Habitat gen Heimat schippert.

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Am Mittwochnachmittag wird die MS Schwyz in Nuolen aus dem See gehievt, um 21 Uhr geht’s auf dem Landweg weiter in Richtung Reichenburg, Bilten und Niederurnen und auf die Autobahn. In Weesen wird die MS Schwyz am Donnerstag um 9 Uhr in ihre neue Heimat, den Walensee, entlassen.

Künftig wird im Salon der MS Schwyz vermutlich keine Zuger Kirschtorte mehr serviert. Dafür vielleicht ein «Föhnsturm», ein eigens von der Walensee Schifffahrt kreiertes Getränk.

Bereits am Freitag wurde der obere Teil des Schiffs demontiert. Selbst dieses vergleichsweise unkomplizierte Manöver ist spannend anzusehen. Einige Schaulustige versammelten sich dafür auf dem Hafenplatz.