Zimmerberg-Basistunnel 2

Megabaustelle in Baar: Lärm und Staub statt Chriesi und Äpfel

Der Bau des Zimmerberg-Basistunnels 2 wird das Gebiet Deinikon im Norden von Baar stark belasten. Der beschauliche Weiler wird sich in eine Megabaustelle verwandeln. zentralplus hat sich mit den besorgten Anwohnern getroffen.

Wer heute über den Hof von Philipp Hotz in Deinikon spaziert, würde nicht auf die Idee kommen, nur wenige Minuten vom Baarer Zentrum entfernt zu sein. Immerhin ist Baar einer der grössten Siedlungsräume der Zentralschweiz – doch hier in Deinikon ist Baar gefühlt kilometerweit entfernt.

Die Blumen in den Beeten rund um den Hof stehen in voller Blüte, irgendwo gackern ein paar Hühner, und an den Hochstamm-Obstbäumen warten die Zwetschgen darauf, gepflückt zu werden. Die ländliche Idylle wird einzig durch den Lärm der nahe gelegenen Autobahn gestört – doch dieser ist so schwach, dass er sich wegdenken lässt.

In einigen Jahren wird das nicht mehr möglich sein. Denn 2029 sollen die Bauarbeiten für den Zimmerberg-Basistunnel 2 beginnen. Und diese machen aus dem beschaulichen Deinikon eine mehrjährige Megabaustelle.

«Im schlimmsten Fall muss ich die Hälfte meines Landes hergeben. Für mich ist das existenziell.»

Philipp Hotz, Obstbauer und Präsident IG ZBT 2

Jetzt formieren sich die Anwohner in einer IG

Philipp Hotz zeigt auf eine grossflächige Obstbaumkultur und mehrere Äcker. «Hier entsteht der Installationsplatz für die Bauarbeiten», sagt er. Eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von insgesamt rund sieben Hektar wird dann zum Stellplatz für Bagger, Bohrmaschinen, Betonelemente, Schienen und vieles mehr. «Im schlimmsten Fall muss ich die Hälfte meines Landes hergeben», so der Obst- und Weinbauer. «Für mich ist das existenziell.»

Die Apfelbäume von Philipp Hotz müssen in einigen Jahren den Baumaschinen der SBB weichen. (Bild: ewi)

Das ist ein Grund, warum sich Hotz gemeinsam mit weiteren Anwohnern und Grundstückseigentümern organisiert und dieses Jahr die IG Zimmerberg-Basistunnel 2 (ZBT 2) gegründet hat (zentralplus berichtete). Das Hauptziel der IG ist es aber nicht, sich für Hotz’ Kulturen einzusetzen. Sondern die Gruppe will ein Sprachrohr sein für die Anwohnerinnen in Deinikon, die von den Bauarbeiten für den Tunnel in verschiedensten Formen negativ betroffen sein könnten. Philipp Hotz präsidiert die IG und erhält Unterstützung von fünf weiteren Vorstandsmitgliedern.

Hotz stellt klar: «Der Zimmerberg-Basistunnel 2 ist für die Öffentlichkeit von grosser Bedeutung. Aber für uns Anwohner soll der Bau so verträglich wie möglich sein.»

Von Baar aus wird am Jahrhundertprojekt gebaut

Der Zimmerberg-Basistunnel 2 ist nebst dem Durchgangsbahnhof Luzern das bedeutendste Bahnprojekt in der Zentralschweiz der nächsten Jahre. Der neue Tunnel wird die Reisezeit zwischen Zug und Zürich deutlich verkürzen. Durch den Anschluss des neuen Tunnels an den bestehenden entsteht zwischen Baar und Zürich der viertlängste Tunnel der Schweiz.

Hinter dem Gebäude verschwinden die Züge künftig im neuen Zimmerberg-Basistunnel 2. (Bild: ewi)

Knapp elf Kilometer lang werden die zwei neuen Einzelröhren sein. Klar, dass so ein Projekt mit einem enorm grossen Aufwand beim Bau verbunden ist. Darauf haben die SBB bereits im Frühjahr 2022 hingewiesen, als sie neue Details zum Projekt präsentierten (zentralplus berichtete). Die Leidtragenden davon sind in diesem Fall die Bewohnerinnen von Deinikon. Denn von hier aus werden sämtliche Bau- und Bohrarbeiten stattfinden. Und hier werden zwei Millionen Kubikmeter Aushubmaterial deponiert.

Keine Lastwagen auf den Nebenstrassen

Die SBB bezeichnen dies als Chance, die Landschaft neu zu gestalten, Lärmschutzwälle zu errichten und den Boden für die Landwirtschaft aufzuwerten. Philipp Hotz ist bezüglich der Aufwertung der Böden jedoch skeptisch: «Ich habe noch nie einen künstlichen Boden gesehen, der besser war als ein natürlicher. Die Natur macht es immer noch am besten.» Er lasse sich aber gerne vom Gegenteil überraschen.

«Wir fordern, dass diese Deponie landschaftsverträglich wird.»

André Guntern, Vorstand IG ZBT 2

Auch sein Vorstandskollege André Guntern ist im Hinblick auf die Aufschüttung skeptisch. «Schon heute funktioniert der Lärmschutz durch die natürliche Topografie relativ gut», stellt er fest. Tatsächlich hört man den Lärm der Autobahn und der Zuggleise trotz ihrer Nähe nur an einigen wenigen Orten im Gebiet. Darum legt die IG ZBT 2 ein besonderes Augenmerk auf die Deponie des Aushubmaterials. Die Aufschüttung wird an ihrer höchsten Stelle 35 Meter hoch sein und könnte das Bild der jetzigen Hügellandschaft verändern. «Wir fordern, dass diese Deponie landschaftsverträglich wird», so Guntern.

Das zweite Hauptanliegen der Interessengruppe sind die Werkfahrten. Die Lastwagen und Werkfahrzeuge sollen konsequent direkt von der Autobahn auf die Baustelle fahren können – und bei der Rückfahrt ohne Umwege wieder auf die Autobahn gelangen. Dadurch sollen die umliegenden Strassen in Deinikon möglichst wenig belastet werden.

IG will sich konstruktiv einbringen

Die SBB teilten bereits zu früheren Zeitpunkten mit, dass dies auch ihre Absicht sei. Ist die IG ZBT 2 also misstrauisch, dass sich die SBB nicht an die gemachten Aussagen hält? Im Gegenteil: André Guntern lobt das Bahnunternehmen. «Die SBB haben bisher gut kommuniziert und uns frühzeitig über ihre Pläne informiert.» Hier will die IG auch in Zukunft ansetzen. «Wir wollen diese Chance nutzen und unsere Stimme im Projekt einbringen. Dass die SBB mit uns den Dialog gesucht haben, soll kein Alibivorgehen sein.»

Der jetzige Zeitpunkt sei ideal, um sich einzubringen. Denn die SBB erarbeiten derzeit das Vorprojekt, in dem viele Details für den späteren Bau festgelegt werden. «Hätten wir uns erst später organisiert, wäre es womöglich zu spät», so Guntern.

Nebst dem Austausch mit der SBB ist der IG auch der Kontakt zur Gemeinde und zum Kanton wichtig. Der Zuger Baudirektor Florian Weber hat sich in einem Schreiben an die IG bereits erfreut gezeigt, dass sich die Anwohner und Eigentümer organisieren und einbringen.

Nach der gemeinsamen Besichtigung der künftigen Baustelle kehrt Hotz zurück zu seinen Obstbäumen. Der Rückweg nach Zug mit dem Velo dauert rund 15 Minuten. In derselben Zeit kann man in Zukunft auch von Zürich nach Zug fahren – mit dem Zug durch den Zimmerberg-Tunnel.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Philipp Hotz und André Guntern
  • Unterlagen der IG ZBT 2
  • Informationen der SBB zum Projekt
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 31.07.2023, 20:23 Uhr

    Eine Sanierung des bestehenden Tunnels sollte doch reichen. Jahrelang bohren und lochen für ein paar Minuten Zeitersparnis? Als ob das Reisen im langen Tunnel reizvoll wäre. Ist wohl etwas für Fans von Metros. Hier werden hunderte Mio. buchstäblich verlocht. Einfach weil ein paar Entscheidungsträger das für sinnvoll halten. Der öV, die heilige Kuh. Dabei spielt sich der weitaus grösste Teil des Personen- und Güterverkehrs auf der Strasse ab (ca. 65% vs. 35%). Und das wird so bleiben.

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    • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
      Markus Rotzbeutel, 01.08.2023, 07:32 Uhr

      Schon wieder jemand der das Problem nicht versteht: Kapazität, nicht Reisezeiten. Da haben wir derzeit ein einspuriges Gleis nach Zurich, im Vergleich haben die Autos mindestens 10 über verschiedene Strassen verteilt.

      Verlochen wir lieber Milliarden in hässliche Platzverschwendende Ineffiziente stinkende Autobahnspuren. Kommt schon gut.

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      • Profilfoto von Franz
        Franz, 01.08.2023, 09:31 Uhr

        Wenn die Zukunft eine 12-Mio.-Schweiz ist, ist diese Kapazitätserweiterung unabdingbar. Da haben Sie Recht.

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  • Profilfoto von Dolfino
    Dolfino, 31.07.2023, 17:56 Uhr

    Dieser IG geht es nur darum ev. Das Projekt zu verzögern. Ich würde Hotz und seinen Gspänli empfehlen sich mal im kt. Uri zu informieren wie das gelaufen ist beim Bau des basistunnel. Betreffend neue Wiesen haben die Bauern hervorragendes Land erhalten. Und die Staubemmissionen waren nicht so dramatisch wie sie das schildern. Infos abholen in uri und nicht auf Vorrat jammern.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 31.07.2023, 16:57 Uhr

    „Die grosse Wut des Philipp Hotz“, Schwank von Max Frisch, UA 1958.

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