ÖV bleibt im Stau stecken

Luzerner Agglo schimpft über Verkehrsplanung des Kantons

Der Krienser Einwohnerrat Peter Stofer wünscht sich Investitionen in den ÖV, statt in den Bypass. (Bild: sah / Stadt Kriens)

In der Luzerner Agglo verfehlt die Luzerner Regierung ihre Verkehrsziele deutlich – einmal mehr. In Kriens, Horw und Emmen wächst darum der Unmut über die Planung des Kantons.

Ob auf der Buslinie 1 nach Kriens, der Buslinie 2 nach Emmen oder mit dem 20er nach Horw – in den Stosszeiten bleibt man auf dem Weg in die Agglomeration regelmässig im Stau stecken. Das Problem ist bestens bekannt, doch hat sich daran in den letzten Jahren kaum etwas geändert.

Das belegen die Zahlen aus dem neusten ÖV-Bericht der Luzerner Regierung (zentralplus berichtete). Der öffentliche Verkehr in der Agglomeration ist festgefahren.

Von 2015 bis 2021 hätte der Anteil des ÖV am Gesamtverkehr in der Agglo von 20 auf 30 Prozent wachsen sollen. Nun hat die Regierung ein ernüchterndes Zwischenfazit gezogen: Die ÖV-Benutzung in der Agglomeration stagniert und ist im Vergleich zu 2015 sogar leicht rückläufig. Für den Kanton eine äusserst bedenkliche Entwicklung, angesichts der Tatsache, dass er den Verkehr in der Agglo eigentlich seit Jahren vom Auto auf das Velo und den öffentlichen Verkehr verlagern will.

Doch nicht nur im Regierungsgebäude dürfte diese Erkenntnis Sorgenfalten verursachen. Auch in der Agglomeration wächst der Unmut über die Verkehrsplanung der Regierung. Denn hier sind die Menschen, die zu den Stosszeiten täglich im Stau stehen, direkt davon betroffen.

Kriens: Situation ist anhaltend ungenügend

Das zeigt ein Blick nach Kriens. Stau auf der Luzernerstrasse ist ein alltägliches Bild. Und mittendrin die Buslinien 1 und 5, die im Verkehr versinken, anstatt den Fahrplan pünktlich einzuhalten. Davon kann der Krienser Einwohnerrat Peter Stofer (Grüne) ein Lied singen: «Ich weiss, wie es ist, jeden Tag mit dem 1er im Stau stecken zu bleiben. Die Situation ist anhaltend ungenügend», sagt er auf Anfrage.

«Statt in den ÖV zu investieren, drücken Bund und Kanton der Stadt Kriens den Bypass auf – eine massive Investition in den MIV.»

Peter Stofer, Einwohnerrat Grüne Kriens

Für ihn sind die Erkenntnisse des ÖV-Berichts darum enttäuschend. Wobei weniger der Bericht an sich im Zentrum seiner Kritik steht, sondern die Konsequenzen, die der Kanton daraus zieht. Der Bericht zeige auf, dass der Kanton zu wenig in den öffentlichen Verkehr in der Agglomeration investiert. So räumt die Regierung ein, dass die fehlende Bevorzugung der Busse einer der Hauptgründe ist, wieso die Ziele nicht erreicht wurden.

Kritik am Bypass

Hier setzt die Kritik von Stofer, der Mitglied der Krienser Verkehrskommission ist, an: «Statt in den ÖV zu investieren, drücken Bund und Kanton der Stadt Kriens den Bypass auf. Das ist eine massive Investition in den motorisierten Individualverkehr (MIV) und macht diesen noch attraktiver.» Stofers Kritik an dieser Strategie ist vernichtend: «Der Bypass ist eine absolute Fehlinvestition und wird überhaupt keine Verkehrsprobleme lösen. Zur Bekämpfung des Staus neue Strassen zu bauen, ist ein Denken aus den 60er-Jahren.»

Um die Verkehrssituation in Kriens zu verbessern, fordert er, dass der Kanton andere Projekte prioritär angeht. Zum Beispiel eine durchgehende Busspur durch das Krienser Zentrum. Eine solche sei ursprünglich als Kompensationsmassnahme zum Bypass Luzerner geplant gewesen. Doch der Kanton sei – zum Unmut Stofers – wieder abgerückt von dieser Idee.

«Der Bus muss zuverlässig und pünktlich sein. Dann wird der ÖV attraktiver.»

Peter Stofer

Dabei wäre aus seiner Sicht viel geholfen mit einer separaten Busspur: «Der Bus muss zuverlässig und pünktlich sein und die Anschlüsse im Luzerner Zentrum erreichen. Dann wird der ÖV attraktiver und mehr Leute nehmen den Bus anstatt das Auto.» Ist eine separate Busspur aus Platzgründen nicht möglich, so wünscht sich Stofer immerhin eine elektronische Busspur, die den Bus gegenüber dem MIV bevorzugt.

Denn für Peter Stofer ist der öffentliche Verkehr das «Rückgrat» der Agglomeration, weil dieser die Anbindung ans Zentrum gewährleistet. Gerade in der Agglomeration, wo viele Menschen täglich ins Zentrum und wieder zurück müssen, sei eine zuverlässige Verbindung elementar (zentralplus berichtete).

Emmen: Ärger über unrealistische Ziele

Bestens vertraut mit Verkehrsproblemen ist auch der Emmer Einwohnerrat Christian Meister (Mitte). Stau auf der Gersag- oder der Gerliswilerstrasse ist in Emmen ein alltägliches Bild. Meister übt darum scharfe Kritik – nicht direkt am Regierungsrat, sondern am Verkehrsverbund Luzern (VVL), der für die Umsetzung der Ziele des Kantons zuständig ist: «Es ist völlig unrealistisch, dass der Kanton künftig seine Verkehrsziele erreicht, wenn er keine konkreten Massnahmen vorlegt.» Zur Ergänzung: Obwohl der Modalsplit in der Agglomeration stagniert, peilt die Regierung eine Steigerung um 50 Prozent während der nächsten drei Jahre an.

«Die Wiedereröffnung des Autobahn-Anschlusses Emmen-Nord läuft dem ÖV-Gesetz zuwider.»

Christian Meister, Einwohnerrat Die Mitte Emmen

Meister und seine Partei hinterfragen darum sogar, ob der ÖV-Bericht überhaupt mit dem Gesetz über den öffentlichen Verkehr konform ist. Im Gesetz heisst es nämlich, dass der Kanton dafür verantwortlich ist, dass der Anteil der ÖV-Benutzer wächst. «Wir konnten dem vorliegenden Entwurf keine konkrete Massnahme entnehmen, welche in der Gemeinde Emmen nur annähernd zur Zielerreichung beiträgt. Wie ohne Massnahmen das Ziel und die gesetzliche Vorgabe erreicht werden soll, ist nicht nachvollziehbar.»

Fragwürdige Wiedereröffnung Emmen-Nord

Dem Mitte-Einwohnerrat ist dabei besonders ein Beschluss des Bundes ein Dorn im Auge: die Wiedereröffnung des Autobahn-Anschlusses Emmen-Nord. «Das läuft dem ÖV-Gesetz zuwider, denn es gibt fast keine Ausgleichsmassnahmen, die parallel dazu den öffentlichen Verkehr fördern», sagt Meister. «Ich bin nicht gegen den Anschluss, aber es braucht mindestens gleichwertige Massnahmen für den ÖV.»

Tatsächlich ist die Wiederinbetriebnahme des Anschlusses Emmen-Nord merkwürdig. Denn im ÖV-Bericht schreibt der Kanton, dass die neu eröffneten Autobahnanschlüsse in Buchrain und Rothenburg im Jahr 2011 dazu beigetragen hätten, dass der Kanton seine Verkehrsziele nicht erreicht hat. «Insgesamt wurde dadurch in der Agglomeration die relative Attraktivität des MIV höher, während jene des ÖV vergleichsweise schlechter wurde», heisst es im Bericht. Vor diesem Hintergrund erscheint die Öffnung des Anschlusses Emmen-Nord fraglich.

Christian Meister, Mitte-Einwohnerrat von Emmen, fordert mehr Investitionen in den ÖV. (Bild: Die Mitte Emmen)

Christian Meister befürchtet das Schlimmste: «Damit vergrössert der Bund die Kapazität der Autobahn, ohne Gegenmassnahmen des Kantons. Doch bei uns in der Sprengi droht der Verkehr endgültig zusammenzubrechen.» Er fordert stattdessen einen Ausbau der Kapazitäten am Bahnhof Emmenbrücke. Ab 2026 sollen dort die Interregio-Züge der SBB halten. Das würde die Erreichbarkeit des neuen Verwaltungsgebäudes am Seetalplatz steigern und den Bahnhof Luzern während der Bauarbeiten für den Durchgangsbahnhof entlasten.

Horw: Starkes Verkehrswachstum befürchtet

Etwas anders präsentiert sich die Situation in Horw. Hier sind die Verkehrsprobleme weniger gross als in Emmen oder Kriens. Zudem hat Horw mit dem letzten Fahrplanwechsel der SBB eine attraktive Zugverbindung nach Luzern während der Stosszeiten erhalten (zentralplus berichtete). «Die Gemeinde hat das Problem erkannt», attestiert der Horwer GLP-Präsident Daniel Rose. Doch er fügt an: «Die Investitionen in den ÖV sind zu klein. Horw wächst stark und wenn der MIV weiterhin so beliebt ist, wird das unweigerlich zur Verkehrsüberlastung führen.»

Daniel Rose, Horwer GLP-Präsident, fordert den Kanton auf, «heisse Eisen» wie Mobility Pricing anzufassen. (Bild: GLP Horw)

Im Gegensatz zu Christian Meister findet es Daniel Rose gut, dass sich die Regierung ambitionierte Ziele für den Ausbau des ÖV setzt, doch er ergänzt: «Der Kanton darf dann aber auch nicht davor zurückschrecken, heisse Eisen anzufassen. Wir brauchen separate Busspuren und zusätzliche Verbindungen in den Stosszeiten. Und der Kanton sollte Mobility Pricing prüfen.»

An Ideen für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs mangelt es in der Agglomeration offensichtlich nicht. Bleibt die Frage, welche Priorität der Kanton diesen beimisst. Angesichts der derzeit geplanten Massnahmen sowie der ambitionierten Ziele ist ein weiteres Verfehlen der Verkehrsziele überaus wahrscheinlich. Oder wie es der Krienser Einwohnerrat Peter Stofer zusammenfasst: «Die Ideen sind hier, die politischen Forderungen auch. Was fehlt, ist das Bewusstsein des Kantons. Wir sehen grosse Probleme auf uns zukommen.»

Verwendete Quellen
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