So soll sich der Verkehr in Luzern entwickeln

ÖV-Bericht: Parteien nehmen Pünktlichkeit und Klimaziele ins Visier

Wohin geht die Reise? Luzern definiert seine ÖV-Strategie der nächsten Jahre. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der ÖV-Bericht ist die kantonale Strategie für den öffentlichen Verkehr. Nun soll festgelegt werde, wie sich der ÖV bis 2025 entwickelt. Die politischen Kräfte versuchen, die Strategie noch zu färben. Dabei kommen Themen wie die zunehmende Unpünktlichkeit, der Durchgangsbahnhof und der ewige Kampf zwischen Auto und ÖV aufs Parkett.

Auf Luzerns Pendler kommen in den nächsten Jahren einige Veränderungen zu. Insbesondere um die Stadt Luzern herum sind neue S-Bahn-Linien und schnellere Busverbindungen geplant (zentralplus berichtete). Die vorgesehenen Verbesserungen sind im Entwurf des kantonalen ÖV-Berichts 2022-2025 ersichtlich.

Nebst ganz konkreten Massnahmen zeigt das Dokument auch auf, welche strategischen Ziele der Kanton verfolgt, um den ÖV im Kanton zu stärken. Dies nicht zuletzt, weil die Pandemiejahre dem ÖV schwer zugesetzt haben (zentralplus berichtete).

Welche Verbesserungen in der Stadt und der Agglomeration geplant (oder teilweise schon umgesetzt) sind, erfährst du in unserer interaktiven Grafik.

Der Entwurf dieser Strategie wurde in eine breite Vernehmlassung gegeben. Die politischen Kräfte im Kanton versuchen mit ihren Stellungnahmen den Bericht noch zu beeinflussen. zentralplus hat die wichtigsten Forderungen zusammengetragen.

Grüne: Zuverlässigkeit muss verbessert werden

Die Grünen/Jungen Grünen fokussieren sich auf eines der Kernthemen, die der Entwurf des ÖV-Bericht bereits aufgreift: Die Notwendigkeit, diesen zuverlässiger zu machen. «Zahlreiche Buslinien erleiden Verlustzeiten und dadurch Anschlussbrüche», heisst es denn auch gleich zum Einstieg des Berichts.

Die Unpünktlichkeit des Luzerner ÖV hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Die Konsequenz: Pendler verpassen öfters ihre Anschlussverbindung – das ist selbstredend Gift für den ÖV. Der Entwurf des Berichts zeigt erste Ansätze auf, um die Pünktlichkeit zu verbessern. Darunter etwa die strengere Bewirtschaftung von Parkplätzen, ein Ausbau der Massnahmen, um den Bus im Verkehr zu bevorzugen oder ein Mobility Pricing (zentralplus berichtete).

«Wenn im Kanton nicht rasch mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, dann ist der Durchgangsbahnhof gefährdet.»

Judith Schmutz, Kantonsrätin Grüne

Für die Grünen ist es klar, dass diese Ansätze nun auch tatsächlich umgesetzt werden müssen: «Nur wenn der Kanton die im ÖV-Bericht beschriebenen Massnahmen endlich alle konsequent umsetzt, kann er die seit Jahren verfehlten Ziele erreichen», heisst es in der Stellungnahme der Partei.

Vor allem aber bedrohe die zunehmende Unpünktlichkeit auch das Luzerner ÖV-Megaprojekt schlechthin: «Wenn im Kanton nicht rasch mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, dann ist der Durchgangsbahnhof gefährdet», wird Judith Schmutz, Mitglied der kantonsrätlichen Kommission Verkehr und Bau (VBK), zitiert. Nur mit hoher Auslastung des Luzerner Bahnhofs werde der Bund das Projekt finanzieren, so Schmutz.

FDP: Gleichberechtigungskultur pflegen

Am anderen Ende des Meinungsspektrums steht die FDP. Eine Bevorzugung des ÖV ist für die Freisinnigen ein Tabu – weil diese Bevorzugung in der Regel auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs (MIV) geht. Entsprechend kämpfen die Liberalen für die «Gleichbehandlung» der Verkehrsmittel: «Die verschiedenen Mobilitätsformen sollen sich gleichberechtigt ergänzen, um die zunehmenden Verkehrsprobleme nachhaltig zu lösen.»

«Alle Bürgerinnen und Bürger im ganzen Kanton sollen mit dem für sie effizientesten Verkehrsmittel schnell und sicher ans Ziel kommen.»

Stellungnahme der FDP

Unter dem Strich ist es für die FDP jedoch weiterhin klar, «dass alle Bürgerinnen und Bürger im ganzen Kanton mit dem für sie effizientesten Verkehrsmittel schnell und sicher ans Ziel kommen» sollen. «Die verschiedenen Verkehrsmittel sollen gleichberechtigt sein und aufeinander Rücksicht nehmen».

Den Schlüssel zum Nebeneinander sieht die FDP in der Digitalisierung: «Auf vernetzten Mobilitätsplattformen lassen sich beispielsweise Angebote verschiedener Verkehrsträger (Auto, ÖV, Velo) bündeln, gemeinsam nutzen (Sharing) oder intelligent steuern», heisst es in der Stellungnahme. Gefordert wird zudem ein «intelligentes Mobilitätsmanagement», das in Zusammenarbeit mit grossen Betrieben, den Wirtschaftsverbänden und den Schulen ausgearbeitet werden soll.

SP: ÖV darf nicht teurer werden

Auch die SP nimm das Thema Digitalisierung auf. Das Potenzial zum Verknüpfen der verschiedenen Verkehrsmittel müsse dringend genutzt werden. Bei diesem Punkt enden die Gemeinsamkeiten mit den Forderungen der FDP denn aber auch.

«Es ist nicht angebracht, die Preise für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu erhöhen.»

Stellungnahme der SP

Stattdessen fokussiert sich die SP auf die Bezahlbarkeit des ÖV. Insbesondere auf der Landschaft und in der Agglomeration habe der ÖV in den letzten Jahren an Attraktivität eingebüsst – laut SP unter anderem aufgrund von mehreren Sparrunden. «Es ist deshalb nicht angebracht, die Preise für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu erhöhen.» Dieser müsse für alle Menschen bezahlbar bleiben und die preislichen Eintrittshürden seien zu senken. «Die Tarife zur Benutzung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Luzern werden vielfach als zu hoch wahrgenommen, vor allem für Einzelfahrpreise oder Personen ohne Halbtaxabonnement.»

Weiter fordert die SP, dass die Haltekanten bei Busstationen endlich hindernisfrei gestaltet werden. Dabei verweist die Partei auf die Tatsache, dass erst 129 der 671 Haltestellen bis 2023 hindernisfrei benutzbar sein werden. Dies, obwohl das Behindertengleichstellungsgesetz schon seit 2004 gilt und die Frist zur Umgestaltung der Haltekanten längst abgelaufen ist.

Eine weitere Forderung: Bis 2035 soll der öffentliche Verkehr in Luzern klimaneutral sein. Zur Erinnerung: Die Stadt Luzern will Verbrennungsmotoren ab 2040 generell verbieten (zentralplus berichtete).

Mitte: Verkehrsmittel besser verknüpfen

Die Mitte sieht den Schlüssel für einen besseren ÖV in einer besseren Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln. «Park & Ride-Möglichkeiten bei den verschiedenen Hubs sind eine gute Basis, den MIV näher an den ÖV zu bringen», heisst es in der Stellungnahme. Und weiter: «Diesbezüglich besteht noch beachtliches Optimierungspotenzial.»

«Wir gehen davon aus, dass sich mittelfristig die Auslastung wieder auf dem Vor-Corona-Level einpendeln wird.»

Stellungnahme der Mitte

Die Mitte spricht damit einen Punkt an, der auch auf nationaler Ebene forciert werden soll. So unterschrieb Bundesrätin Simonetta Sommaruga vergangenes Jahr die «Erklärung von Emmenbrücke». Sogenannte Verkehrsdrehscheiben wie jene am Seetalplatz, wo Bus, Bahn, Velo und Auto aufeinandertreffen, sollen gezielt gefördert werden (zentralplus berichtete).

Weiter fordert die Mitte, dass die Covid-Pandemie nicht als Vorwand für einen ÖV-Leistungsabbau in den ländlichen Regionen genutzt werden darf. «Wir gehen davon aus, dass sich mittelfristig die Auslastung wieder auf dem Vor-Corona-Level einpendeln wird», schreibt die Partei dazu.

GLP: Tourismus auf die Schiene lenken

Die Grünliberalen hätten sich derweil einen internationalen Ansatz gewünscht. Mit Blick auf die Tourismusstadt Luzern fehlen der GLP im ÖV-Bericht Aussagen zu internationalen Anbindung mittels ÖV. «Bezogen auf CO2-armes Reisen muss auch gezielt der Schienenverkehr gefördert werden, um eine echte Alternative zu Flugreisen darzustellen», schreibt die GLP dazu. Und weiter: «Eine internationale Anbindung auf der Schiene ist für die Tourismusregion Zentralschweiz wichtig, sowie auch im Vergleich zu Fernbussen ökologischer und mit mehr Reisekomfort verbunden.»

Ganz regional gesehen hinterfragen die Grünliberalen die schon seit langem vorgesehenen Busdurchmesserlinien (zentralplus berichtete). Insbesondere jene, die via Inseli geführt werden soll, müssen «noch vertieft auf ihre Tauglichkeit geprüft werden», fordert die GLP.

SVP: Klimawandel ist kein ÖV-Argument

Ginge es nach der SVP, wäre der ÖV-Bericht wohl ein wesentlich schlankeres Dokument. So sollen diverse Kapitel und Absätze aus dem Bericht gestrichen werden, beantragt die SVP. Darunter etwa die im Bericht aufgezeigten mögliche Zukunftsszenarien oder ein Abschnitt, der sich mit den Möglichkeiten im Bereich des Bikesharings befasst.

«Die Argumentation ‹Klimawandel› als Begründung für die Förderung des öffentlichen Verkehrs verschwindet aufgrund der technischen Entwicklungen.»

Stellungnahme der SVP

Der Entwurf des Berichts enthält das Argument, dass der ÖV auch mit Blick auf den Klimawandel gefördert werden müsse. Für die SVP ein alter Hut: «Die Argumentation ‹Klimawandel› als Begründung für die Förderung des öffentlichen Verkehrs verschwindet aufgrund der technischen Entwicklungen. In wenigen Jahren wird die Elektromobilität dominieren.»

In einem anderen Kapitel, das die Entwicklung des Modalsplits kritisch aufzeigt, werden die Verkehrsträger MIV und ÖV «gezielt gegeneinander ausgespielt», moniert die SVP. Auch hier soll der Kanton nochmals über die Bücher.

Stadt Luzern: Quartiere nicht überfordern

Nebst den politischen Parteien nahmen auch diverse Verbände, regionale Entwicklungsträger und politische Gemeinden zum ÖV-Bericht Stellung. Die gewichtigste dürfte jene der Stadt Luzern sein, schliesslich ist dies der Knotenpunkt, an dem praktisch der gesamte öffentliche Verkehr des Kantons zusammenfliesst.

Wie also steht die Stadt zur vorgeschlagenen ÖV-Strategie des Kantons? Kurz: mehrheitlich sehr positiv. Es gibt aber auch Bedenken. Beispielsweise fordert die Stadt eine klarere Definition von den im Bericht erwähnten Minihubs. Damit sind nicht grosse Verkehrsdrehscheiben, wie zum Beispiel am Seetalplatz, gemeint. Stattdessen sollen solche Minihubs in Quartier- und Ortszentren zu finden sein. «Sie bieten kurze Umsteigewege zwischen geteilten und privaten Verkehrsmitteln und unterstützen die Strukturierung des Siedlungsgebiets», heisst es im Berichtsentwurf dazu.

«Es sollen nicht alle Quartierzentren als multimodale Verkehrsdrehscheibe oder Minihubs ausgebaut werden.»

Stellungnahme der Stadt

Dem steht die Stadt kritisch gegenüber: «Es sollen nicht alle Quartierzentren als multimodale Verkehrsdrehscheibe oder Minihubs ausgebaut werden. Ein Quartierzentrum als Minihub soll grossräumig gedacht werden können, sodass Carsharing nicht direkt im Quartierzentrum, sondern auch in einer Nebenstrasse möglich sein kann (kurze Wege, aber trotzdem keine neuen Konflikte schaffen)», lautet die Forderung der Stadt.

Ein anderes Anliegen der Stadt betrifft die Tatsache, dass der Kanton punktuell den Ausbau des Strassennetzes ins Auge fasst – beispielsweise, um mehr durchgehende Busspuren zu ermöglichen. Die Stadt pocht nun darauf, dass diese «stadtverträglich» umzusetzen seien. «Das heisst, es braucht hinsichtlich Aufenthaltsqualität und stadtklimatischer Verträglichkeit auch Optimierungen», schreibt die Stadt dazu.

Kantonsrat berät die Strategie im Sommer

Die Vernehmlassung ist vergangenen Freitag zu Ende gegangen. Nun werden die Rückmeldungen ausgewertet und der Bericht wird möglicherweise noch angepasst. Voraussichtlich im kommenden Sommer wird der Regierungsrat den ÖV-Bericht zuhanden des Kantonsrats verabschieden.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Remo Gubler
    Remo Gubler, 15.02.2022, 15:06 Uhr

    Naja, solange ÖV und MIV beide von der Öffentlichkeit subventioniert werden, wächst der Verkehr. Wie bei der Sackgebühr braucht es das Verursacherprinzip, Mobilität muss teurer werden für alle, nur das ist nachhaltig. Und Verkehrspolitik ist nicht Sozialpolitik.

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  • Profilfoto von Peter Listig
    Peter Listig, 14.02.2022, 17:35 Uhr

    Gleichberechtigung der Verkehrsmittel…. also wenn ich mal so hangelenk mal pi rechne sind zu stosszeiten 100 personen in meinem bus. Der Bus nimmt auf der strasse ca so viel platz ein wie 5-6 pkw. Im pkw sitzen durchschnittlich 2 personen (und das wäre noch gütig). Macht also ca 10-12 personen welche den gleichen platz einnehmen wie 100. Liebe Bürgis, es sieht eher nach einer überprivilegierung des MIV aus, aber mit dem vor abgasen brennenden augen sieht mensch das wohl nicht.

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