Nach Vorfall beim Planetenweg

Die Biber sind da: So geht der Kanton Luzern damit um

Einige Tage nach dem Bibervorfall in Emmen: Der Weg unmittelbar am Ufer ist noch immer gesperrt, die Bäume gefällt. (Bild: mik)

Der Biber breitet sich in der Zentralschweiz aus – und hinterlässt dabei Spuren, wie beim Planetenweg in Emmen. Mit zunehmender Population erhöht sich das Konfliktpotenzial mit dem Mensch. Der Kanton Luzern hat sich bereits dafür gewappnet.

Untergrabene Wege, angeknabberte Bäume: Der Biber breitet sich sichtbar in der Zentralschweiz aus (zentralplus berichtete). Wie jüngst beim Planetenweg in Emmen. Zwischen Mars und Jupiter haben Biber den Uferweg untergraben, der Spazierweg wurde zur Sicherheit gesperrt.

Ein Besuch vor Ort zeigt: Seit dem Bibervorfall kommt die Strecke anders daher. Noch immer ist der Weg unmittelbar am Fluss gesperrt. Was jedoch trotz Absperrung nicht alle beeindruckt. Zwei junge Männer essen trotzdem auf dem Bänkli hinter dem Absperrband ihren mitgebrachten Zmittag. Hätten ihnen zuvor noch einige Bäume am Ufer Schatten gespendet, sind diese mittlerweile im abgesperrten Bereich gefällt. Nur noch ein junger, dünner Baum ziert die Böschung.

Auch etwas weiter vom Ufer weg hat der Biber Spuren hinterlassen. In unmittelbarer Nähe zur gegrabenen Höhle liegen mehrere Haufen mit Ästen. Zudem sind mehrere Bäume eingehegt und angenagt. Was jedoch die Korporation Emmen freuen dürfte: Die Holzskulpturen, die ebenfalls den Wegrand zieren, sind noch ganz. Was kein Zufall ist, denn Biber ernähren sich grundsätzlich nur von der Rinde von lebendigem Gehölz.

Massnahmen nach Bibervorfällen müssen komplex abgeklärt werden

Nebst den Gittern um die Bäume hat die Gemeinde Emmen gemeinsam mit dem Kanton Luzern weitere Massnahmen beschlossen: Das entsprechende Teilstück des Planetenwegs wird dauerhaft rund 10 bis 15 Meter vom Reussufer weg versetzt. So kämen sich Mensch und Biber weniger in die Quere, wie die Gemeinde mitteilt.

Das mag vielleicht zuerst unverhältnismässig klingen. Doch wie Sybille Roos, Fachbearbeiterin Biodiversitätsförderung und Fischereiaufseherin beim Kanton Luzern, schreibt: «Gemäss Angaben der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur ‹vif› wäre ein Verbau des Ufers mit Blocksteinen deutlich teurer geworden.» Die Verlegung des Weges sei deshalb eine gute, langfristige Lösung. Hier pflichtet ihr auch Miriam Peretti, Projektleiterin Aktion Biber & Co von ProNatura Luzern, bei. «So können künftig Biber und Mensch konfliktfrei nebeneinander koexistieren, und das Gewässer erhält nebenbei seinen Platz zur Entfaltung zurück.»

Der Biber und sein Damm sind in der Schweiz geschützt. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Generell seien Eingriffe in den Lebensraum der Biber jedoch sehr komplex, wie Sybille Roos fortfährt. Denn Biber und ihre Bauten sind gemäss Schweizer Jagdgesetz geschützt. Bei Konflikten mit Bibern wäge der Kanton deshalb immer erst Interessen ab. «Überwiegt das öffentliche Interesse, wie beispielsweise die Hochwassersicherheit, sind Massnahmen gerechtfertigt. Ist ein grosses Schadenspotenzial vorhanden, sind auch grössere Eingriffe an Biberdämmen gerechtfertigt.»

So verloren etwa 2020 mehrere Biber ihr Zuhause während der Sanierung des Autobahnanschlusses Gisikon-Root (zentralplus berichtete). Dies, weil ihr Damm den Wasserpegel erhöhte und damit für Schwierigkeiten bei den Bauarbeiten und Durchgängen von Kleintieren sorgte. Um solche Entscheide zu erleichtern, hat die Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) vor fünf Jahren ein Konzept zum Bibermanagement geschrieben.

In fünf Jahren hat sich die Zahl der Biber fast verdoppelt

Damals wurde die Luzerner Biberpopulation auf 75 Tiere geschätzt und vermutet, dass sich die Biberpopulation innert weniger Jahre vervielfachen würde. Potenzieller Platz bestünde für rund 350 bis 550 Tiere. Bei der neuesten Schätzung im Winter 2022 hat sich das bewahrheitet. Inzwischen besiedeln schätzungsweise 130 Tiere in 47 Revieren den Kanton Luzern. Und wie Peretti der Aktion Biber & Co. sagt, werde die Luzerner Population vermutlich noch zunehmen, «da es für den Biber noch geeignete, bisher unbesiedelte Gewässer gibt».

Die Abbildung zeigt, wo sich die Biber Stand Winter 2022 im Kanton Luzern niedergelassen haben. (Bild: ©info fauna/Biberfachstelle; Kartenhintergund: swisstopo)

Doch bereits 2018, mit der noch geringeren Anzahl Bibern, sah die Lawa potenziell ärgerliche Vorfälle vorher: «Das Konfliktpotenzial im Kanton Luzern ist, insbesondere im Zusammenhang mit Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen und Infrastrukturen, hoch.» Konflikte seien unter anderem vernässte Felder und Wälder durch das Stauen der Dämme, die Beeinträchtigung des Hochwasserschutzes, Schäden an Bäumen oder die Schäden an öffentlicher Infrastruktur wie etwa Brücken, wie Roos aufzählt. Die Liste sei nicht abschliessend.

Die Lawa berate deshalb kantonale Dienststellen, Gemeinden, Beschäftigte und Eigentümer der Land- und Forstwirtschaft sowie Privatpersonen im Umgang mit den Bibern. Deren dringendste Fragen kreisen jeweils um Lösungen für Konflikte wie die oben genannten.

Vom schützenden Draht bis Entfernen des Damms

Im Bibermanagementkonzept hat die Lawa deshalb auch klar festgehalten, welche Massnahmen bei welcher Biberaktivität verhältnismässig sind. Bei den angenagten Bäumen in Emmen ist es beispielsweise die Methode, Drahtgitter vor gefährdete Bäume anzubringen oder Bäume vorsorglich zu fällen.

Beim Graben wird das Ganze bereits komplizierter. Zum Beispiel können Betroffene Hinweise auf die Einsturzgefahr anbringen oder Zäune installieren, um Nutztiere fernzuhalten. Einschneidendere Massnahmen hingegen wie den Weg aufzufüllen oder einen Kunstbau anzulegen, benötigen eine Bewilligung des Kantons. Und solch eine wird nur erteilt, wenn keine anderen Massnahmen helfen. Wie im Fall der Autobahn Gisikon-Root.

Generell hält Roos jedoch fest, dass jede Situation einzeln beurteilt werden müsse. Nebst der Prävention setze sich die Lawa auch für die Akzeptanz des Bibers in der Bevölkerung ein. Und hierbei helfe es, wenn die Massnahmen, die der Kanton nach der Interessenabwägung beschlösse, gerechtfertigt seien.

Biberschäden werden nur Landwirtinnen und Förstern entschädigt

Nebst der Prävention ist der Kanton Luzern auch für die Entschädigung von Biberschäden zuständig. Die Kosten teilt er sich hälftig mit dem Bund. Der Luzerner Teil wird aus der Jagdkasse finanziert. So beispielsweise, wenn Biber die Ernte von Landwirten fressen oder eine Kuh in ein eingestürztes Erdloch eines Bibers trete. Im Konzept rechnete die Lawa mit jährlichen Kosten von 5’000 Franken bei 50, 20’000 Franken bei 150 Biberrevieren. Effektiv seien so in den vergangenen Jahren Schäden von rund 4’500 Franken entstanden, so Roos.

Dabei gilt jedoch zu beachten: Die effektive Schadenssumme dürfte höher liegen. Denn Schäden an Infrastrukturen wie Brücken, Gebäude oder Strassen vergütet der Kanton nicht. Auch Präventionsmassnahmen zahlen Betroffene und Gemeinden aus eigener Tasche. Der Kanton kenne darum auch die genaue Höhe der Schadenssumme nicht. Im Konzept heisst es dazu lediglich: «Infrastrukturschäden entstehen meist in einem Uferstreifen von 15 Metern entlang der Gewässer und können Kosten von mehreren Tausend Franken verursachen.»

Biber päppelt verbaute Gewässer auf

Mit zunehmender Biberpopulation müssen die Luzerner darum lernen, mit dem Biber umzugehen. Wie Peretti schreibt, müsse es dabei nicht zwingend auch zu mehr Konflikten kommen: «Wenn wir uns auf ein Zusammenleben mit diesem Tier einstellen und je nach Situation gewisse Vorkehrungen treffen, dann können viele Konflikte vermieden werden. Bestenfalls erkennen wir seine positiven Auswirkungen auf die Artenvielfalt und das lokale Klima und schätzen deshalb seine Anwesenheit.»

Wenn man dem Biber seinen Platz zugestehe, könne er beispielsweise bei nicht mehr natürlichen Gewässern zu einer natürlichen Revitalisierung beitragen. Womit die öffentliche Hand teure Planungs- und Umsetzungskosten spare. Ein solches Projekt plane die Aktion Biber & Co. derzeit an der Pfaffnere, einem Bach, der durch die Kantone Luzern und Aargau führt. «Der Biber erhält den benötigten Raum, und mit wenigen Initialmassnahmen sollen seine Aktivitäten gefördert werden, was über die Zeit zu einer natürlichen Revitalisierung des Gewässerabschnitts führen soll.» Auch dem Kanton Luzern sei die Anwesenheit des Bibers inzwischen bekannt, weshalb er bei der Planung von Revitalisierungen wo immer möglich berücksichtigt werde.

Damit dürften Reuss-Spaziergänger nach dem Hochwasserprojekt künftig an ehemals verbauten Stellen vermutlich auch den einen oder anderen angenagten Baum wie heuer am Planetenweg entdecken.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Jessica Mühlebach
    Jessica Mühlebach, 07.08.2023, 13:58 Uhr

    Der Mensch ist offenbar erst richtig glücklich, wenn er auch das letzte Wildtier erschossen hat….

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  • Profilfoto von Lucho
    Lucho, 06.08.2023, 23:31 Uhr

    Nicht lange und der achso gschützte Bieber wird auch hierzulande zur Plage. Man sehe nach Kanda, 100e Ha Wald zu grunde. Da er keinen natürlichen Feind hat muss er reguliert werden!

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    • Profilfoto von Michelle Keller
      Michelle Keller, 07.08.2023, 07:37 Uhr

      Da ich es im Artikel nicht mehr untergebracht habe, nutze ich gleich diese Gelegenheit. Zwar hat der Biber keine natürlichen Feinde. Aufgrund ihres territorialen Verhaltens begrenzen sie sich selbst. Sind alle potenziellen Reviere und Lebensräume besetzt, stagniert die Zahl der Tiere. (Deshalb auch das «potenziell Platz für rund 350 bis 550 Tiere»). Ob diese trotzdem reguliert werden müssen, hängt vor allem mit der gesellschaftlichen Akzeptanz zusammen.

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    • Profilfoto von Hegard
      Hegard, 07.08.2023, 11:55 Uhr

      Der Wolf wäre ein natürlicher Feind!
      Der Mensch muss immer in den natürlichen Kreislauf eingreifen. Übrigens in den Rocky Mountais sind sie sehr zufrieden, weil sie Wölfe ausgewildert haben, die zB die Hirsch Population eingreifen!
      Zudem sind die Waschbären in Einmarsch, ich höre euch jetzt schon jammern!

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 06.08.2023, 20:26 Uhr

    ich nehme an,die Biber werden von Emmen bis Honau in der Reuss Renaturierung eingeplant und verschönern zb die Gegend von Buchrain oberhalb der Brücke als Erhohlunggebiet!
    Aber ich warne auch vor dem Biber, er ist fleissig und kann große Schäden anrichten!ich weiss das zufällig vom Kanal in der Papierfabrik Perlen!Das es bei den Wasserturbienen, Logistik Lager und Brücke mit den gefällten Bäumen das Wasser stauen und schlimstenfals zur Überschwemmungen gekommen wäre! Die Biber wurden dann mit Dratgitter zum Schutz der Bäumen vergrämt!Es gab dann Viel und Gefärliche Arbeit um aufzuräumen.Ich habe dann einem Vorgesetzten der Papier Fabrik, den Vorschlag gemacht,den Biber für Holzschnitzel Produktion Anzustellen

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 06.08.2023, 19:22 Uhr

    Ich lese, dass der Biber positive Auswirkungen auf das „lokale Klima“ habe. Der aufmerksame Gutbiber gewissermassen. Und Gutbiberinnen natürlich. Na dann, alles klar, alles paletti.

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  • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
    Markus Rotzbeutel, 06.08.2023, 18:04 Uhr

    Ganz schön! Was für tapfere Mitlebewesen.

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