Im Kanton Zug breitet sich ein Wildtier aus

Expertin: «Die Konflikte mit dem Biber werden zunehmen»

Der Biber selbst ist selten zu sichten, seine Spuren hingegen sind unübersehbar. (Bild: Elia Saeed)

Selten sind sie zu erspähen – aber ihre Spuren sind unübersehbar. Die Biber sind mittlerweile auch am Zugersee angekommen. Betroffene und Behörden sind gefragt, wie sie mit der Entwicklung umgehen. Denn klar scheint: Der Mensch muss sich wieder an den Biber gewöhnen.

Seit rund zehn Jahren breitet sich der Biber im Kanton Zug aus (zentralplus berichtete). Das zurückgekehrte Wildtier war bisher vor allem entlang der Reuss und der Lorze zu beobachten. Inzwischen ist der ursprünglich einheimische Biber auch wieder am Zugersee angekommen.

Beim kantonalen Amt für Wald und Wild geht man davon aus, dass sich der derzeitige Bestand von etwa 25 Tieren in den nächsten Jahren um bis rund einen Viertel vergrössern wird. Diese Ausbreitung birgt Konfliktpotenzial – vor allem im dicht bebauten Kanton Zug.

Am Anfang unauffällig

Die letzte systematische Erhebung der Biberpopulation im Kanton Zug 2017/2018 ergab, dass sich fünf Familienreviere sowie vier Paarreviere im Einzugsgebiet befinden. «Man kann davon ausgehen, dass sich der Biber in erster Linie dort ansiedelt, wo er einen geeigneten Lebensraum vorfindet», erklärt Priska Müller vom kantonalen Amt für Wald und Wild. Entsprechend würde sich der Biber am Zugersee aufgrund der verfügbaren Nahrungsquellen vermutlich vorwiegend in den Naturschutzgebieten niederlassen.

Der Biber ist auch am Zugersee angekommen. (Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA) (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

«Wenn sich ein Biber in einem Revier neu ansiedelt, fällt das zuerst oftmals gar nicht auf», ergänzt Marianne Rutishauser von Pro Natura. Die Nahrung bestehe im Sommer aus zahlreichen Pflanzen – Bäume stünden fast nur im Winter auf dem Speiseplan. «Zuerst werden dazu meist Sträucher entastet», sagt Rutishauser. «Auffällig wird es dann, wenn der Biber beginnt, ganze Bäume zu fällen.»

Beeindruckende Baufähigkeiten

Das Wildtier nimmt sich, was verfügbar ist. «Rinde, Äste und Knospen sind wichtige Nahrungsquellen für die Biber während den kalten Monaten», sagt Priska Müller. In der Regel bevorzugten sie Weichhölzer, zum Beispiel Weiden oder Pappeln. Aber sie könnten auch an Eichen oder Schwarzerlen nagen.

«Ein Biberdamm kann das Wasser aufstauen und so zu vernässten Böden in der Landwirtschaft führen.»

Priska Müller, Amt für Wald und Wild

Wird ein Baum als besonders schützenswert oder landschaftsprägend beurteilt, kann er mit einem Drahtgeflecht vor einem Biber geschützt werden. Dies sei im Kanton Zug gängige Praxis, so Müller. «Es sind einige Bäume mit ‹Biberschutz› entlang der Reuss, Lorze und des Zugersees zu finden.»

Im Kanton Zug gibt es erst einzelne Biberdämme, wie hier im renaturierten Tobelbach bei Rumentikon. (Bild: Elia Saeed)

Neben den scharfen Beissern beeindrucken Biber auch mit ihren Baufähigkeiten. «Biberdämme sind besonders wertvoll für den Naturschutz», sagt Marianne Rutishauser. «Durch diese können neue Lebensräume für Gewässerarten entstehen.» Dämme würden typischerweise erst dann gebaut, wenn sich der Biber an weniger tiefen Bächen ansiedelt.

Kommt der Biber, kommen andere Tiere

Biber seien sehr anpassungsfähige Tiere, die ihren Lebensraum nach ihren Bedürfnissen umgestalten. «Mit dem Biber entsteht eine Dynamik, die Lebensraum für viele andere Tiere und Pflanzen schafft», erklärt Priska Müller. «Es entstehen Teiche, Grundwassertümpel, offene Erdflächen oder Totholz.»

Davon profitierten unter anderem Vögel, Fledermäuse, Amphibien, Fische, Reptilien, Insekten und Pflanzen. Gleichwohl gibt es auch Nachteile, wie Müller zu bedenken gibt: «So kann ein Biberdamm über mehrere 100 Meter das Wasser aufstauen und so zu vernässten Böden in der Landwirtschaft führen.»

«Der Biber wird sich weiter ausbreiten.»

Marianne Rutishauser, Pro Natura

Wenn es zu sogenannten Nutzungskonflikten zwischen Biber und Mensch komme, würden situativ angepasste Massnahmen getroffen. Das Amt für Wald und Wild sorgt mit Präventionsarbeit dafür, dass die Schäden möglichst klein bleiben. Bei erheblichen Biberschäden übernimmt der Bund zusammen mit dem Kanton je die Hälfte der Kosten. Bisher seien Konfliktfelder, die im Kanton Zug durch den Biber verursacht wurden, ohne finanzielle Entschädigungen gelöst worden. Doch Müller warnt: «Da der Bestand stetig wächst, werden auch die Konflikte zunehmen.»

Schutz der Tiere genügt

Vonseiten des Zuger Bauernverbandes heisst es, dass die Konflikte der Landwirtschaft mit dem Biber bisher noch eher selten und nicht gravierend waren. Dennoch sei es schon vorgekommen, dass Biber Ernten entwendeten und Kulturland durch unterirdische Bibergänge Schaden nahmen.

«Der Biber wird sich weiter ausbreiten», sagt Marianne Rutishauser von Pro Natura und ist sich des gleichzeitig steigenden Konfliktpotenzials bewusst. Gleichwohl appelliert sie an die Menschen: «Wir müssen uns wieder an den Biber gewöhnen und lernen, mit ihm umzugehen.»

Um die schützenswerten Bäume vor dem Biber zu verschonen, wurden sie mit einem Drahtgeflecht umzäunt. (Bild: Elia Saeed)

Derzeit könne sich das Tier im Kanton Zug gut weiter ausbreiten, da noch zahlreiche mögliche Reviere unbesetzt seien. Biber haben nur einen Wurf pro Jahr und leben als Paare oder Familien in Revieren, die sie gegenüber fremden Bibern verteidigen. Zudem regulieren sich Biber selbst, sprich: Wenn einmal alle Reviere besetzt sind, bringen sie weniger Junge zur Welt.

Gejagt werden darf das Wildtier nicht – sowohl der Biber selbst als auch seine Bauten sind schweizweit geschützt. Und dieser Schutz sei ausreichend, wie Rutishauser sagt. Dieselbe Aussage könne aber für viele Fliessgewässer nicht gemacht werden.

Bund schafft mehr Lebensräume

«Gewässer sind ganz besonders bedrohte Lebensräume in der Schweiz», erklärt Rutishauser. Sie plädiert dafür, Wanderhindernisse bei Kraftwerken zu entfernen sowie eingefasste und begradigte Bachläufe zu renaturieren. Damit könne für den Schutz des Bibers und anderer Arten viel getan werden. Der Bund ist sich der Problematik bewusst. Deshalb gibt er allen Gemeinden vor, in den nächsten Jahren Gewässerräume für den Hochwasser- und Naturschutz auszuscheiden.

Das Ausscheiden von genügend Gewässerraum sei «eine Herausforderung im intensiv genutzten Kanton Zug», sagt Priska Müller vom Amt für Wald und Wild. Mit der Massnahme wolle man die natürliche Funktion der Gewässer gewährleisten. Davon profitieren auch die Biber, die mehr potenzielle Reviere zur Ansiedelung erhalten, was wiederum das Konfliktpotenzial reduziert.

Die Biber sind auf dem Vormarsch und erhalten dabei mehr Lebensraum – nachdem sie zuvor im Kanton Zug rund 200 Jahre lang ausgerottet waren.

Entlang der Lorze finden sich einige Bäume, die dem Biberhunger zum Opfer fielen. (Bild: Elia Saeed)
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon