Marschhalt für Glasfasernetz auf dem Land

Prioris: Vom Vorzeigeprojekt zum Debakel

Mit Prioris wollen Luzerner Gemeinden Glasfaserkabel auch abseits der Zentren verlegen. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Für die Landregionen im Kanton Luzern gibt es vorerst kein schnelles Internet. Die Verantwortlichen des Prioris-Projekts legen einen Marschhalt ein, weil der Projektpartner abgesprungen ist.

Es klingt wie ein Vorzeigeprojekt des Föderalismus: Schnelles Internet für die ländlichen Regionen im Kanton Luzern, damit diese bei der Digitalisierung und somit bei der Gesamtentwicklung nicht abgehängt werden. Nicht alles soll sich in den Zentren abspielen. Auch die ländlichen Gemeinden sollen als Wohn- und Arbeitsort attraktiv bleiben – und dazu ist eine schnelle Internetverbindung heute einer der wichtigsten Standortfaktoren (zentralplus berichtete).

Mit dieser Idee haben 22 Luzerner Gemeinden, von Pfaffnau bis Flühli und von Ruswil bis Luthern, gemeinsam mit dem regionalen Entwicklungsträger Luzern West das Projekt Prioris ins Leben gerufen. Dieses verspricht ultraschnelles Internet mit Glasfaser für jeden Haushalt. 150 bis 170 Millionen Franken soll das Projekt kosten.

Doch jetzt ist das Vorzeigeprojekt gescheitert. Die Verantwortlichen haben am Dienstag einen Marschhalt verkündet. Somit ist das Projekt bis auf Weiteres auf Eis gelegt.

Medienanlass in letzter Sekunde abgesagt

Schon in den vergangenen Wochen hat es bei Prioris rumort. Mit grossen Tönen sollte Mitte Oktober das Telekomunternehmen bekannt gegeben werden, welches den Grossauftrag umsetzt. Mit Michael Töngi und Andrea Gmür wollte gar Polit-Prominenz am Anlass teilnehmen, um die Bedeutung dieses Augenblicks zu unterstrichen.

Doch in letzter Sekunde wurde der Anlass abgesagt (zentralplus berichtete). «Aufgrund interner Regulatorien der Umsetzungspartnerin», lautete die kryptische Begründung von Prioris. Anders formuliert: Es gab Probleme mit dem Projektpartner.

«Es ist brutal. Wir haben viel Hoffnung in dieses Projekt gesetzt.»

Franzsepp Erni, Präsident Steuerungsausschuss Prioris

Diese Probleme sind so schwerwiegend, dass das Projekt nun komplett auf Eis gelegt wird. Demnach haben die Verantwortlichen ein österreichisches Telekomunternehmen für das Projekt gewinnen können. Dieses hätte das Glasfasernetz verlegen und einen Grossteil der Projektkosten übernehmen sollen. Doch beim Unternehmen kam es zu internen Umstrukturierungen, sagt Franzsepp Erni, Gemeindepräsident von Ruswil und Präsident des Steuerungsausschusses von Prioris.

Prioris verliert den Wettlauf gegen die Zeit

Die umstrittene Rolle der Swisscom

Die Swisscom stand in den letzten Wochen wiederholt in der Kritik seitens Prioris. Diese wollte den Auftrag nicht zu den vorgeschlagenen Konditionen übernehmen, weshalb Prioris auf einen ausländischen Anbieter ausweichen musste (zentralplus berichtete).

Auch die jetzige Kommunikation der Verantwortlichen verläuft nicht ohne Seitenhieb in Richtung Swisscom: «Leider mussten wir feststellen, dass die Swisscom kaum Verhandlungsbereitschaft gezeigt hat und nicht bereit war, auf die äusserst entgegenkommenden Vorschläge von Prioris einzugehen.»

Die Swisscom hat bereits auf den erneuten Vorwurf reagiert und lässt verlauten, dass eine Erschliessung mit Glasfaser ausserhalb der Siedlungsgebiete nicht wirtschaftlich ist.  «Für Liegenschaften ausserhalb des Ausbaugebiets gibt es mit Erschliessungstechnologien über Mobilfunk oder Satellit wirtschaftlich sinnvolle Lösungen.» Zudem wird per 1. Januar 2024 die Mindestgeschwindigkeit für die Internet-Grundversorung von 10 auf 80 Megabit pro Sekunde erhöht. «Genug, um von zuhause aus zu arbeiten», hält die Swisscom fest.

«Ein neuer Teilhaber stellte sich gegen den Markteintritt des Unternehmens in die Schweiz», so Erni. Weshalb, weiss er selbst nicht. «Offenbar hat diese Person Vorbehalte gegenüber einem Markteintritt in die Schweiz.» Aus diesem Grund wurde die Pressekonferenz Mitte Oktober abgesagt.

Ein Schock für Prioris – doch die Verantwortlichen schüttelten sich kurz und arbeiteten mit Hochdruck an einer neuen Lösung. Mit anderen Gesellschaftern des Unternehmens sollte eine neue Aktiengesellschaft in der Schweiz gegründet und das Projekt gerettet werden. Doch die Verantwortlichen mussten feststellen, dass sich eine Aktiengesellschaft nicht vom einen auf den anderen Tag gründen lässt. «Am Ende ist uns die Zeit davongelaufen», sagt Erni.

Ein Wettlauf gegen die Zeit war es deshalb, weil in den nächsten Wochen zahlreiche Abstimmungen in den einzelnen Gemeinden zur Mitfinanzierung des Projekts stattfinden. «Wir können aktuell keinen Partner präsentieren. Und mit dieser Unsicherheit können wir nicht in eine Abstimmung», meint Erni.

Dem Projekt droht ein Vertrauensverlust

Für ihn und seine Projektpartner ist es eine herbe Schlappe. Das will er auch gar nicht erst verheimlichen. «Es ist brutal. Wir haben viel Hoffnung in dieses Projekt gesetzt und die letzten zwei Jahre intensiv daran gearbeitet. Noch bis am Samstag haben wir daran geglaubt, dass wir es schaffen können. Dieser Marschhalt so kurz vor der Ziellinie ist darum sehr schmerzhaft.»

Franzsepp Erni ist Gemeindepräsident von Ruswil und Präsident des Steuerungsausschusses von Prioris. (Bild: Gemeinde Ruswil)

Wie es mit dem Projekt nun weitergeht, kann er noch nicht sagen. Ihm ist bewusst, dass die jüngsten Ereignisse einen herben Vertrauensverlust der Menschen ins Projekt verursachen könnten. «Ich hoffe, wir haben nicht zu viel Vertrauen eingebüsst.»

Am Ziel wollen die Verantwortlichen aber festhalten. Jeder Haushalt in der Region soll schnelles Internet erhalten. Doch wie das gelingen soll, ist heute mehr denn je unklar.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung von Prioris
  • Telefonat mit Franzsepp Erni
  • Medienmitteilung der Swisscom
  • Webseite von Prioris
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