Massenschlägerei an Pfingstmontag

Pfingstkrawalle: Stadt gibt Fehler zu – CVP schmiert ab

Abzug der FCZ-Fans nach dem Spiel vom Bundesplatz Richtung Bahnhof. Zu diesem Zeitpunkt war wieder Ruhe eingekehrt. (Bild: zvg)

An Pfingstmontag flogen nach dem Spiel FCL gegen FCZ die Fäuste. Schuld daran sind die Gewalttäter. Aber hätte die Polizei keine Fehler gemacht, hätte die wüste Keilerei womöglich verhindert werden können. Dies räumt der Stadtrat in seiner Antwort auf einen CVP-Vorstoss ein. Die 13 markigen Vorschläge der CVP zur Verbesserung der Lage hält der Stadtrat aber für entweder untauglich oder bereits erfüllt.

Das Fussballspiel FCL vs. FCZ von Ende Mai bleibt wohl noch länger in den Erinnerungen der Luzerner haften. Nicht wegen des Spiels selber, das blieb bis zum Schluss weitgehend friedlich. Nach dem Match jedoch entluden sich die Aggressionen zwischen den beiden Fanlagern entlang der Volta- und Eschenstrasse in einer äusserst heftigen und in diesem Ausmass für Luzern noch nie gesehenen Massenschlägerei (zentral+ berichtete). Das sorgte nicht nur im betroffenen Quartier für grossen Unmut. Auch die Politik schaltete sich ein.

Markige Forderungen

Konkret reichte die CVP einen Vorstoss mit dem strammen Titel «Null-Toleranz gegenüber Hooligans!» ein. Diesen Montag nun veröffentlichte der Luzerner Stadtrat auf zehn Seiten seine Antworten auf die 13 Forderungen. Eine Übersicht.

Zuerst betont der Stadtrat in seiner Antwort, dass gewaltbereite Fussballfans nur eine «sehr kleine Minderheit» darstellen. «Der Grossteil der Fans verhält sich friedlich.» Auch würde die Zusammenarbeit aller Beteiligten – FCL, Kanton, Polizei, Stadt, Fanarbeit, VBL – in der Regel gut funktionieren und habe sich etabliert.

«Eine Verkettung unglücklicher Umstände führte zu den negativen Vorkommnissen.»

Adrian Borgula, Stadtrat

«Das wussten wir nicht»

Dann aber räumt der Stadtrat ein, dass am besagten Pfingstmontag unter ebendiesen Beteiligten so einiges schiefgelaufen ist. Und er übernimmt indirekt sogar eine Mitverantwortung. Er schreibt: «Eine Verkettung unglücklicher Umstände, teils aufgrund suboptimaler Kommunikationsabläufe (inkl. einer technischen Kommunikationspanne) zwischen allen Beteiligten, führte zu den negativen Vorkommnissen.» Hintergrund seien «unvorhergesehene und ausserordentliche Begebenheiten», insbesondere der veränderte Besammlungsort der FCL-Fans wegen der feiertagsbedingten Schliessung des Fanlokals. Auch der Fanmarsch der FCZ-Fans sei überraschend zustande gekommen.

Zur Erinnerung: Das Fanlokal Zone 5 am Bundesplatz durfte an diesem Pfingstmontag nicht öffnen. Deshalb versammelten sich viele FCL-Fans bei bestem Wetter ausnahmsweise nicht beim Bundesplatz, sondern unter der Egg entlang der Reuss in der Altstadt. Vor dem Spiel marschierte die Gruppe dann unbewilligt via Seebrücke zum Stadion – und blockierte dabei kurz den Verkehr. Der Fehler der Behörden: «Wir wussten nicht, dass das Fanlokal an diesem Tag zu war», sagt Stadtrat Adrian Borgula, Vorsteher Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit. Entsprechend sei man davon überrascht worden. Hier sei es zu Fehlern in der Kommunikation gekommen. Was das genau für Fehler waren, wollten weder Borgula nach die Polizei genauer ausführen.

Polizei lotste Fanmärsche zusammen

Bezüglich FCZ-Fanmarsch war es so: Die Zürcher Supporter hätten eigentlich die bereitstehenden VBL-Busse zurück zum Bahnhof nehmen sollen. Die Polizei jedoch entschied sich aus Sicherheitsgründen, die FCZ-Fans zum Bahnhof marschieren zu lassen. Diese Entscheidung und ein weiterer Fehler der Einsatzkräfte ermöglichten dann die Massenschlägerei. So führte die Polizei die beiden Fanmärsche – auch die FCL-Anhänger wollten zurück in die Stadt marschieren – versehentlich fatal falsch. Denn genau als die Masse der Zürcher in die Voltastrasse einbog, kamen auch die FCL-Fans in die parallel gelegene, keine 30 Meter entfernt liegende Eschenstrasse. Und weil die Rivalitäten zwischen den beiden Fanlagern schon länger hochkochten, kam es dann auch prompt zum grossen Chlapf. Was hier im Detail bei der Polizeileitung alles schieflief, auch dazu wollten weder Borgula noch die Polizei Stellung nehmen.

«Ein Teil der Fans hat offensichtlich die Konfrontation gesucht und gleichzeitig gab es Probleme mit der Kommunikation.»

Adrian Borgula, Stadtrat

Borgula erklärt bloss: «Die Aufgabe aller Beteiligten ist es immer, Provokationen und Konfrontationen zwischen den Fans möglichst zu verhindern. Das hat vor und während des Spiels geklappt. Danach leider nicht mehr. Ein Teil der Fans hat offensichtlich die Konfrontation gesucht und gleichzeitig gab es Probleme in der Kommunikation.» Probleme heisst in diesem Fall Fehler. Offenbar hat die Polizei in der Hitze des Gefechts schlicht nicht realisiert, dass sie die beiden Fanlager gleich selbst zusammenführt.

Borgula versichert nun: «Der Zwischenfall wurde von allen Beteiligten einzeln und anschliessend gemeinsam intensiv und sehr kritisch aufgearbeitet. Die Lehren wurden gezogen. Verbesserungsmassnahmen sind in Umsetzung.» Dabei geht es laut dem Grünen Stadtrat nicht um grosse Änderungen, sondern hauptsächlich ums Feintuning.

Anbei die wichtigsten CVP-Forderungen.

1. Polizei im Fanblock? Risiko zu hoch

Die CVP verlangt in ihrem Vorstoss unter anderen, dass beim Abfackeln von Pyros und Übergriffen von Fangruppen im Stadion konsequent durchgegriffen werde. Sprich: Die Polizei soll in den Fanblock und die Täter rausholen. Dass dies in keinem einzigen Schweizer Fussballstadion geschieht, hat die CVP dabei nicht irritiert. Es hat laut Stadtrat aber einen guten Grund. «Erfahrungen aus dem Ausland zeigen auf, dass ein massives Einschreiten von Sicherheitskräften in den engen Fankurven zu einer Solidarisierung friedlicher Fans mit einem kleinen Teil der Gewaltbereiten führen kann.» Das könne zu noch mehr Tumulten mit zusätzlichen Verletzten führen. Dieses Risiko wolle man nicht eingehen.

Was die CVP auch ignoriert hat: In der Swissporarena kam es überhaupt noch nie zu grösseren Schlägereien, zwei, drei Mal ereigneten sich kurze Handgreiflichkeiten. Und obwohl im Stadion regelmässig und verbotenerweise superheisse Pyro-Fackeln gezündet werden, ist bislang kein einziger Fall von Verbrennungen bekannt. In anderen Stadien kam dies allerdings schon vor, wenn auch extrem selten.

Bezüglich Pyro-Fackeln ist der Stadtrat der Meinung, dass der FCL sämtliche geforderten Sicherheitsmassnahmen erfüllt. «Eine weitere Erhöhung der Sicherheitskontrollen hätte aber starke Einschränkungen aller Matchbesucher zur Folge und wäre finanziell kaum mehr tragbar beziehungsweise müsste über eine Erhöhung der Ticketpreise getragen werden», so Borgula.

Diese CVP-Forderung hätte folglich erstens kaum Auswirkungen auf das Hauptproblem – die gelegentlichen Auseinandersetzungen ausserhalb des Stadions – und wäre zweitens nur zu einem sehr hohen Preis realisierbar.

2. Nur noch Einzelbewilligung? Erfüllt

Weiter verlangt die CVP, dass für Hochrisikospiele nur noch Einzelbewilligungen erteilt werden. Aktuell ist es so, dass die Polizei dem FCL für die Vor- und Rückrunde je eine Rahmenbewilligung erteilt. Diese regelt alles Grundsätzliche. Vor jedem Spiel machen dann Polizei und FCL eine Risikoeinstufung und legen die definitiven Auflagen fest. Diese kommen laut Borgula einer Einzelbewilligung gleich.

Diese CVP-Forderung ist also bereits erfüllt.

3. Fanlokal verschieben? Stadt ist dran

Weiter verlangt die CVP, dass das Fanlokal an einen Ort verlegt wird, der nicht wie bis anhin direkt an der Route der Gästefans liegt – und es deshalb am Bundesplatz immer mal wieder zu brenzligen Situationen oder gar Ausschreitungen kommt.

Hier verweist der Stadtrat auf die Verbesserungen, die dank des Fanlokals erreicht wurden. Denn vor dessen Eröffnung im Herbst 2008 hielten sich viele Fans direkt beim Bahnhof auf, etwa bei der Bar Roadhouse. «Dies erschwerte die Arbeit der Polizei beim Empfang der Gästefans auf dem Perron 3 und beim Umsteigen auf die Busse an der Zentralstrasse.» Mit dem Fanlokal habe sich die Situation verbessert. Allerdings ist nicht wegzureden, dass ein anderer Standort noch besser wäre. Diesbezüglich stehen die Verantwortlichen eh unter Druck. Denn die private Eigentümerin des Fanlokals hat den Vertrag per Oktober 2016 gekündigt. Eventuell aber könnte dann der Vertrag laut Stadtrat doch noch verlängert werden.

Borgula versichert, dass die Stadt mithelfe, einen neuen Standort zu suchen. Er dämpft aber zu hohe Erwarungen: «Das ist keine einfache Aufgabe. Wir schauen nun auf zwei Schienen, wie sich die Situation verbessern liesse. Mehr kann ich dazu auch aus verhandlungstaktischen Gründen nicht sagen.»

An dieser Forderung der CVP wird also bereits seit Längerem gearbeitet. Sie umzusetzen, ist aber schwierig, weil sich die wenigsten Vermieter ausgerechnet ein Fanlokal wünschen.

4. Geld für Fanarbeit streichen? Kontraproduktiv

Auch fordert die CVP, bei weiteren Ausschreitungen die städtischen Beiträge an die Fanarbeit komplett zu streichen. Bis 2011 zahlt die Stadt jährlich 65’000 Franken ans Budget der Fanarbeit, welches 160’000 Franken ausmacht. Danach wurde dieser Betrag aus Spargründen auf 20’000 Franken gekürzt.

«Stadt und Kanton Luzern, Polizei sowie der FCL sind vom hohen Nutzen der Fanarbeit überzeugt.»

Adrian Borgula, Stadtrat

Aktuell finanziert sich die Fanarbeit aus Beiträgen des Kantons (50’000 Franken), des FCL (65’000 Franken) und eben der Stadt. Hinzu kommen kleinere Beiträge von anderen Kantonen und Gemeinden. Die Luzerner Fanarbeiter teilen 110 Stellenprozent. Doch weiteres Sparen auf dem Buckel der Fanarbeit kommt für Borgula nicht infrage. Die Fanarbeit leiste mit «relativ bescheidenem Aufwand einen grossen Anteil zu friedlichen Fussballspielen. Stadt und Kanton Luzern, Polizei sowie der FCL sind vom hohen Nutzen der Fanarbeit überzeugt». Dass die Situation mit weniger Fanarbeit also nicht besser, sondern eher schlimmer würde, scheint die CVP anders zu beurteilen.

Dieser Forderung der CVP will der Stadtrat also nicht nachkommen, weil sie kontraproduktiv wäre.

5. FCL soll mehr zahlen? Muss er eh

Weiter möchte die CVP den FCL für die öffentlichen Sicherheitskosten stärker zur Kasse bitten. Diese Kosten betragen aktuell pro Jahr mindestens 1,5 Millionen Franken. Genaue Zahlen hält der Kanton, der dafür zuständig ist, unverständlicherweise unter dem Deckel. Klar ist: Der FCL beteiligt sich daran mit gut einer halben Million jährlich. Doch das ändert sich schon bald: Kanton und FCL befinden sich in der Endphase der Verhandlungen über einen höheren Beitrag. So will es der Kantonsrat.

Neu muss der FCL damit rechnen, etwa 800’000 Franken an die Polizeikosten zu berappen. Das würde nach Abzug der 3’600 Gratis-Polizeistunden (Wert: ca. 430’000 Franken) pro Jahr noch etwa 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Zusätzlich zu diesen Kosten muss der FCL jährlich rund 800’000 Franken für die Sicherheit im Stadion aufwenden. Damit liegt der Verein schon weit über dem schweizerischen Durchschnitt.

Diese Forderung der CVP ist folglich längst in Umsetzung.

6. Internetpranger? Verbietet das Gesetz

Weiter möchte die CVP einen Internetpranger einführen. Wer ein Stadionverbot habe, dessen Name soll zur Abschreckung veröffentlicht werden. Doch damit würden die Verantwortlichen laut Stadtrat wenig überraschend gegen die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Datenschutz verstossen. Auch die Persönlichkeitsrechte würden verletzt.

Diese Forderung der CVP ist folglich aus gesetzlichen Gründen nicht umsetzbar.

Kurven-Sperrung? Fanperron? Meldepflicht?

Ein paar weitere der CVP-Forderungen im Schnelldurchlauf:

7. Keine Zulassung von Gästefangruppen ins FCL-Stadion bei Hochrisikospielen (untauglich, weil die Sicherheitskosten ausserhalb des Stadions dann massiv steigen würden und weil die Gästefans dann einfach in andere Sektoren ausweichen könnten).

8. Sperrung der FCL-Fankurve als Strafe für auswärtige Ausschreitungen (untauglich, weil diese Kollektivstrafe die ganzen 3’000 Stehplatzfans treffen würde und diese Fans dann in andere Sektoren wechseln könnten).

9. Schaffung eines Fanperrons beim Güterbahnhof (nicht realisierbar, weil viel zu teuer, die Stadt prüft laut Borgula aber Verbesserungen an der Zentralstrasse).

10. Sicherheitskontrollen in den Extrazügen der FCL-Fans (unnötig, weil dort bereits Transportpolizisten und Fanarbeiter vor Ort sind).

11. Flächendeckende ID-Kontrollen und Umsetzung der Meldepflicht für Hooligans (an der Meldepflicht arbeitet die Luzerner Polizei bereits, und zwar auf nationaler Ebene mit der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektion).

Fazit: Die Vorschläge der CVP sind fast allesamt nicht realisierbar, bereits in der Realisierungsphase oder schlicht untauglich. Offensichtlich ist die Situation komplizierter, als es sich die Politiker verständlicherweise gerne wünschten. Dafür hat die Öffentlichkeit aber immerhin mal wieder einen Überblick über all die möglichen und unmöglichen Massnahmen, die im Kampf gegen Ausschreitungen an Fussballspielen regelmässig wieder ins Spiel gebracht werden.

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