Neuer Präsident der Fanarbeit Luzern

«Ohne Fanarbeit kämen riesige Probleme auf uns zu»

Herbert Willmann vor dem FCL-Fanlokal Zone 5 am Bundesplatz in Luzern. (Bild: lwo)

Er ist 66-Jährig, will es aber noch mal wissen: Herbert Willmann präsidiert neu die Fanarbeit Luzern. Wie er mit den jungen Wilden umgehen will, was ihn antreibt, wie er zur Gewaltproblematik steht – das alles lesen Sie hier. Plus: Willmanns Vorgänger Jörg Häfeli zieht eine spannende Bilanz.

Herbert Willmann (66) heisst der neue Präsident des Vereins Fanarbeit Luzern. Er tritt die Nachfolge von Jörg Häfeli an, der den Verein während acht Jahren präsidiert hat. Willmann wird sich laut Mitteilung des Vereins insbesondere bei der strategischen Führung des Trägervereins und im Netzwerk mit den Partnerorganisationen engagieren. «Er unterstützt die Leitung Fanarbeit bei ihren Zielen und Anliegen. Insbesondere will er einen Beitrag leisten zur Stärkung der gewaltfreien Fankultur und zur Verminderung von Immissionen in den Quartieren», schreibt der Verein weiter.

Unterwegs mit den Allmend-Pilgern

Willmann ist ein ausgewiesener Präventionsexperte. Der ehemalige Sekundarlehrer arbeitete in der Geschäftsleitung von Akzent Prävention und Suchttherapie. Nun ist er pensioniert. Er wohnt in Luzern, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Er war kulturell engagiert in der Werkstatt für Theater und als Präsident der IG Kultur. Willmann schaut sich regelmässig die Spiele des FCL an, zusammen mit sieben «Allmend-Pilgern», wie sie sich nennen. Darunter befinden sich auch zwei alt Stadträte: Kurt Bieder und Ruedi Meier.

Gewählt wurde Willmann bereits am 27. Mai. Um ihm eine sorgfältige Einarbeitungszeit zu ermöglichen, hat der Verein Fanarbeit erst diese Woche über Willmanns Ernennung informiert.

«Als ich angefragt wurde, habe ich gefragt: Habt Ihr keinen Jüngeren?»

zentral+: Herbert Willmann, Sie sind 66 – warum wagen Sie sich jetzt noch an einen Job, wo Sie hauptsächlich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun haben?

Willmann: Ich habe mir diese Frage natürlich auch gut und sehr lange überlegt, als ich von Jörg Häfeli angefragt wurde. Ich hab gefragt: Habt Ihr keinen Jüngeren? Aber ihnen waren meine Erfahrung, meine Ruhe und meine Gelassenheit wichtiger als mein Alter. Ich fühle mich fit und bin nach wie vor voller Tatendrang.

Ich bin in meiner Funktion ja nicht operativ tätig, sondern strategisch. Zudem kenne ich einige Leute rund um die Fanarbeit schon länger. Etwa Christian Wandeler, den Leiter der Fanarbeit Luzern,  oder Maurice Illi, den Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, der auch im Vorstand der Fanarbeit Luzern ist.

«Ohne Fanarbeit würden sich gewisse Fans radikalisieren, was ein grösseres Polizeiaufgebot nötig machen würde.»

zentral+: Was ist Ihre Motivation?

Willmann: Ich bin überzeugt, dass es die Fanarbeit Luzern braucht und dass sie einen sehr wichtigen Beitrag für eine friedliche Fankultur leistet. Ohne Fanarbeit kämte eine riesige Problemwelle auf uns zu und gewisse Fans würden sich radikalisieren, was ein grösseres Polizeiaufgebot nötig machen würde. Erste Begegnungen mit den Fans sind positiv verlaufen. Wobei mir bewusst ist, dass die mich vermutlich nicht sehr interessant finden (lacht). Aber ich werde in der nächsten Zeit sicher mal in einem Extrazug mitfahren.

zentral+: Was meinen Sie mit Problemwelle?

Willmann: Die Fanarbeit Luzern ist heute dank ihrer hervorragenden Vernetzung mit allen Partnern – Kanton, Stadt, Polizei, VBL, FCL – ein wichtiger Vermittler. Sie hat einen guten Draht zu den Fans und hat in dieser Funktion schon viel erreicht. Die drei Fanarbeiter setzen Leitplanken, initiieren Diskussionen, dienen als Vorbilder und tragen so massgeblich dazu bei, dass Gewalt verhindert wird. Zudem ist es auch ihr Verdienst, dass der Fantreffpunkt Zone 5 am Bundesplatz realisiert werden konnte und dass das Verhalten der Fans in den Extrazügen von den SBB als gut bewertet wird.

«Die Fanarbeiter sind keine Vorgesetzte, die einfach sagen können: Jetzt machen wir es so und so und wer nicht folgt, fliegt raus.»

zentral+: Was sagen Sie den Kritikern, die behaupten, die Fanarbeit sei überflüssig, weil der gewaltbereite Kern von Fussballfans nicht auf sie höre?

Willmann: Hier existiert ein grosses Missverständnis. Die Fanarbeiter sind keine Vorgesetzte, die einfach sagen können: Jetzt machen wir es so und so und wer nicht folgt, fliegt raus. Die Fanarbeiter versuchen in einem andauernden und sich immer wieder erneuernden Prozess, das Vertrauen der Fans zu gewinnen, Strukturen und Abläufe zu entwickeln, mit allen Gruppen ins Gespräch zu kommen, ihnen die Konsequenzen ihres Verhaltens aufzeigen, an Selbstverantwortung appellieren, Grenzen aufzuzeigen. Aber es ist illusorisch zu glauben, dass sie 300 bis 400 Jugendliche und junge Erwachsene herumkommandieren können.

zentral+: Sie wohnen selber an der Moossmattrasse, wo jeweils die Fans entlang marschieren oder von den VBL-Bussen gefahren werden. Einige Anwohner haben die Nase voll von den Ausschreitungen, die gelegentlich passieren, wie kürzlich gegen den FCZ. Wie erleben Sie die Situation?

Willmann: Ich verstehe den Unmut sehr gut und habe schon mit vielen Anwohnern darüber gesprochen. Ruhigere Quartiere sind mir ein grosses Anliegen. Sehr gut fand ich in diesem Zusammenhang den Infoanlass für Anwohner von der Stadt, dem Kanton, der Polizei und dem FCL. Künftig sollen die Anwohner besser informiert werden. Gut wäre auch, wenn man für die Gästefans eine andere Anfahrtsroute wählen könnte. Doch das scheint sehr schwierig zu sein.

zentral+: Wie beurteilen Sie Pyros und die Gewaltproblematik unter den FCL-Fans?

Willmann: Betreffend Pyros muss ich mich zuerst noch besser ins Bild setzen. Von aussen betrachtet finde ich: Feuer übt erwiesenermassen für viele eine grosse Faszination aus. Das sieht man ja auch am 1. August. Tatsache aber ist, dass Pyros verboten sind. Mich dünkt es, dass die Bevölkerung das Thema etwas überbewertet. Aber einige unter den Fans unterschätzen zweifellos auch die Gefährlichkeit dieser Fackeln.

«Gewalt mit Luzerner Beteiligung hat nicht zugenommen.»

Betreffend Gewalt stelle ich schweizweit sicher keine Abnahme fest. Aber Gewalt mit Luzerner Beteiligung hat nicht zugenommen. Zudem halte ich das nicht für ein neues Phänomen. Ich will, dass sich Familien weiterhin und zu Recht ohne Angst an einen Fussballmatch auf die Allmend trauen.

zentral+: Sie haben zwei Söhne, 14- und 18-jährig. Sind sie auch FCL-Fans?

Willmann: Der ältere schon. Er engagiert sich neu sogar im Projekt Ragazzi der Fanarbeit Luzern, wo er mit 10- bis 16-jährigen FCL-Fans arbeitet!

Herbert Willmann vor dem FCL-Fanokal am Bundesplatz.

Herbert Willmann vor dem FCL-Fanokal am Bundesplatz.

(Bild: lwo)

zentral+: Zum Schluss wollen wir noch kurz Ihr FCL-Wissen testen. Dazu drei Fragen:

1. Haben Sie das Neuste über den FCL-Stürmer Schneuwly gehört (Interview erfolgte am Donnerstagnachmittag um 17 Uhr. Kurz davor hat der FCL bekannt gegeben, dass Schneuwly seinen Vertrag beim FCL verlängert).

Willmann: (lächelt erleichtert) Ja, er hat seinen Vertrag bis 2018 verlängert. Das freut mich sehr.

2. Welchen Platz belegt der FCL aktuell in der Tabelle?

Willmann: (überlegt nur kurz) Dritter, erfreulicherweise.

3. Was bedeutet die Abkürzung USL?

Willmann: (ohne zu Zögern): United Supporters Luzern. Das ist ein Dachverband für FCL-Fans.

zentral+: Applaus, Applaus! Drei von drei Punkten, alles richtig. Wir gratulieren und wünschen viel Erfolg.

«Justiz muss härter durchgreifen»

Jörg Häfeli (60) war vor Willmann acht Jahre lang Präsident des Vereins Fanarbeit Luzern. Wie lautet seine Bilanz? «Die Fanarbeit hat sich sehr gut etabliert. Die Arbeit hat sich gelohnt», sagt Häfeli, der an der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern für die Ausbildung von Sozialarbeitern zuständig ist.

Jörg Häfeli (Bild: zVg).

Jörg Häfeli (Bild: zVg).

Heute sei die Fanarbeit ein unverzichtbarer Bestandteil geworden. «Die Fanarbeit ist das Bindeglied, die Übersetzungshilfe zwischen den jungen Fans und den Offiziellen, den Behörden.» Das ist wichtig, sagt Häfeli, weil die Fankultur der Jungen aneckt und in der Gesellschaft teils auf wenig Verständnis stösst. Komplett werde sich das aber wohl nie ändern. «Denn es ist Bestandteil dieser Kultur, dass sie sich nicht erklärt. Sie will sich nicht rechtfertigen, und sie provoziert auch gerne mal.»

«Ich verstehe, dass man das nicht verstehen kann»

Beim Thema Gewalt dämpft Häfeli Hoffnungen, dass diese jemals ganz verschwindet.  «Man muss damit leben, es gehört dazu», sagt Häfeli und fügt an: «Ich verstehe, dass man das nicht verstehen kann.» Laut Häfeli liegt es ein Stück weit in den Genen der Fankultur, dass es auch mal ausarten kann. «Fussball vereint viele junge Menschen, die Grenzen ausloten wollen.» Dieses Phänomen sei nicht neu. «In den 80er-Jahren etwa gab es an bestimmten Fussballspielen massive Probleme mit Hooligans.» Und an Konzerten sei es sehr regelmässig zu Schlägereien gekommen, was heute aber nicht mehr der Fall sei.

Konsequent bestrafen

Von neuen repressiven Massnahmen hält Häfeli nichts. «Die haben eher zu einer Radikalisierung der Szene geführt.» Wichtig sei es jedoch, die Gewalttäter konsequent zu verfolgen und zu bestrafen. Das wirke, und das sei auch mit den bestehenden Gesetzen möglich. «Früher hat man hier zu oft einfach weggeschaut. Heute greift die Justiz härter durch – das wiederum ist für mich die einzig positive Auswirkung des Hooligankonkordats.»

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