«Niemand wird gezwungen, an Ausschreitungen teilzunehmen»
Erstmals seit ihrem Amtsantritt äussert sich Ylfete Fanaj, SP-Regierungsrätin und Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern, zur Fangewalt rund um die Heimspiele des FC Luzern. Der Kanton will mit einer neuen Vereinbarung den FCL noch stärker in die Pflicht nehmen.
«Als ich im Sommer angetreten bin, herrschte in Luzern in Sachen Fangewalt eine äusserst aufgeheizte Stimmung», blickt Ylfete Fanaj am Montagmorgen an ihrer Pressekonferenz auf ihre ersten Tage im Amt zurück. Dennoch wies sie diverse Interviewanfragen zum Thema zurück. Weil sie sich erst ein eigenes Bild habe machen wollen.
Es folgten Einzelgespräche mit allen Akteuren. Also mit der Stadt, der Polizei, den involvierten Transportunternehmen, auch den VBL, dem FCL, der Fanarbeit und den Fans. Schliesslich reaktivierte Fanaj den runden Tisch, der unter ihrem Vorgänger Paul Winiker ausgesetzt worden war. Dort führte Fanaj all diese Akteure zusammen – und stellte eine simple Forderung.
Beruhigung der Situation
«Jetzt machen alle mal einen Schritt zurück», habe sie den Anwesenden gesagt. Ihr Ziel: eine Beruhigung der emotionsgeladenen Situation. Ihr Plädoyer kam an. Denn die laufende Saison gestaltete sich sicherheitstechnisch deutlich unaufgeregter als die vorangehende, wo die Gewaltexzesse im Mai 2023 rund um das FCL-Heimspiel gegen St. Gallen ihren Höhepunkt fanden (zentralplus berichtete).
Fanaj etablierte einen Dialog auf Augenhöhe, der auch in Fankreisen gut ankam, wie Szenenkennerinnen bestätigen. Der runde Tisch fand seit ihrem Amtsantritt ganze dreimal statt. Künftig will Fanaj diesen jedes Halbjahr einberufen. Das gemeinsam beschlossene und von allen Akteuren verabschiedete Ziel: sichere Fussballspiele in Luzern.
«Fangewalt ist ein gesellschaftliches Problem»
Die Lorbeeren für die Beruhigung der Lage in Luzern möchte Fanaj nicht für sich alleine beanspruchen. Der Dialog und die Bereitschaft aller Akteure, Verantwortung zu übernehmen, habe sicherlich dazu beigetragen, meint sie. «Doch wir hatten auch ein wenig Glück.»
Die Forderungen aus der Bevölkerung gehen ohnehin regelmässig weiter: Mit einer blossen Beruhigung der Lage werden sich viele Luzerner nicht zufriedengeben. Dass Fanaj die Fangewalt für nicht gänzlich eliminierbar erklärt, dürfte bei ihnen schlecht ankommen.
«Niemand wird gezwungen, an Ausschreitungen teilzunehmen.»
Regierungsrätin Ylfete Fanaj
«Es wäre illusorisch, zu glauben, dass wir das Problem vollständig in den Griff bekommen können», sagt die Regierungsrätin dennoch. Denn Fangewalt sei ein gesellschaftliches Problem – und werde es im Fussball immer geben.
Regierungsrat unterstützt Kaskadenmodell
Stellung nahm Ylfete Fanaj auch zu nationalen Bemühungen zur Eindämmung der Fangewalt. Im Frühling 2023 lancierte die Swiss Football League (SFL) in Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden und Polizeivertreterinnen neue Massnahmen. Nebst präventiven Ansätzen, die gemäss Fanaj in Luzern bereits umgesetzt werden, setzt die Kantonale Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) seither vermehrt auf Repression. Etwa in Form von Kollektivstrafen wie der Sperrung von Gästesektoren.
Hinter dem sogenannten Kaskadenmodell, das bei «gravierenden Vorfällen» Kollektivstrafen vorsieht, stehe sie und die Luzerner Regierung, versichert Fanaj. Trotz Kritik seitens Fanarbeit Luzern und Fangewaltexperten. Bezweifelt wird sowohl die Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit der Massnahmen als auch die Unvorhersehbarkeit der Konsequenzen und die Definition des Begriffs «gravierend» (zentralplus berichtete).
Klarere Regeln für Fans
Darauf angesprochen erklärt Fanaj: «Niemand wird gezwungen, an Ausschreitungen teilzunehmen.» Entsprechend hätten gewalttätige Fans mit Konsequenzen zu rechnen. Zudem sei beim Heimspiel gegen St. Gallen Anfang Februar alles ruhig verlaufen – was für die Wirksamkeit der Gästesektorsperre spreche.
Doch auch Fanaj befürwortet «klare Regeln und klare Konsequenzen», auf die man sich verlassen kann. Die KKJPD gedenkt denn auch, diesen Missstand mit der Institutionalisierung der seit bald einem Jahr übergangsmässig eingeführten Massnahmen zu beheben. Im Frühling sollen das neue Kaskadenmodell und die präventiven Ansätze der Öffentlichkeit kommuniziert, ab nächster Saison dann umgesetzt werden.
Luzern agiert präventiver als die KKJPD
Das von Fans, Fanarbeiten und Fussballvereinen viel kritisierte und gemäss Insidern auch bei der SFL unliebsame Kaskadenmodell unterstützt die Luzerner Regierung zwar. Doch möchte sie verhindern, dass regelmässig Kollektivstrafen gegen die FCL-Fans ausgesprochen werden. «Wir wollen das Geschehen in Luzern so weit wie möglich selbst beeinflussen», erklärt Fanaj. So soll es gar nicht erst zu diesen «gravierenden Vorfällen» kommen.
«Wir haben die Vereinbarung mit dem FCL per Ende Jahr gekündigt.»
Regierungsrätin Ylfete Fanaj
Darum setze die Regierung auf den sogenannten Luzerner Weg, der seit einigen Jahren beschritten wird. Der Dialog zwischen Fanarbeit und Polizei, zwischen dem FC Luzern und den Behörden, werde bereits sehr intensiv geführt – und komme den nationalen präventiven Massnahmen zuvor. Etwa in Form der Cluballianz, die für jeden Spieltag eine intensive Vor- und Nachbesprechung der beteiligten Akteure vorsieht.
Damit entspricht der «Luzerner Weg» einer Forderung der grünen Kantonsrätin Rahel Estermann (zentralplus berichtete).
Polizei rüstet auf
Doch nebst präventiven Ansätzen setzt auch die Luzerner Regierung auf Repression. So soll die Einzeltäterverfolgung verstärkt werden. Zu diesem Zweck wurde eine zusätzlich im Einsatz stehende Spezialeinheit geschaffen und mit Schutzausrüstung ausgestattet, um rund um FCL-Heimspiele Einzeltäter gezielter und agiler verfolgen zu können.
Weiter setze die Luzerner Polizei seit Jahren auf sogenannte Spotter. Sie seien nahe an der Szene dran, gut vernetzt und ausgebildet, um deeskalierend agieren zu können.
Vereinbarung mit FCL gekündigt
Doch damit nicht genug: Auch Massnahmen wie etwa der über zwei Meter hohe, mobile Zaun, der vor der Zone 5 die Fanlager trennen soll, ist seit Oktober im Einsatz – und trage zur Verhinderung von Ausschreitungen bei, ist Ylfete Fanaj überzeugt.
Die Kosten für den Zaun trägt der FCL. Mit diesem hat der Kanton Luzern vor neun Jahren eine Vereinbarung getroffen, worin unter anderem geregelt ist, dass der Verein für einen Grossteil der Sicherheitskosten aufkommen muss. «Die Vereinbarung haben wir per Ende Jahr gekündigt», sagt Fanaj.
Momentan werde sie neu verhandelt. Zwar funktioniere die Zusammenarbeit mit dem FCL bereits sehr gut. Doch will Fanaj ihn künftig noch stärker in die Pflicht nehmen. Auch eine Umpositionierung und Vergrösserung des Gästesektors steht dabei zur Debatte.
- Medienkonferenz der Luzerner Regierungsrätin Ylfete Fanaj
- Medienmitteilung des Kantons Luzern
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Hegard, 28.02.2024, 09:31 Uhr Ich bin absolut gegen Fangewalt. Aber auch gegen Kollektivstrafen! Friedliche Fans haben nichts dafür, dass ein paar Rowdis Radau machen. Sind nicht in der Schweiz Kollektivstrafen verboten? Mehr Verhaftungen ist der einzig richtige Weg, um die Agressoren zur Verantwortung zu nehmen. Nur so gibts Frieden bei solchen Anlässen.
👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runterHanspeter Flueckiger, 28.02.2024, 15:18 Uhr Die ganze Kurve inkl. Fanarbeit und Verein stehen in der Verantwortung, weil diese nämlich jeden einzelnen dieser Chaoten kennt und somit deckt. Hört endlich damit auf, uns allen irgendwelchen Schwachsinn zu erzählen. Kollektivstrafen bis hin zu Punkteabzug, Geisterspiele etc. müssen verstärkt angewandt werden. Nur so, kann man die Vereine etc. zur Räson bringen. Lasse mich wirklich nicht gerne verarschen.
👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runterHegard, 28.02.2024, 18:45 Uhr warum gibts Gesetze,weil imner wieder vereinzelte Leandertaler übertreiben und alle anderen darunter Leiden!Ganz einfach,diese Urgetüme Neutraliesieren und Ruhe ist!
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Rene Gruber, 27.02.2024, 10:46 Uhr "«Niemand wird gezwungen, an Ausschreitungen teilzunehmen.» Entsprechend hätten gewalttätige Fans mit Konsequenzen zu rechnen. "
Korrekt niemand wird gezwungen an den Ausschreitungen teil zunehmen, aber trotzdem kann man danach von einer Kolektivstrafe betroffen sein! Es haben eben nicht nur gewalttätige Fans mit Konsequenzen zu rechnen, sondern gerade eben auch die anständigen welche sich korrekt verhalten haben. Diese verlieren ihr Recht das Spiel, für welches sie mit dem Kauf der Saisonkarte bezahlt haben, zu besuchen.
👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔1Nachdenklich👎4Daumen runterReto, 27.02.2024, 15:49 Uhr Dann verpfeift doch die randalierenden Fans. Man kennt sich ja in der Fan-Szene. Somit können dann nur die Schuldigen bestraft werden. Aber leider werden die Täter ja geschützt.
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Kritischer Blick, 27.02.2024, 08:27 Uhr An die Redaktion: Gestern hatte der Beitrag noch einen anderen Titel. Warum wurde der Titel des Beitrages verändert?
👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔4Nachdenklich👎2Daumen runterRedaktion zentralplus, 27.02.2024, 08:50 Uhr Wenn wir der Meinung sind, dass ein anderer Titel besser passt, passen wir diesen an. Dies ist branchenüblich.
Sie erkennen Veränderungen des Artikels anhand des Zeitstempels unterhalb des Titels, massgebliche inhaltliche Anpassungen nach einer Veröffentlichung werden jeweils am Ende des Artikels ausgewiesen.👍4Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎4Daumen runter
Kasimir Pfyffer, 26.02.2024, 17:04 Uhr Danke, Frau Fanaj, dass Sie das Problem ernst nehmen und auch gewillt sind, eine Lösung zu finden! Vom Chief Apéro Officer a. D. würde man das nicht behaupten.
👍12Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎3Daumen runterFranz, 26.02.2024, 15:39 Uhr "Denn Fangewalt sei ein gesellschaftliches Problem – und werde es im Fussball immer geben." Wenn das zutrifft, ist es eine Bankrotterklärung aller Akteure. Was jedoch stimmt: Fangewalt hat es nicht immer gegeben.
👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎10Daumen runterFussball Chaot Knorrli, 26.02.2024, 23:05 Uhr Ja weil es in der Steinzeit vielleicht keine Sportveranstaltungen gab.
Hornussen wurde mal von der Kirche Verboten wegen Schlägereien.👍7Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎5Daumen runter
Kritischer Blick, 26.02.2024, 13:40 Uhr Endlich wird diese einseitige Vereinbarung gekündigt und hoffentlich bei der neuen Vereinbarung klar nach dem Verursacherprinzip gehandelt.
👍12Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎4Daumen runterschaltjahr, 26.02.2024, 12:33 Uhr Da wird beim FCL das grosse Heulen und Zähneklappern einsetzen. Nachdem sie den Vorgänger von Frau Fanaj locker um den Finger wickeln konnten, wird nun die Verantwortung für das himmeltraurige Auftreten der FCL Chaoten neu verteilt. Soll der Verein die Kosten tragen und die Allgemeinheit nicht mehr Opfer und Bezahler der Riesenschäden sein … Gutes Gelingen !
👍14Gefällt mir👏1Applaus🤔1Nachdenklich👎8Daumen runterRolf Winkler, 26.02.2024, 14:11 Uhr Himmeltrauriges Auftreten der FCL Chaoten??? Himmeltraurig ist ihre unqualifizierte Aussage hinter einem Pseudonym…mit richtigem Namen scheinen Sie sich nicht zu getrauen zu kommentieren….wann war denn das letzte Mal ein Vorfall mit den FCL-Fans? Hhmm stimmt als sie in St. Gallen Pommes frites herumwarfen…letztes Jahr….
👍6Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎12Daumen runterLibero, 26.02.2024, 15:27 Uhr Ist es nicht brandgefährlich bei jedem Spiel
im Stadion mit den Pyros- und Rauchpetarden,
die regelmässig zu Spielunterbüchen führen?
Bravo und herzlichen Dank Frau Fanaj,
das 100% Verursacherprinzip bei den Kosten ist überfällig!👍8Gefällt mir👏1Applaus🤔1Nachdenklich👎5Daumen runterLusti, 26.02.2024, 22:18 Uhr @Libero bitte zuerst informieren. Es gibt es ein Bundesgerichtsurteil, dass die Kosten maximal zu 80% einem Veranstalter belastet werdedürfen. Diese Zahlt der FCL auch. Wenn es eine Ruhige Saison gibt ohne 1!!! Zwischenfall, bekommt der FCL etwas zurück. Neben den 80% die der FCL bezahlt, kommt noch die Billettsteuer in der Höhe von 10%. Die Absperrgitter am Bundesplatz zum Beispiel werden auch vom FCL finanziert.
👍4Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎4Daumen runterLibero, 27.02.2024, 12:42 Uhr Pyros sind ganz klar gesetzlich verboten!
Sie sind wohl der Anwalt dieser Beschwerdeführer im erwähnten Urteil:
Verfahrensbeteiligte
1. Demokratische Juristinnen und Juristen Luzern,
2. JungsozialistInnen des Kantons Luzern,
3. Sozialdemokratische Partei des Kantons Luzern,
4. Grüne Partei des Kantons Luzern,
5. Luzerner Gewerkschaftsbund,
6. Junge Grüne Kanton Luzern, und weiteren
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Advokat Alain Joset,👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
Hegard, 28.02.2024, 09:46 Uhr ich hoffe auf das Private Feuerwerks Verbot!
Dann wirds hoffenlich wenig feige Phyros Werfer mehr geben!!👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎1Daumen runter
schaltjahr, 26.02.2024, 17:21 Uhr Bei praktisch jedem Spiel sind die sogenannten Anhänger des FCL ( Ich gehe davon aus dass, auch Sie zum Fanhaufen gehören .. ) aktiv und verbreiten Angst und Schrecken. Dazu kommen die unzähligen Sachbeschädigungen und Schmierereien im ganzen Kanton. Jahrelang wurden diese Aktionen nicht verfolgt und durch den damals zuständigen Regierungsrat wohlwollend geduldet .. Nun wird hoffentlich bald Schluss sein ..
👍3Gefällt mir👏4Applaus🤔0Nachdenklich👎7Daumen runterLusti, 26.02.2024, 22:26 Uhr FCL Fans verbreiten Angst und Schrecken? Schade sind die nie an einem Marsch von der Zone zum Stadion dabei. Dann würden sie sehen wie sich die Kinder in der Neustadt regelrecht auf die Fans freuen. Zumal der Zuschaueranstieg jetzt auch nicht gerade ihre Theorie unterstütz.
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