Erleichterung bei den Betroffenen

Schule Finstersee: Das Herz des Dorfes darf weiterschlagen

Andrea und Mirjam Blättler haben sich ins Sennenhemd geworfen. Dies nicht unbedingt wegen der frohen Kunde. Sie haben später noch einen Jodel-Auftritt.

(Bild: wia)

Die Bevölkerung von Finstersee atmet auf. Wie am Sonntag bekannt wurde, darf der Weiler seinen Schulbetrieb weiterhin aufrecht erhalten. Die Erleichterung bei den Einwohnern ist riesig. Doch auch der Gemeinderat ist froh, dass mit der Abstimmung vom Sonntag eine siebenjährige Debatte ein Ende nimmt.

Die Tische in der «LuegidBar» sind bereits gedeckt, nur fehlen noch die Gäste. Die Ausgangslage ist jedoch eine spezielle. Denn bis kurz vor 13 Uhr an diesem Sonntag wissen die Organisatoren des Vereins «Finstersee.ch» nicht, ob ihr geplantes Fest ein trauriges oder ein freudiges wird. Dann plötzlich ertönt ein Klingelton: Das erlösende SMS ist eingetroffen. Der Entscheid, ob die Schule Finstersee bestehen bleibt oder nicht, fällt deutlich aus. Nur 703 Menzinger stimmen Ja, 1332 sagen Nein zur Aufhebung. Die Schule ist gerettet (zentralplus berichtete).

Corinne Kramer, Mutter dreier Kinder und Betreiberin der Bar, ist glücklich. «Diese Abstimmung ist das Beste, was uns passieren konnte. Denn nun herrscht endlich Klarheit. Ganz abgesehen davon, wie das Resultat lautet.» Doch sei es schön zu wissen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung von Edlibach und Menzingen hinter dem Weiler stehe. «Ich freue mich, dass es den Leuten offenbar nicht nur ums Geld, sondern auch um Menschlichkeit und Vernunft geht.»

Auch Claudia Schärli, die im Dorf lebt und Mutter dreier Kinder ist, zeigt sich erleichtert: «Meine Tochter hat mich immer wieder gefragt, wo sie denn nun zur Schule gehen würde. Nun kann ich ihr endlich eine Antwort darauf geben. Sie darf ganze vier Jahre hier zur Schule gehen.»

«Und?»

Mit rund 67 Prozent war die Stimmbeteiligung aussergewöhnlich hoch. Ein Zeichen dafür, dass das Thema ein wichtiges sei. «Auch wenn die hohe Beteiligung bestimmt auch damit zu tun hat, dass heute auch über NoBillag abgestimmt wurde», so Kramer.

Corinne Kramer (l.) und Claudia Schärli freuen sich ungemein über das Abstimmungsergebnis. Kein Wunder, haben sie doch viel Energie in die Angelegenheit investiert.

Corinne Kramer (l.) und Claudia Schärli freuen sich ungemein über das Abstimmungsergebnis. Kein Wunder, haben sie doch viel Energie in die Angelegenheit investiert.

(Bild: wia)

Noch ist der Saal ziemlich leer. Ein älterer Herr betritt den Saal, fragt: «Und?» Die Antwort kommt in Form eines Jauchzers. Etwas später betritt eine Familie den Raum, auch sie jubelnd. Es handelt sich um Brigitte Blättler mit ihrem Mann und deren zwei Kinder. Auch sie hat sich stark gemacht für den Erhalt der Schule, denn als Finsterseeerin mit zwei Kindern im Primarschulalter ist auch sie direkt betroffen vom Entscheid. «Müsste meine jüngere Tochter nach Menzingen in die Schule, wäre das eine grosse Umstellung und ziemlich stressig für sie», sagt Blättler.

«Als ich vom Resultat vernahm, war ich richtig stolz auf dieses Dorf und darauf, Teil davon zu sein.»

Kristin Eames, seit drei Jahren Edlibacherin

Und dann kommen sie plötzlich zahlreich, die Gäste. So etwa Kristin und Ken Eales, die seit drei Jahren im Weiler wohnen. «Seit 15 Jahren leben wir in der Schweiz und im November haben wir den Schweizer Pass erhalten. Gerade zum richtigen Zeitpunkt, so konnten wir nämlich heute abstimmen», erklärt Ken Eales. Und seine Frau ergänzt: «Als ich vom Resultat vernahm, war ich richtig stolz auf dieses Dorf und darauf, Teil davon zu sein.»

Der Gemeinderat ist froh um Klarheit

Auch Gemeindepräsident Peter Dittli erscheint am Fest. Der Gemeinderat hatte der Bevölkerung dazu geraten, für die Aufhebung des Schulbetriebs zu stimmen. Ob Dittli nun zerknirscht ist ob des klaren «Nein»? «Überhaupt nicht», so betont er. «Wir sind vielmehr glücklich darüber, dass das Resultat so klar war», sagt Dittli. Und weiter: «Der Verein hat einen sehr guten Abstimmungskampf gemacht. Immer fair und nie unter der Gürtellinie.» Sieben Jahre lang habe sich die Gemeinde mit dem Thema Schulstandort Finstersee beschäftigt. «Und trotz Mitwirkungsverfahren und weiteren Massnahmen sind wir nie einen Schritt weitergekommen. Jetzt haben wir Klarheit.»

Und Gemeinderätin Barbara Beck-Iselin ergänzt: «So wissen wir nun auch, wie es weitergeht. Nämlich mit der Sanierung des bestehenden Schulhauses. Dieses braucht nämlich unter anderem eine bessere Wärme-Isolation sowie neue Fenster. Es geht nun darum, diesbezüglich eine gute Lösung zu finden.»

Ganz besondere Freude am heutigen Entscheid haben die hiesige Lehrerin Catherine Scherer und die Heilpädagogin Maya Feld. Denn nun ist für die beiden Frauen klar, dass sie sich im nächsten Jahr keine neue Stellen suchen müssen. «Mir ist ein grosser Stein vom Herzen gefallen», sagt Scherer, die seit 16 Jahren an der Schule Finstersee unterrichtet.

Für sie ist der Entscheid von grosser Bedeutung: Die Lehrerin Catherine Scherer und die Heilpädagogin Maya Feld hätten sich bei einem «Ja» neue Jobs suchen müssen.

Für sie ist der Entscheid von grosser Bedeutung: Die Lehrerin Catherine Scherer und die Heilpädagogin Maya Feld hätten sich bei einem «Ja» neue Jobs suchen müssen.

(Bild: wia)

Das Herz des Dorfes schlägt weiter

Elisabeth Lütolf, die Sakristanin des Weilers ist ebenfalls hier. Ob wir die Kirchenglocken vorhin läuten gehört hätten? Tatsächlich, das haben wir. «Das war ich. Ich dachte, an diesem historischen Tag dürfen auch die Glocken erklingen. Währenddessen habe ich ein Tränchen verdrückt.» Lütolf ist eine Ur-Finsterseerin. «Ich bin hier aufgewachsen und auch meine Kinder sind hier zur Schule gegangen. Dass sie bestehen bleibt, ist für mich eine riesige Freude.» Und sie gibt weiter zu bedenken: «Die Schule ist das Herz dieses kleinen Dorfes. Wenn sie weg ist, hört auch Finstersee auf zu leben.»

Die örtliche Sakristanin Elisabeth Lütolf hat extra die Kirchenglocken läuten lassen, als sie vom «super Resultat» gehört hat.

Die örtliche Sakristanin Elisabeth Lütolf hat extra die Kirchenglocken läuten lassen, als sie vom «super Resultat» gehört hat.

(Bild: wia)

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