Was war in der Badi Hünenberg los?

Unfall: Frau starb trotz Sturmwarnung und zwei Bademeistern

Die Grünen fordern ein Upgrade für die Badi Hünenberg.

(Bild: zvg)

Das orange Warnlicht drehte sich bereits, als es am Mittwoch in der Badi Hünenberg zu einem tödlichen Badeunfall kam – kurz bevor oder während ein heftiger Sturm ausbrach. Wie kann das sein und warum waren da noch Leute im Wasser?

Ein Bademeister ist Ansprechperson für alle möglichen Problemchen – vom Wespenstich bis zum verloren gegangenen Elternteil. Aber bietet er auch Schutz gegen tödliche Unfälle? Seit dem Tod einer 32-jährigen Frau vom Mittwoch in der Badi Hünenberg – zentralplus berichtete – drängt sich die Frage auf. Denn zwischen 17 Uhr bis kurz vor 18 Uhr waren in der Badi Hünenberg zwei Bademeister im Einsatz, wie Daniel Schriber auf Anfrage bestätigte. Er ist bei der Gemeinde Hünenberg für den Betrieb des kommunalen Strandbades verantwortlich.

Doch was ist überhaupt passiert? «Fragen Sie die Polizei», sagt Schriber, «wir wissen auf der Gemeinde noch weniger als die Ermittler. Wir konnten im Gegensatz zu den Polizisten nicht mit den Zeugen sprechen.» Irgendwann am späten Nachmittag sei eine Frau von der Badi aus in den See gestiegen und später – «nach dem Dienstschluss des letzten Badmeisters kurz nach 18 Uhr» – als vermisst gemeldet worden.

Was heisst «unter Wasser geraten»?

Auch die Polizeimeldung hilft nicht weiter, denn sie schildert den Vorgang mit einer sehr allgemeinen Formulierung: «Kurz nach 17 Uhr geriet die 32-Jährige aus unbekannten Gründen unter Wasser und tauchte nicht mehr auf.» Weiter ist bekannt, dass die Frau tags darauf in vier Metern Tiefe treibend von Polizeitauchern gefunden wurde. 

Ist die verstorbene Frau, deren Identität die Polizei aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geheim hält, etwa im schweren Sturm ertrunken? (Das Video, aufgenommen am Seeufer in Zug, zeigt die Intensität des Unwetters.)

Die orangen Warnlampen leuchteten

In Hünenberg steht die Sturmwarnung im Strandbad. Sie lief laut Polizeiangaben seit 16.53 Uhr – erst langsam als Starkwindwarnung, mit 40 Umdrehungen pro Minute, später schneller mit 90 Umdrehungen. Die Frau muss also die orangen Warnleuchten wahrgenommen haben, als sie ins Wasser stieg, zumal zusätzliche Sturmwarnungen rund um den See aufgestellt und auch von Hünenberg aus sichtbar sind. 

Der Sturm brach dann in Hünenberg zwischen 17.50 und 18 Uhr mit grosser Heftigkeit los und wütete eine gute halbe Stunde lang, wie die Daten der nahen Wetterstation Cham zeigen. Die Böen erreichten laut Meteo Schweiz im Ennetsee eine Spitzengeschwindigkeit von 69 Kilometern pro Stunde. Versicherungen sprechen zwar erst ab 75 Kilometern Windgeschwindigkeit von Sturm. Aber die Windwalze blies aus südlicher bis südwestlicher Richtung und türmte auf dem Zugersee Wellen von beeindruckender Grösse auf.

Als der zweite Bademeister der Badi Hünenberg kurz nach 18 Uhr den Dienst quittierte, wehten laut Schriber bereits heftige Winde – und es seien keine Schwimmer mehr im Wasser zu sehen gewesen.

Medizinisches Problem steht im Vordergrund

Möglicherweise war die Frau dann schon tot. Polizeisprecher Frank Kleiner sagt, es könne derzeit «nicht bestätigt werden, dass die Frau ertrunken ist». Natürlich liefen die Ermittlungen in alle Richtungen. «Im Vordergrund steht zum jetzigen Zeitpunkt allerdings ein medizinisches Problem.» 

«Im Vordergrund steht zum jetzigen Zeitpunkt ein medizinisches Problem.»

Frank Kleiner, Zuger Polizei

Trotzdem sei die Frage erlaubt, warum vor dem Sturm noch Leute schwimmen gehen, wenn die Sturmwarnung schon läuft. Sicher auch, weil der Wetterumschwung sehr plötzlich kam. Am Mittwoch sei der Gewitterkomplex, der über der Zentralschweiz stand, überaus mächtig gewesen, sagt Peter Meyer von Meteo Schweiz. «Eine solch massive Gewitterzelle ist sehr viel unberechenbarer als eine Gewitterfront, die übers Land zieht.» Und die Windböen seien in ihrem Ausmass «sicher nicht alltäglich gewesen».

Sturmwarnung ist ein Hilfsmittel – kein Gesetz

Eine Sturmwarnung ist nicht rechtsverbindlich. «Es besteht keine Strafbestimmung bei Nichtbeachten», so Polizeisprecher Frank Kleiner. Aber: «Wir stellen fest, dass sich die Gewässer beim Einschalten der Sturmwarnung jeweils merklich leeren.»

Man empfehle, in solchen Situationen das Wasser rasch zu verlassen. Die Sturmwarnung sei ein gutes und bewährtes Mittel, um die Seebenutzer vor einem Wetterumschwung zu warnen. Viele seien dafür dankbar – auch wegen der Todesgefahr, die Blitze für Menschen im Wasser bedeuten.  

«Feuerwehrmann und Rettungssanitäter»

Und die Bademeister? «Sie werden von unseren Gästen oft gefragt, wenn die Sturmwarnung läuft», sagt Daniel Schriber von der Gemeinde Hünenberg. «Und sie warnen auch davor, auf den See hinauszuschwimmen.» Dennoch gelte: «Sobald sich jemand vom Ufer entfernt, tut er dies in Selbstverantwortung.»

«Sobald jemand auf den See hinausschwimmt, tut er dies in Selbstverantwortung.»

Daniel Schriber, Gemeinde Hünenberg

Ein Bademeister, so Schriber weiter, sei in erster Linie für die Ruhe und Ordnung im Bad verantwortlich. Das Einhalten von Regeln diene der Sicherheit. Natürlich würde er bei Vorfällen auch alarmieren, helfen und retten. Er sei gewissermassen «Feuerwehrmann und Rettungssanitäter». Die würden nicht verhindern, dass etwas passiert. Sondern helfen, wenn etwas passiert. 

Das Bundesgericht zu den Bademeistern

«Die Überwachung einer Badeanlage ist gesetzlich nicht geregelt», sagt Kleiner zur rechtlichen Seiten der Angelegenheit. «Eine entsprechende Pflicht lässt sich jedoch aus dem allgemeinen Gefahrensatz ableiten: Wer einen gefährlichen Zustand schafft, muss alles Zumutbare vorkehren, um allfälligen Schaden zu verhindern.»

Nach einem tödlichen Badeunfall im Kanton Schwyz hat sich vor einigen Jahren auch das Bundesgericht mit der Rolle des Bademeisters auseinandergesetzt. Das höchste Schweizer Gericht hatte damals gefordert, der Bademeister müsse die Benützer und deren Verhalten insbesondere an den gefährlichen Stellen der Badi überwachen. Dies erfordere «eine anhaltende Aufmerksamkeit» in der Nähe der Wassers – im konkreten Fall ging es um ein Schwimmbecken –, mit der er «auf jedes erkennbare ungewöhnliche und gefährliche Handeln oder Geschehen» achten müsse.

Nicht jeden einzeln überwachen 

Aber: Die Pflicht zur Überwachung könne sich «vernünftigerweise nicht auf jegliche Handlung der Benützer erstrecken, selbst wenn sich diese im Wasser befinden». So müsse sich der Bademeister nicht versichern, «dass jeder Badende an der Wasseroberfläche verbleibt oder, wenn er untertaucht, rechtzeitig wieder aufsteigt».

Fazit des Bundesgerichts: «Das mit der üblichen oder scheinbar normalen Benutzung des Wassers verbundene Risiko trägt der Schwimmer selbst.» Und für den Bademeister genügen unter normalen Umständen «eine übliche Überwachung im Sinne einer Aufsicht und eine Präsenz, die gegebenenfalls ein sofortiges Eingreifen erlaubt».

Regloses Kind treibt im Becken

«Die Bademeister tun alles, was in ihrer Macht steht», sagt Daniel Schriber. Aber tödliche Badeunfälle passierten immer wieder – nicht nur im See, sondern auch in überwachten Schwimmbecken. Im vergangenen Dezember starb ein Vierjähriger in Luzern an den Folgen eines Unfalls im Lernschwimmbecken des Hallenbads (zentralplus berichtete). Und vor wenigen Wochen geisterte ein Vorfall aus dem grenznahen Waldbad von Feldkirch (Vorarlberg) durch die Schweizer Medien, als ein Siebenjähriger plötzlich reglos im Becken trieb.

Allerdings konnte der Junge im Waldbad erfolgreich beatmet und wiederbelebt werden – bei der Schwimmerin in Hünenberg kamen die Rettungskräfte zu spät.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Heinrich Vogelsang
    Heinrich Vogelsang, 21.07.2017, 22:27 Uhr

    Sorry, aber wenn im letzten Winter in Luzern wirklich ein Bademeister aufs Kinderbecken aufgepasst hätte, dann wäre der arme Knopf auch nicht unbemerkt untergegangen. Wirklich, es ist ein geschmackloser Witz in diesem Fall von Badeaufsicht zu sprechen!

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    • Profilfoto von Mensch 3.0
      Mensch 3.0, 24.07.2017, 11:51 Uhr

      Sorry. Aber die Aufsicht ist Sache der Eltern! Da kann man die Verantwortung nicht dem Bademeister geben. Übrigens: Wer lesen kann, ist im Vorteil. Der Bericht sagt ja gerade, dass der Bademeister gemm Bindesgericht nicht immer jeden Badenden dauernd im Blick haben muss und dies ja auch gar nicht kann. Wer etwas Anderes behauptet, hat noch nie Aufsicht gemacht… Also bitte keine Stammtischparolen in die Welt setzen.

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