Sicherheitsexperte zum Bürgenstock-Friedensgipfel

Biden, Selenski und Amherd auf einem Berg: Kommt das gut?

Kriegsähnliche Zustände bei einer WEF-Übung vor drei Jahren auf dem Vierwaldstättersee beim Bürgenstock. (Bild: Luzerner Polizei)

Mitte Juni kommt auf dem Bürgenstock die internationale Polit-Elite zusammen, um sich am von der Schweiz einberufenen Friedensgipfel zum Ukraine-Krieg auszutauschen. Sicherheitsexperte Markus Mohler wägt die Risiken des Gipfeltreffens ab.

In der Ukraine herrscht seit dem russischen Angriff im Februar 2022 Krieg. Bis heute fordert dieser täglich Tote. Gemäss Zahlen der UNO starben seit dem Einfall der Russen mehr als 10’000 Zivilistinnen. Über sechs Millionen sind vor dem Krieg geflüchtet.

Mit dem Ziel, «Möglichkeiten für einen Friedensprozess zu finden», wie Bundesrätin Viola Amherd (Mitte) sagte, lädt die Schweiz Mitte Juni auf dem Bürgenstock zum Friedensgipfel. Auf der Gästeliste: Staatsvertreter aus aller Welt. Darunter Wolodimir Selenski, der ukrainische Präsident, und US-Präsident Joe Biden (zentralplus berichtete). Russland hingegen hat kein Interesse an einer Teilnahme.

Rollen bald Panzer durch Luzern?

zentralplus hat sich mit Sicherheitsexperte Markus Mohler über den Friedensgipfel auf dem Bürgenstock unterhalten. Der ehemalige Dozent für Sicherheits- und Polizeirecht an den Universitäten von Basel und St. Gallen war einst Polizeikommandant. Und kennt die Herausforderungen der Polizeiarbeit darum aus erster Hand.

Nicht nur der Kanton Nidwalden, sondern auch der Kanton Luzern sollen die Sicherheit am Friedensgipfel gewährleisten. Muss die Zentralschweiz Mitte Juni mit Panzern am Schweizerhofquai, Militärbooten auf dem Vierwaldstättersee und dutzenden Helikoptern in den Lüften rechnen?

Markus Mohler winkt ab. «Der Bürgenstock ist nur sehr kontrolliert zugänglich, also gut zu sichern», erklärt er. Und bestätigt damit, was der Schweizer Botschafter Gabriel Lüchinger an der Medienkonferenz des Bundesrats zum Friedensgipfel sagte. Das Sicherheitsdispositiv dürfte ähnlich sein wie beim WEF, meinte Lüchinger (zentralplus berichtete).

«Klumpenrisiko» am Friedensgipfel: Sicherheitsexperte warnt

Doch dass auf dem Bürgenstock die internationale Polit-Elite zusammenkommt, ist nicht ganz unproblematisch. Der Standort berge ein «Klumpenrisiko», weil sich dort alle konzentriert aufhalten, gibt Markus Mohler zu bedenken. Darum gelte es nicht nur sicherheitstechnische Massnahmen zu ergreifen. Es gehe auch um Prävention, Taktik, Ressourcen und Vernetzung.

Dabei stelle sich bei solchen Konferenzen vordergründig die Frage, ob Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten oder «nur» nachrangige Politiker anreisten. «Wenn sie in einer Stadt zehn Höchstrangige in fünf verschiedenen Hotels bewachen müssen, ist das sehr aufwändig», führt Mohler aus. Damit seien auch zahlreiche Strassensperren verbunden.

Zudem stellten die täglichen Transfers eine zusätzliche Herausforderung dar. Weil Vertreterinnen aus bis zu 100 Staaten anreisen sollen, ist nicht damit zu rechnen, dass alle Gäste in den gut 200 Zimmern des Bürgenstock-Resorts Platz finden werden.

Polizeikorps und der (fehlende) Kantönligeist

Weil der Bürgenstock als möglicher Standort für das WEF 2021 gehandelt wurde, dürften die Behörden das damalige Sicherheitskonzept aus der Schublade hervorkramen und bei der Planung des Ukraine-Friedensgipfels darauf zurückgreifen. Polizei und Armee führten damals sogar gemeinsame Manöver durch (zentralplus berichtete). Nach den Trockenübungen 2021 folgt nun also der Ernstfall.

Bedenken, dass die Polizeikorps der föderalistischen Schweiz nicht über die Kantonsgrenzen hinaus zusammenarbeiten können, hat Sicherheitsexperte Markus Mohler keine. Zu Übergaben ranghoher Politiker wie beim Stafettenlauf wird es also auf dem Vierwaldstättersee nicht kommen.

So sehe eine entsprechende Vereinbarung auch verschiedene Gremien vor, um die Einsatzleitung im Einsatzkanton mit Polizeikräften aus der ganzen Schweiz zu unterstützen, erklärt Mohler. Die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz habe dabei eine wesentliche Funktion bei der Planung und Durchführung.

Drohnenabwehr im Fokus

Dazu kämen aber auch Dienste des Bundes. Etwa der Bundesnachrichtendienst mit seinem internationalen Informationsaustausch, der militärische Nachrichtendienst, das Bundesamt für Polizei mit dem Schengen- und Europol-Informationsaustausch, der Bundessicherheitsdienst, die Luftwaffe für den Luftraum und Fliegerabwehrtruppen.

«Ein besonderes Augenmerk wird man auf die Drohnenabwehr richten», so Mohler.

«Möglicherweise werden für bestimmte Aufgaben, wie beim WEF, auch Truppen der Armee eingesetzt», vermutet er. Zudem brächten hohe ausländische Funktionäre oft auch eigene Sicherheitsbeamten für den Nahschutz mit, die zu integrieren seien.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Markus Mohler, ehemaliger Dozent für Sicherheits- und Polizeirecht und ehemaliger Polizeikommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt
  • Webseite des Bürgenstock-Resort
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Marcel Kellenberger
    Marcel Kellenberger, 14.04.2024, 23:44 Uhr

    Jedenfalls kann ich mir den Bürgenstock im kanton Nidwalden nicht leisten ,denn ich gehöre zu den ärmeren im Land ind beruflich intensiv Lohn zu den absoluten ärmsten in der innerschweiz

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  • Profilfoto von MartinMartin
    MartinMartin, 13.04.2024, 19:22 Uhr

    Was soll dieser Leerlauf wenn Russland nicht dabei ist gibt es nichts zu verhandeln. Kosten wird das ganze eine Menge Geld. Bern will ja für den Ukraine Aufbau 5 Miliarden bereitstellen das reicht ja wohl…….. aber für interne Probleme und Ideen hat man nicht genug Geld.

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  • Profilfoto von Jürg Locher
    Jürg Locher, 12.04.2024, 17:42 Uhr

    Dass Russland nicht daran interessiert ist, glaube ich nicht wirklich. Die würden wohl gerne auch da ihr Narrativ und ihre Pseudopropaganda verbreiten.

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    Lienard D., 12.04.2024, 11:29 Uhr

    Weil die Schweiz ihre Neutralität aufgegeben hat, die Sanktionen mitmacht, ist sie kein ehrlicher Vermittler mehr. Kiev mit seinen Maximalforderungen geht an den Realitäten vorbei, weshalb Russland als wichtigster Akteur in diesem Krieg nicht dabei sein wird. Dieser "Friedensgipfel" wird derart zu einer reinen Propagandaveranstaltung gegen Russland verkommen: 1. Kein neutraler Veranstalter, 2. Maximalforderungen Kievs, 3. Russland ist nicht dabei. Was ist also mit diesen Voraussetzungen von einem "Friedensgipfel" zu erwarten? Es ist eine Schande, dass sich die Schweiz für so was hergibt. Typisch für Amherd, die die Einrichtung eines NATO-Vebindungsbüro in Genf gefördert hat!

    Und wer soll das alles bezahlen? Man ahnt es.

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    • Profilfoto von Yannick Hagmann
      Yannick Hagmann, 12.04.2024, 14:56 Uhr

      Ihr Textbaustein aus der rechtsnationalistischen Parteipropaganda ist unwahr: Sanktionen stehen nicht im Widerspruch zur Neutralität. Nachzulesen im Haager Neutralitätsabkommen. Da es sich um wirtschaftliche und nicht militärische Massnahmen handelt, steht der Schweiz die Entscheidung über Sanktionen offen.

      Die Ukraine besteht alleine auf der Wahrung ihrer völkerrechtlich zustehenden Gebiete und Rechte. Wer da von Maximalforderungen Kievs schwurbelt, betätigt sich als Propagandist eines Kriegsverbrechers.

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