SP attackiert auch Luzerner Stadtpräsident

Züsli setzt sich in Hitchcock-Final durch

5. Dezember 2015: Applaus von SP-Stadtpräsident Claudio Soldati (links) für die Nomination von Beat Züsli als Stadtratskandidat. (Bild: Luca Wolf)

Um ein Haar hätten die Genossen an ihrer Nominationsversammlung nicht den Favoriten, sondern den Oldie für die Luzerner Stadtratswahlen 2016 nominiert. Der Entscheid für Beat Züsli und gegen Giorgio Pardini fiel erst im vierten Wahlgang. Beinahe hätte das Los entscheiden müssen.

Beat Züsli for President! An der Mitgliederversammlung der städtischen SP diesen Freitagabend herrschte Aufbruchstimmung. Beat Züsli (52), Grossstadtrat von 1998 bis 2010 und Kantonsrat seit diesem Sommer, soll bei den Wahlen nächsten Frühling nicht nur zum Stadtrat gewählt werden. Nein, er soll auch gleich den amtierenden Stadtpräsidenten Stefan Roth (CVP) vom Thron schmeissen. Das haben die Genossen nach intensiver Debatte beschlossen. Wobei intensiv die Sache nicht wirklich trifft. Es war ein nervenzerrendes Kopf-an-Kopf-Rennen, wie es so wohl keiner erwartet hat. Erst nach geschlagenen drei Stunden, um etwa 23 Uhr, stand der Entscheid fest.

Pardini lag zuerst gar vor Züsli

Überraschend konnte dem Favoriten Züsli nicht etwa die Nachwuchshoffnung Daniel Furrer (45), sondern der alte Gewerkschaftsfuchs Giorgio Pardini (57) um ein Haar die Show stehlen. Aber eben nur fast, wobei Pardini lange Zeit vorne lag. Im ersten Wahlgang landete Pardini (62 Stimmen) vor Züsli (60) und Furrer (25). In der zweiten Runde vergrösserte sich Pardinis Vorsprung auf Züsli auf vier Stimmen (69:65), während Furrer noch elf Stimmen holte. Dieser zog anschliessend unter warmem Applaus des rappelvollen Saales im Altersheim Eichhof seine Kandidatur zurück – und legte den Genossen nahe, ihre Stimme im dritten Wahlgang Züsli zu geben.

«Liebe Genossinen und Genossen, ich finde es super, habt ihrs so spannend gemacht – auch wenn das in dieser Form aus meiner Sicht nicht nötig gewesen wäre.»

Beat Züsli, SP-Stadtratskandidat

Im dritten Wahlgang dann gabs mit 74:74 Stimmen prompt eine Pattsituation. «Wenn sich dies in der vierten Runde wiederholt, muss das Los entscheiden», informierte SP-Stadtpräsident Claudio Soldati, worauf – nicht zum ersten Mal an diesem Abend – ein Raunen durch den Saal ging. Erst im vierten Wahlgang entschied sich dann ein Pardini-Anhänger um und legte für Züsli ein. Mit 75 zu 73 Stimmen machte der Architekt und Energieberater dann das Rennen doch noch.

«Liebe Genossinen und Genossen, ich finde es super, habt ihrs so spannend gemacht – auch wenn das in dieser Form aus meiner Sicht nicht nötig gewesen wäre», sagte im Anschluss daran ein sichtlich erleichterter Züsli zu den anwesenden Sozialdemokraten. Pardini gab zuvor unumwunden zu: «Ich hätte nie gedacht, dass ich so weit kommen würde.» Sein Scheitern habe aber auch einen Vorteil. «Jetzt kann ich mit 62 Jahren ungeniert in Pension gehen», sagte Pardini lächelnd.

Vor dem Abstimmungskrimi gab Züsli, wie auch die anderen beiden Kandidaten, einen Einblick in seine Ziele und seine Motivation. «In der Stadt gibt es auf dem Wohnungsmarkt fast keine Wohnungen mehr für unter 2000 Franken zu haben.» Die Wohnungsfrage werde deshalb eine der zentralen Fragen der nächsten Zeit werden. Züsli plädierte dafür, dass es in der Stadt Platz für alle sozialen Schichten haben müsse. Wichtig sei ihm auch, im Bereich Mobilität nach neuen Lösungen zu suchen. «Wir können nicht einfach auf den Tiefbahnhof warten.» Finanziell versprach Züsli nicht das Blaue vom Himmel, sondern rief in Erinnerung, dass die Stadt derzeit kaum Spielraum habe. «Trotzdem würde ich mich als Stadtrat dafür einsetzen, dass die Stadt auch weiterhin eine attraktive Arbeitgeberin bleibt.» Er sei ein Generalist, und genau das brauche es im Stadtrat.

Züsli ist so gut wie gewählt

Nun stehen die Chancen ganz ausgezeichnet, dass Beat Züsli den Sitz der nicht mehr antretenden SP-Stadträtin Ursula Stämmer erben kann. Denn der Anspruch der SP auf einen Stadtratssitz ist unbestritten, ist doch die SP klar die grösste aller Stadtparteien. Sie erreichte bei den Nationalratswahlen diesen Oktober im Wahlkreis Stadt Luzern historisch hohe 23 Prozent.

Bei den anderen Parteien siehts wie folgt aus: Stadtpräsident und Schatzmeister Stefan Roth (CVP), Sozialdirektor Martin Merki (FDP), Baudirektorin Manuel Jost (GLP) und Verkehrs- und Umweltdirektor Adrian Borgula (Grüne) werden wieder antreten. Wobei Merkis und Roths offizielle Nomination noch aussteht, aber Formsache sein dürfte.

Aktuell sieht der Stadtrat noch wie folgt aus:

(Bild: Luca Wolf)

Aber auch diese Mannen wollen am 1. Mai in den Stadtrat gewählt werden: Die SVP schickt nach einer turbulenten Nominationsversammlung ihren Präsidenten Peter With ins Rennen. Die BDP hat eine chancenlose Kandidatur ihres Präsidenten Denis Kläfiger lanciert. Und auch die angekündigte Nomination von Jungsozialist Yannick Gauch wird wohl unter «ferner liefen» abgehakt werden.

Angriff auf den Stapi

Bezüglich Angriff aufs Stadtpräsidium wollte die SP-Rennleitung ursprünglich davon absehen. Wohl nicht zuletzt aufgrund von Rückmeldungen der Basis besinnte sie sich aber um. Trotzdem liessen Parteistrategen an der Nominationsversammlung diesen Freitagabend selbst durchblicken, dass das kein einfaches Unterfangen sein wird. Wobei es auch andere Stimmen gab. So erinnerte etwa SP-Kantonsrat Marcel Budmiger daran, dass Roth bei den Kantonsratswahlen diesen Frühling nur um ein Haar einer peinlichen Abwahl entging. «Das Stadtpräsidium zu erobern, ist möglich», so Budmiger.

Stadtregierung ohne Frau?

Folgende Szenarien könnten anlässlich der Gesamterneuerungswahlen auf Gemeindeebene vom 1. Mai 2016 im Kanton Luzern eintreten:

– Schaffen die vier Bisherigen plus der SP-Kandidat Beat Züsli die (Wieder-)Wahl, sitzt mit Manuela Jost nur noch eine Frau in der Stadtluzerner Exekutive.

– Wird der SVP-Kandidat Peter With dank eines bürgerlichen Schulterschlusses anstelle von Manuela Jost ins Gremium gewählt, hat die Stadt gar eine stramme Männerregierung. Genau wie der Kanton.

– Die Wahl von SVP-With scheint aber wenig aussichtsreich, da amtierende Stadträte sehr selten abgewählt werden. Zudem hätte die Stadt dann eine Mitte-Rechts-Regierung – welche eine eher Mitte-Links-Bevölkerung repräsentieren müsste.

Womit sich einmal mehr zeigt: Politik kann auch Spass machen!

Hier gibts noch mehr Bilder von der Nominationsversammlung:

Volles Haus im Saal des Altersheims Eichhof in Luzern.

Volles Haus im Saal des Altersheims Eichhof in Luzern.

(Bild: Luca Wolf)

Die Stimmzettel werden eingesammelt. Gleich vier Mal an diesem Abend.

Die Stimmzettel werden eingesammelt. Gleich vier Mal an diesem Abend.

(Bild: Luca Wolf)

Die Stimmzettel werden eingesammelt. Gleich vier Mal an diesem Abend.

Die Stimmzettel werden eingesammelt. Gleich vier Mal an diesem Abend.

(Bild: Luca Wolf)

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