News zu den Wahlen in Luzern

Rücktrittswelle: SP/Juso-Fraktion zerbröselt

Verabschieden sich aus der Stadtpolitik: Die SP-Vertreter Martina Akermann, Max Bühler, Esther Burri, René Meier und Theres Vinatzer (v.l.n.r.). (Bild: Montage, bra)

Jung und wild hat seinen Preis: Die städtische SP/Juso-Fraktion kämpft gegen eine hohe Zahl von Rücktritten. Von den 2012 gewählten zwölf Politikern treten dieses Jahr nur noch vier an. Im Interview mit zentral+ erklärt der SP-Parteipräsident die Lage, ein Politexperte schätzt den Schaden ein – und bürgerliche Politiker frotzeln.

Es rumpelt in der SP/Juso-Fraktion. Für die nächsten Wahlen vom 1. Mai 2016 stellen sich gleich fünf von zwölf Fraktionsmitgliedern nicht mehr zur Wahl. Es sind dies Martina Akermann, Max Bühler (beide seit 2012 dabei), Esther Burri (seit 2013), René Meier und Theres Vinatzer (beide seit 2010). Mit Meier und Vinatzer verlassen zudem die letzten Littauer die SP-Fraktion.

Fünf von zwölf sind recht viel. Zumal es in der SP-Fraktion schon in der laufenden Legislatur, also seit Herbst 2012, zu weiteren Rücktritten kam. Krasses Fazit: Von den 2012 gewählten zwölf Grossstadträten treten nur noch vier zu den nächsten Wahlen an: Luzia Vetterli, Dani Furrer, Simon Roth und Fraktionschef Nico van der Heiden. Normalerweise gilt die Faustregel, dass innerhalb von vier Jahren bis zu einem Drittel der Parlamentarier ausscheiden. Bei der SP sind es nun drei Viertel.

Bei den anderen Parteien sieht es weniger dramatisch aus. Am meisten bluten muss noch die CVP. Sie muss für die kommenden Wahlen auf drei ihrer neun Fraktionsmitglieder verzichten. Darunter fallen allerdings die Schwergewichte Markus Mächler und Thomas Gmür (beide seit 15 Jahren im Stadtparlament).

Mit allen neun Bisherigen tritt die FDP an. Auch alle vier GLP-Grossstadträte wollen es nochmals wissen. Und auch die siebenköpfige SVP-Fraktion stellt sich komplett der Wiederwahl – genau wie bei den sieben Grünen-Politikern.

So wie diese vier Parteien es machen, sollte es im Idealfall sein: Wechsel höchstens während der Legislatur, damit bei den Wahlen möglichst alle wieder antreten und auf den Bisherigen-Bonus zählen können.

zentral+ wollte von SP/Juso-Parteipräsident Claudio Soldati wissen, was es mit den vielen Rücktritten auf sich hat.

zentral+: Claudio Soldati, fünf von zwölf Fraktionsmitgliedern treten diesen Mai nicht mehr zu den Wahlen an. Warum so viele?

Claudio Soldati

Claudio Soldati

Claudio Soldati: Bei diesen fünf Personen haben sich die beruflichen und/oder privaten Umstände so stark verändert, dass sie auf das politische Amt verzichten müssen. Natürlich sind wir darüber nicht glücklich, aber wir können jeden einzelnen Fall nachvollziehen.

zentral+: Drei der fünf Fraktionsmitglieder, die nun zurücktreten, sind erst seit 2012 oder 2013 dabei. Haben sie sich ihre Kandidatur vorher zu wenig überlegt?

Soldati: Wir sind eine sehr junge Fraktion. Das hat sehr viel Gutes, aber die Lebensumstände können sich in jungen Jahren schneller ändern, als wenn man 50 ist. Das lässt sich kaum vermeiden.

«Personell hätten wir gerne mehr Kontinuität, das lässt sich nicht wegdiskutieren.»

zentral+: Schon in der laufenden Legislatur gab’s innerhalb der SP/Juso-Fraktion vier Rücktritte. Luzia Mumenthaler-Stofer trat per 30. September 2013 zurück, auf sie folgte Esther Burri, die nun auch schon wieder aufhört. Auch Melanie Setz Isenegger trat 2014 zurück (sie zog nach Emmenbrücke), worauf Enver Candan nachrutschte. Zudem verliess 2014 auch Marcel Budmiger (er konnte in den Kantonsrat nachrutschen) das Stadtparlament, ihm folgte auf Herbst Mario Stübi. Und Judith Dörflinger Muff ist seit 2013 im Parlament, sie folgte auf Andreas Wüst. Somit sind von den im Herbst 2012 gestarteten zwölf Fraktionsmitgliedern heute nur noch vier dabei. Kontinuität scheint kein Merkmal der SP zu sein.

Soldati: Politisch hat die SP sehr viel Kontinuität, wir setzen uns seit Jahren erfolgreich für ein Luzern für alle statt für wenige ein. Personell hätten wir gerne mehr Kontinuität, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Aber es lässt sich halt auch schlecht steuern.
 
zentral+: Wie wirken sich die vielen Wechsel auf die Parteiführung aus? Das schreit nach Mehrarbeit, oder? 
 
Soldati: Sicher brauchen diese Wechsel einige zusätzliche Ressourcen. Die Fraktion muss nach den Wahlen vom 1. Mai 2016 neu organisiert werden. Das wird eine grössere Herausforderung, besonders was die Vertretung in den Kommissionen betrifft. In der Verantwortung stehen auch unsere Bisherigen. Ich bin überzeugt, dass diese die Neuen gerne in den Parlamentsbetrieb einführen und unterstützen.

zentral+: Wie negativ wirken sich die vielen Wechsel bezüglich der Wahlen vom 1. Mai aus? Bekanntlich gibt’s ja den Bisherigen-Bonus. Bisherige erhalten mehr Stimmen und werden einfacher wiedergewählt. Bei euch fällt nun einiges weg.
 
Soldati: Wir haben den grossen Vorteil, dass wir sehr viele engagierte Mitglieder haben. Über 30 neue Kandidaten stellen sich unserer Nomination, sie alle wollen sich engagieren. Ich glaube deshalb nicht, dass sich die Rücktritte negativ aufs Wahlresultat niederschlagen werden. Die CVP hat zudem ein viel grösseres Manko. Dort hören drei von neun auf, und sie konnten nur 20 Kandidaten finden.
 
zentral+: Die vielen Wechsel verhindern Kontinuität. Man sagt, es brauche zwei Jahre, bis ein Parlamentarier richtig eingearbeitet ist. Erst dann kennt er sich gut genug aus, um für die Partei das Beste rauszuholen. Ergreift die SP nun Massnahmen, um künftig so viele Rücktritte nach kurzer Zeit zu verhindern?
 
Soldati: Wer schlussendlich gewählt ist, entscheiden ja nicht wir, sondern das Volk. Und das Volk mag offenbar junge, linke Leute im Parlament. Natürlich wäre mehr Kontinuität ideal. Aber erzwingen können wir das nicht. 

Experte hält SP für stark genug

Die SP-Rücktrittswelle beurteilt auch der Luzerner Politologe Olivier Dolder von Interface Politikstudien als eher ungewöhnlich. «Das wird sicher eine Herausforderung für die Partei und es wird die Parteileitung zusätzlich beanspruchen. Zudem fehlt für die Wahl vom 1. Mai bei fünf Personen der Bisherigen-Bonus. Allerdingt ist die SP in der Stadt stark aufgestellt und die meisten Wähler kennen die Kandidaten eh kaum. Ich glaube deshalb nicht, dass diese Wechsel der SP bei den Wahlen schaden werden.»

Politiker von anderen Parteien freuen sich spitzbübisch über die SP-Probleme. «Das kommt davon, wenn man beim Biertrinken nur schnell ein paar Namen von Kandidaten auf einen Zettel kritzelt, ohne sich Gedanken dazu zu machen», amüsiert sich ein gestandener Mittepolitiker. Und ein anderer frotzelt gut gelaunt: «Jung und wild sind sie ja vielleicht bei der SP/Juso. Aber Sitzleder haben sie keines.»

 

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