Luzerner Nationalrätin Ida Glanzmann tritt ab

«Wenn man sich engagieren will, muss man mit seiner Meinung hinstehen»

Ida Glanzmann vor den Türen des Ritter’schen Palastes in Luzern, wo 1995 ihre aktive politische Karriere begann. (Bild: mik)

Fast 30 Jahre lang hat Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann die Luzerner Politik geprägt. Nun räumt sie ihren Sitz. Im Interview erklärt sie, wie sie aus Trotz Politikerin wurde und wieso sie nie Bundesrätin werden wollte.

Die Altishoferin Mitte-Politikerin Ida Glanzmann blickt auf eine lange Politkarriere zurück: 1995 in den Luzerner Kantonsrat (damals noch Grosser Rat) gewählt, war sie zwei Jahre später bereits Vize-Präsidentin der damaligen CVP Luzern. 2006 rückte sie für den Hohenrainer Josef Leu in den Nationalrat nach und vertrat seither den Kanton Luzern in Bundesbern. Nun, nach 17 Jahren in der grossen Kammer, tritt die 65-Jährige ab (zentralplus berichtete).

Eine Woche vor ihren letzten Kommissionsterminen und ihrer letzten Fraktionssitzung trifft sich zentralplus mit ihr zum Gespräch. In einem Café gegenüber dem Luzerner Regierungsgebäude, wo ihre aktive politische Karriere begonnen hat.

zentralplus: Jetzt, wo Sie nicht mehr bangen mussten – wie haben Sie den Wahlsonntag verbracht?

Ida Glanzmann: Ich war in einem Interview bei SRF 4, um auf meine politische Karriere zurückzublicken. Danach verbrachte ich mit meinen Mitte-Kolleginnen den Nachmittag im Luzerner Regierungsgebäude.

zentralplus: Sie haben sich keine Pause gegönnt?

Glanzmann: Es hätte mich viel zu fest gekribbelt, wenn ich nichts gehört hätte. Ich habe die Wahlen daher den ganzen Nachmittag verfolgt. Ich war so lange dabei, da ist man viel zu sehr interessiert. Aber ich hatte am Sonntagmorgen mal kein Bauchweh, da ich ja nicht selbst kandidierte.

Ida Glanzmann hat die Wahlen 2023 im Regierungsgebäude verfolgt – hier im Gespräch mit Grünen-Nationalrat Michael Töngi. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

zentralplus: Dann werden Sie den Trubel wohl vermissen.

Glanzmann: Nein, ich denke nicht. Als ich mir die Sendungen mit den Neugewählten angeschaut habe, habe ich ob gewissen Forderungen schon gestaunt. Gut ein Viertel des Parlaments ist neu besetzt, damit gibt es sicher eine andere Dynamik. Und mein Rücktritt war ja lange geplant.

zentralplus: Und seit einem Jahr definitiv. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, aufzuhören?

Glanzmann: Für mich war immer klar, dass ich nach vier Legislaturen aufhören will. Bei der Mitte gibt es das ungeschriebene Gesetz, dass man nach 16 Jahren zurücktritt. Ich wollte aber noch meine Legislatur fertigmachen, weil ich in verschiedenen internationalen Gremien Einsitz hatte, wie etwa der Arbeitsgruppe der OSZE (der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Anm. d. Red.) gegen Terrorismus. Zudem denke ich, dass die Mitte unter anderem dank eines freien Sitzes einen aktiven Wahlkampf hatte und somit drei Sitze halten konnte.

zentralplus: Wären Sie während der Legislatur und nicht an deren Ende zurückgetreten, hätte Christian Ineichen, der nun als Präsident der Luzerner Mitte abtritt, nachrücken können. Sind Sie nicht früher zurückgetreten, um sein Nachrücken zu verhindern, wie er Ihnen indirekt vorwirft (zentralplus berichtete)?

Glanzmann: Das ist seine Sicht. Die kommentiere ich nicht.

zentralplus: Gegenüber der «Luzerner Zeitung» sagten Sie mal, dass Sie keinen Politiker als Ehemann wollten, da die Abwesenheit Ihres politisch tätigen Vaters Sie so sehr geprägt habe. Nun haben Sie rund 30 Jahre aktiv politisiert. Wie kam das?

Glanzmann: Nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester und nach der Geburt meiner Kinder habe ich eine Weiterbildung gemacht. In die gleiche Zeit fiel die Abstimmung zum Europäischen Wirtschaftsraum 1992. Ich musste für eine Arbeit in der Schule dagegen argumentieren, obwohl ich dafür war. Folglich bin ich zum CVP-Parteipräsidenten meines Wohnorts gegangen und habe ihn gefragt, ob er nicht eine Veranstaltung für den EWR organisieren wolle und habe ihm meine Hilfe angeboten. Am Tag selbst bin ich dann frech aufs Podium gestiegen und habe für den EWR aus Sicht der Frau argumentiert. Danach kam der Wahlkreis-Präsident zu mir und meinte, ich müsse bei den nächsten Wahlen unbedingt auf die Liste.

Ida Glanzmann wurde bei der Herbstsession 2023 aus dem Nationalrat verabschiedet. (Bild: © Parlamentsdienste / Tim Loosli)

zentralplus: Und Sie haben zugesagt.

Glanzmann: Da hat es Klick gemacht. Wenn man sich engagieren will, muss man auch mit seiner Meinung hinstehen. Ich hatte das Glück, dass ich immer ohne schlechtes Gewissen von zu Hause fort konnte, denn mein Mann hat mich im Hintergrund immer unterstützt, wir waren ein gutes Team.

zentralplus: Familie, Beruf, Parteivorstände und Mitgliedschaften in verschiedenen Vereinen und Foren – hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?

Glanzmann: Wie gesagt, wurde ich daheim sehr gut unterstützt. Die Kinder waren sehr schnell selbstständig und haben ebenfalls mitgeholfen. Zudem hatte ich nebenbei keinen fixen Job in einem Unternehmen, sondern konnte mir meine Sitzungstermine meist selbst einteilen. Auch in den verschiedenen Vorständen konnte ich die Sitzungen meist selber organisieren. Als Nationalrätin habe ich dann meine Zeit um die fixen zwölf Wochen für die Sessionen herumgeplant. Aber mit Blick auf die Agenda im nächsten Jahr habe ich schon gedacht: Wow, ist das schön, nicht direkt zwölf Wochen blockiert zu haben.

Unter anderem amtete Ida Glanzmann als OK-Präsidentin der Seilzieh-WM. Hier steht sie mit Andrea Ming, Direktorin Campus Sursee, vor der WM-Statue «Ruedi der Fels». (Bild: Bild ZVG | OK Seilzieh-WM)

zentralplus: Was machen Sie nun mit Ihrem freien Terminkalender?

Glanzmann: Noch ist er nicht leer. Ich habe immer noch Einsitz in zwei ausserparlamentarischen Kommissionen. Zudem arbeite ich mit einer Arbeitsgruppe noch bis Mitte nächstes Jahr an einem Bericht zur Sicherheitspolitik. Ich bleibe auch in verschiedenen Vorständen aktiv, wobei ich vorneweg schaue, wie lange noch. Zum Beispiel das Präsidium der Mitte 60+ Schweiz will ich sicher noch zwei Jahre machen. Aber viele Einladungen fallen bereits weg, was eigentlich sehr schön ist. Ich habe nun wieder freie Abende, an denen ich mich hinsetzen und lesen kann. Oder einen Film schauen und dabei stricken. Zudem schätze ich es, wenn ich spontan für meine fünf Grosskinder Zeit habe.

zentralplus: Vorerst bleiben Sie der nationalen Sicherheitspolitik also noch erhalten. Zu diesem Thema kamen Sie eher zufällig, als Sie für Josef Leu nachrückten. Haben Sie sich nie ein anderes Steckenpferd gewünscht?

Glanzmann: Nein, ich fand die Sicherheitspolitik immer spannend. Am Anfang verstand ich zwar nichts. In der ersten Kommissionssitzung – damals hatten wir noch keine Laptops – habe ich unzählige Abkürzungen aufgeschrieben, die ich daheim dann recherchiert habe. Dies gab mir mit der Zeit ein grosses Wissen in der Sicherheitspolitik. Zudem konnte ich in internationalen Gremien mitarbeiten. Beispielsweise als Teil der Delegation bei der parlamentarischen Versammlung der Nato (Organisation des Nordatlantikvertrags, Anm. d. Red.) oder als Delegierte bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE.

Ida Glanzmann (zweite Reihe von unten, erste links) an einer OSZE-Versammlung. (Bild: zvg)

zentralplus: Zuerst der Ukraine-Krieg, jetzt der Krieg in Gaza. Die letzten zwei Jahre dürften besonders herausfordernd gewesen sein.

Glanzmann: Ich war an dem Samstag, als die Hamas Israel angegriffen haben, an einer Nato-Tagung in Kopenhagen. Egal ob jemand vorher pro Palästina oder pro Israel war – alle Leute waren entsetzt. Was da jetzt abgeht, auf beiden Seiten, ist für mich einfach Horror. Ich äussere mich weder für die Israelis noch für die Palästinenser. Vielmehr halte ich die Resolution der UNO für einen längeren Waffenstillstand für den richtigen Weg. Die Schweiz müsste aus meiner Sicht jetzt hinstehen und als Vermittlerin auftreten. Leider hat die Schweiz beim Ukraine-Krieg international viel Goodwill verloren.

zentralplus: Können Sie das ausführen?

Glanzmann: Beim Entscheid, Waffenweitergaben aus anderen Ländern an die Ukraine zu verbieten, hat die Schweiz viel Kritik erhalten. Sie begründete dies mit der Neutralität der Schweiz. Gleichzeitig unterstützt die Schweiz Sanktionen gegen Russland. Die Schweiz hätte auch hier eine Vermittlerrolle wahrnehmen können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies sehr schwierig geworden, weil weder die Ukraine noch Russland an Gesprächen interessiert sind. An OSZE-Sitzungen wurden wir als Schweizer Delegation für unsere Haltung zum Teil massiv kritisiert und die Sitzungen wurden zum Teil auch lautstark unter den anwesenden Ländern geführt.

zentralplus: Gespräche sind nicht mehr möglich?

Glanzmann: Äusserte sich beispielsweise Russland, gingen baltische Länder einfach aus dem Raum. Wenn man aufsteht und davonläuft, findet man aber nie Lösungen. Egal, wie festgefahren eine Situation ist, wir sollten immer versuchen einander zuzuhören.

zentralplus: Gleiches lässt sich auch auf die Schweizer Politik übertragen.

Glanzmann: Ich habe auch im Parlament immer versucht, von links bis rechts mit allen Leuten zu sprechen, auch wenn wir nicht immer gleicher Meinung waren. Das ist gerade der Weg der Schweiz, dass verschiedene Meinungen im Parlament vertreten sind. Das ist auch das, was die parlamentarische Arbeit spannend macht: Parteiübergreifend ausloten, wie weit man mit einer Vorlage oder einem Vorstoss gehen kann. Zum Beispiel die polizeilichen Massnahmen gegen Terrorismus haben wir mit Vertretern der linken Parteien vorbesprochen und sind ihnen bezüglich Datenschutz entgegengekommen. Entsprechend haben wir das Geschäft im Parlament durchgebracht, das Referendum wurde dann nachher von Gruppierungen ausserhalb des Parlaments ergriffen.

zentralplus: Gibt es trotzdem Parlamentarier, mit denen Sie nichts anfangen können?

Glanzmann: Vielleicht so gesagt: Es waren nicht alle Parlamentarier sehr kommunikativ – und da spreche ich wirklich von Parlamentariern.

zentralplus: Haben Sie in Ihrer politischen Karriere Dinge versäumt oder bereut?

Glanzmann: So spontan kann ich nichts sagen. Überlegt lange. Im Nachgang zur Gripen-Abstimmung war ich bestimmt enttäuscht, da ich sehr viel dafür gearbeitet hatte. Aber heute haben wir mit dem Kampfjet F-35 eine bessere Lösung.

zentralplus: Bundesrätin wollten Sie nie werden?

Glanzmann: Nein, ich fand, dass meine Ausbildung für ein solches Amt nicht genügend gut war. Viola Amherd zum Beispiel ist Juristin, mit einem solchen Hintergrund kann man dieses Amt seriös anpacken. Für mich war das nie ein Thema. Ich hätte auch Mühe, wenn meine Agenda von aussen bestimmt würde und ich nichts mehr dazu zu sagen hätte.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Ida Glanzmann
  • Artikel der «Luzerner Zeitung»
  • Diverse ältere Artikel zu ihrem Werdegang
  • Website von Ida Glanzmann
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon