Berechnung des absoluten Mehrs

Unnötige Wahlgänge vermeiden? Luzerner SVP will System ändern

Das Wahlsystem soll geändert werden, wenn es nach dem Willen der Luzerner SVP geht. (Bild: mik)

Luzern gehört zu jenen Kantonen, die noch ein «richtiges» absolutes Mehr haben. Nun möchte die SVP die Berechnung des absoluten Mehrs ändern. Dieses würde dadurch deutlich gesenkt – mit Folgen.

Eine Motion des SVP-Kantonsrates Fabian Stadelmann will am Luzerner absoluten Mehr rütteln. Mit der «Motion über die Vermeidung von unnötigen zweiten Wahlgängen» wollen Stadelmann und diverse Mitunterzeichner die Berechnung des absoluten Mehrs im Kanton Luzern ändern. Nebst Stadelmann haben elf weitere SVP-Kantonsräte und ein FDP-Kantonsrat diesen Vorstoss unterschrieben.

Neu soll jene Berechnungsart gelten, wie sie zum Beispiel der Kanton Zug kennt. Das absolute Mehr käme so deutlich tiefer zu liegen. Die Motionäre begründen ihren Vorstoss unter anderem folgendermassen: «Unnötige zweite Wahlgänge können so vermieden und die dafür notwendigen Kosten beziehungsweise Aufwände bei Verwaltung und Urnenbüros eingespart werden.»

FDP-Präsidentin Jacqueline Theiler hält auf Anfrage zwar fest, dass vermiedene zweite Wahlgänge weniger Aufwand bedeuten. Sie sagt aber auch: «Es scheint, als ob die SVP ihre Wahlchancen bei den nächsten Wahlen mit einer Gesetzesänderung optimieren möchte.» Jacqueline Theiler weist darauf hin, dass Armin Hartmann bei den Regierungsratswahlen im vergangenen April in den zweiten Wahlgang musste (zentralplus berichtete). Theiler ergänzt: «Bei den Personenwahlen kann es durchaus von Vorteil sein, dass das absolute Mehr möglichst hoch angesetzt wird. Damit stellen wir sicher, dass gut qualifizierte Kandidierende gewählt werden.»

Bei den Luzerner Ständeratswahlen wurde es knapp

Klar ist: Die Art, wie das absolute Mehr festgelegt wird, kann politische Folgen haben. Das lässt sich beispielsweise anhand der Ständeratswahlen von diesem Herbst aufzeigen. Nicht viel fehlte und es wäre auch im Kanton Luzern zu einem zweiten Wahlgang gekommen. Dies trotz dem grossen Vorsprung, den Damian Müller (FDP) und Andrea Gmür (Mitte) auf ihre nächsten Konkurrenten aufwiesen. Damian Müller erreichte 72’978 Stimmen, Andrea Gmür 69’578 Stimmen (zentralplus berichtete). Das absolute Mehr lag bei 68’616 Stimmen. Hätte Andrea Gmür 962 Stimmen weniger erzielt, so hätte sie in einen zweiten Wahlgang gehen müssen.

Zu dieser Konstellation kam es, weil das absolute Mehr im Kanton Luzern anders berechnet wird als etwa in Schwyz oder in Zug. Das hat ganz konkrete Auswirkungen. Würde zum Beispiel der Kanton Schwyz das absolute Mehr gleich berechnen wie der Kanton Luzern, so wäre es dort bei den Ständeratswahlen zu einem zweiten Durchgang gekommen.

2020 kam es in 16 Gemeinden zu einem zweiten Wahlgang

Einfluss hat das «Luzerner» Berechnungssystem natürlich auch auf die kommunalen und kantonalen Wahlen im Kanton Luzern. Am 28. April finden in den Luzerner Gemeinden die Gesamterneuerungswahlen statt. Unter anderem werden auch die Exekutiven – also die Gemeinderäte respektive die Mitglieder der Stadtregierungen – neu gewählt.

Auch dann gilt: Das absolute Mehr ist im Kanton Luzern verhältnismässig schwierig zu erreichen. Im Jahre 2020 fand in 16 Gemeinden ein zweiter Wahlgang für die Gemeinderats- oder Stadtratswahlen statt.

«Tendenziell ist es so, dass je mehr Kandidierende es gibt, es desto schwieriger ist, das absolute Mehr zu erreichen.

Christian Spieler, Leiter Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern

Was auffällt: Die Liste enthält mit Luzern, Kriens und Emmen auch mehrere grössere Gemeinden. Der Grund dafür ist klar: In einer grossen Gemeinde ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich diverse Personen für ein Amt in der Exekutive interessieren, grösser als in einer ganz kleinen Gemeinde. Je mehr Personen aber zur Wahl antreten, desto mehr treibt dies das absolute Mehr in die Höhe.

Anzahl der Kandidaten spielt wichtige Rolle

Das bestätigt auch Christian Spieler, Leiter Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern: «Es spielt eine Rolle, wie viele Kandidatinnen und Kandidaten im Rennen sind. Tendenziell ist es so, dass je mehr Kandidierende es gibt, es desto schwieriger ist, das absolute Mehr zu erreichen.» Er weist darauf hin, dass es bei den letzten Gesamterneuerungswahlen (2012/2016/2020) in der Stadt Luzern immer zu einem zweiten Wahlgang kam. «Meistens ging es um einen oder zwei Sitze oder um das Stadtpräsidium.»

Im Kanton Luzern gab es bereits vor einigen Jahren Bestrebungen, das absolute Mehr «milder» zu gestalten. Der Kanton lehnte aber im Jahr 2013 einen derartigen Systemwechsel ab. In der Vernehmlassung zu einem entsprechenden Postulat wurde unter anderem erklärt, dass der Wählerwille mit dem bisherigen System besser abgebildet werde. Die Stimmberechtigten hätten so insgesamt mehr demokratische Mitsprachemöglichkeiten.

Luzern blieb in der Folge bei seinem strenger definierten absoluten Mehr. Auf der Stufe Regierungsrat zum Beispiel sind in Luzern zweite Wahlgänge demnach weiterhin fast der Normalfall. So wurden in diesem Frühjahr Armin Hartmann und Ylfete Fanaj erst im zweiten Durchgang in die Regierung gewählt. Im Jahre 2015 etwa – einfach um ein weiteres Beispiel zu erwähnen – erging es Marcel Schwerzmann und Paul Winiker nicht anders.

Zug berechnet anders als Luzern

Das absolute Mehr wird in den Schweizer Kantonen unterschiedlich berechnet. In diversen Kantonen – zum Beispiel in Luzern, St. Gallen, Uri, Obwalden – geht man von der Anzahl der massgebenden Wahlzettel aus. Diese Zahl wird durch zwei geteilt. Das Ergebnis (plus eine Stimme) ergibt das absolute Mehr.

In diversen anderen Kantonen – zum Beispiel in Zug, Zürich, Bern, Nidwalden, Schwyz – bildet die Anzahl der massgebenden Stimmen die Basis. Diese Zahl wird anschliessend durch die doppelte Anzahl zu vergebender Sitze geteilt.

Klar ist: In den Kantonen, wo man nach dem «Luzerner» System verfährt, ist das absolute Mehr schwieriger zu erreichen als in jenen, wo die Berechnung nach «Zuger» Art erfolgt. Dies hatte dieses Jahr zum Beispiel zur Folge, dass die beiden wiedergewählten Luzerner Ständeräte, Damian Müller (FDP) und Andrea Gmür (Mitte), die Hürde des absoluten Mehrs nur relativ knapp schafften, obwohl die nächstplatzierten Kandidaten einen grossen Rückstand aufwiesen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Jacqueline Theiler, Präsidentin FDP Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Christian Spieler, Leiter Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit dem Amt für Gemeinden, Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit der Staatskanzlei Luzern
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