SP Luzern will Gastro helfen – mit ganzen Strassen

Simon Roth: «Ein Parkplatz dürfte kaum reichen»

Mit mehr Tischen im Freien – wie hier im Helvetiagärtli – will auch die SP der Gastronomie helfen. (Bild: pze)

Die SP-/Juso-Fraktion hat einen breiten Strauss an dringlichen Vorstössen zur Corona-Situation eingereicht. Sie unterstützt den Vorschlag der CVP, der Gastrobranche unkompliziert Aussenräume anzubieten und will sogar noch einen Schritt weitergehen.

Das Luzerner Stadtparlament nimmt nächste Woche wieder den Betrieb auf. Zu reden geben wird insbesondere auch der Umgang mit der Corona-Pandemie. Die grösste Fraktion im Grossen Stadtrat hat am Mittwoch gleich acht dringliche Vorstösse zum Thema eingereicht (siehe Box).

Fraktionspräsident Simon Roth erklärt, wo seine Partei Handlungsbedarf sieht und wieso er sich freut, dass in der Stadt Luzern wieder politisiert wird.

zentralplus: Simon Roth, die Stadt Luzern hebt nächste Woche die Sperrung des Quais auf, lässt wieder Wochenmärkte und die Öffnung der Buvetten zu (zentralplus berichtete). Begrüssen Sie dies?

Simon Roth: Die Stadt hat sich zur gesundheitlichen Situation sicherlich ihre Gedanken gemacht. Wenn die Massnahmen aus gesundheitlicher Sicht zu verantworten sind, finde ich es sinnvoll, der Bevölkerung gewisse Freiheiten zurückzugeben.

zentralplus: Ist die Stadt Luzern mit der Corona-Pandemie bisher gut umgegangen?

Roth: Am Anfang vermisste ich eine intensivere Kommunikation. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass niemand in Verdacht geraten wollte, Wahlkampf zu betreiben. Seit den Wahlen ist es besser. Ich hätte mir zudem beim Wochenmarkt gewünscht, dass die Stadt andere Lösungen prüft. Freiburg zum Beispiel hat den Markt dezentral durchgeführt, das wäre in Luzern auch denkbar gewesen. Insgesamt finde ich die städtischen Massnahmen aber nachvollziehbar und richtig. Ebenso zufrieden sind wir, dass das Parlament nun wieder den Betrieb aufnimmt.

«Es ist wichtig, dass die Gewählten die kritisch-konstruktive Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive wahrnehmen.»

zentralplus: Das war in der Stadt wenig umstritten – anders als im Kantonsrat, wo SP und Grüne die Maisession einfordern mussten.

Roth: Bei uns war das kein Thema und ich habe auch kein Verständnis für Kantonsräte, die auf die Session verzichten wollten. Damit nimmt man die eigene Arbeit nicht ernst. Es ist wichtig, dass die Gewählten ihre Vorschläge einbringen und die kritisch-konstruktive Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive wahrnehmen. Es gibt zudem Geschäfte, die nicht stillstehen können.

zentralplus: Ihre Fraktion hat im Hinblick auf die Ratssitzung von nächster Woche gleich acht dringliche Vorstösse zur Corona-Pandemie eingereicht. Wieso ist das Ihrer Ansicht nach nötig, regelt doch vieles schon der Bund und der Kanton.

Roth: Das stimmt, aber die konkrete Umsetzung ist teilweise in der Kompetenz der Kommunen. Zudem hat die Stadt Luzern von der Grösse und der Zentrumsfunktion her die Möglichkeit, steuernd einzugreifen.

Simon Roth, Fraktionspräsident der SP/JUSO im Grossen Stadtrat. (Bild: zvg)

zentralplus: Wo besteht besonderer Handlungsbedarf?

Roth: Ein wichtiger Punkt – nicht nur in der Stadt Luzern – ist die Frage der Gewerbemieten. Da braucht es aus unserer Sicht zwingend eine Lösung. Denn für viele Unternehmen, beispielsweise aus der Gastronomie, sind die Mieten nicht tragbar, wenn man über Monate hinweg kaum oder wenig Umsatz machen kann. Auf den Goodwill der Immobilienbesitzer zu hoffen kann in Einzelfällen wirken, aber es ist bestimmt nicht die Lösung.

zentralplus: Für die Gastronomie fordern Sie – genau wie schon die CVP –, dass die Betriebe den öffentlichen Raum nützen können. Sie legen sogar nahe, dass dafür ganze Strassenabschnitte gesperrt werden könnten.

Roth: Die Gastronomie braucht den Aussenraum als notwendige Fläche für einen halbwegs kostendeckenden Betrieb. Ein Parkplatz ermöglicht aber ein bis zwei zusätzliche Tische, das dürfte kaum reichen. Also soll die Stadt prüfen, einzelne Gemeindestrassen ganz oder teilweise zu sperren.

«Es ist auch für die Gäste sinnvoller und sicherer, wenn sie draussen sitzen.»

zentralplus: Das klingt nach mediterranem Feriengefühl vor der eigenen Haustür. Normalerweise braucht es dazu ein langwieriges Baubewilligungsverfahren. Ist es realistisch, dass das genügend schnell geht, um den Wirten rechtzeitig zu helfen?

Roth: Die Umsetzung ist sicher nicht ganz einfach. Denn es muss schnell umgesetzt werden, um eine Wirkung zu erzielen. Darum haben wir die Forderung als dringlichen Vorstoss eingereicht. Wir sehen an verschiedenen Orten Möglichkeiten, etwa an der Mythen- oder Frankenstrasse in der Neustadt oder auch im Weygebiet.

zentralplus: Wenn das Leben auf die Strasse gezügelt wird, bedeutet das auch Lärm: Trägt die Bevölkerung das mit?

Roth: Ja, davon gehe ich aus. Zum einen, weil es kein Dauerzustand bleibt, sondern nur einen speziellen Sommer lang so wäre. Zum anderen müsste man natürlich Richtlinien bezüglich Nachtruhe einhalten und könnte nicht bis in alle Morgenstunden draussen wirten. Es ist im Übrigen auch für die Gäste sinnvoller und sicherer, wenn sie im Freien sitzen. Und ich glaube, die Bevölkerung schätzt es, wenn man sich wieder treffen und soziale Kontakte pflegen kann.

zentralplus: Was auffällt: Sie decken mit Ihren Vorstössen viele Bereiche ab, der Tourismus als wichtiger Wirtschaftszweig kommt aber nicht vor. Wieso?

Roth: Es ist unbestritten, dass der Tourismus für Luzern eine wichtige Branche ist und gerade eine extrem schwierige Phase durchlebt. Wenn wir die Gastronomie unterstützen und Luzern damit attraktiv machen für Feriengäste aus der Schweiz, leistet das auch einen Beitrag an die Tourismusbranche. Die Frage ist, ob die Stadt überhaupt mit kurzfristigen Massnahmen etwas ausrichten könnte. Und wir decken mit unseren Vorstössen natürlich längst nicht alle Bereiche ab, über die man sich noch Gedanken machen muss.

«Das Virus kennt keine Grenzen, deshalb muss auch die Bekämpfung grenzüberschreitend passieren.»

zentralplus: Sie fordern, dass die Stadt eine halbe Million Franken an internationale Notprogramme spendet. Würde die Stadt Luzern dieses Geld nicht besser im Tourismus einsetzen, gerade auch angesichts dessen, dass dieser Betrag im Vergleich zu den Hilfsmitteln des Bundes ein Klacks ist?

Roth: Das Virus kennt keine Grenzen, deshalb muss auch die Bekämpfung grenzüberschreitend passieren. Es ist ein Zeichen der Solidarität, dass wir nicht nur für uns schauen. Die 500’000 Franken sind nicht ein riesiger Betrag, das stimmt, aber doch knapp fünfmal so viel wie die Stadt Luzern normalerweise pro Jahr spendet. In vielen Regionen kann man damit bereits viel bewirken. Der Betrag geht also über das rein Symbolische hinaus.

Die Sperrung des Quais wird Anfang nächster Woche aufgehoben. (Bild: jal)

zentralplus: Apropos Geld: Alle Massnahmen zur Abfederung der Coronafolgen kosten Geld. Finanzdirektorin Franziska Bitzi warnte bereits vor sinkenden Steuern und höheren Sozialausgaben. Wird in Luzern künftig mit härteren Bandagen um Geld gekämpft?

«Es sehen wohl alle ein, dass man jetzt keine Sparprogramme aufgleisen kann.»

Roth: Das bezweifle ich. Es sehen wohl alle ein, dass man jetzt sicher keine Sparprogramme aufgleisen kann. Um die Wirtschaft in Gang zu bringen, brauchen wir Investitionen. Vor dem Hintergrund, dass die Stadt 2019 erneut rund 27 Millionen Franken Gewinn machte, hat man dazu auch den nötigen Handlungsspielraum. Natürlich wollen auch wir nicht einfach Geld zum Fenster rauswerfen, sondern mit gezielten Massnahmen dazu beitragen, diese Krise zu bewältigen.

zentralplus: Die Stadt prüft einen 100-Franken-Gutschein für jeden Einwohner: Finden Sie das eine gute Sache?

Roth: Persönlich bin ich skeptisch, wie effizient das ist. Viele verdienen ja derzeit nicht weniger, sondern konsumieren lediglich weniger, weil es keine Möglichkeiten dazu gibt. Wer hingegen auf Geld angewiesen ist, den bringen 100 Franken nicht wesentlich weiter. Die acht Millionen Franken lassen sich gezielter einsetzen.

zentralplus: Für die SP-/Juso-Fraktion ist es unbestritten, dass tiefgreifende Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Ordnung folgen müssen. Was meinen Sie damit?

Roth: Gewisse Berufsgruppen, die jetzt eine grosse Last tragen und Risiken eingehen müssen, sind angesichts ihrer Relevanz für unsere Gesellschaft völlig unterbezahlt sind. Ich denke etwa an die Pflege, aber auch die Logistik, die Kinderbetreuung oder den Detailhandel. Oft sind es Berufe, in denen überproportional viele Frauen tätig sind. Zum anderen sollten wir dafür sorgen, dass wir das Geld zur Bewältigung der Krise zugunsten einer ökologischeren und nachhaltigeren Wirtschaft investieren. Allerdings ist für diese Fragen teilweise noch etwas früh. Wer in der wirtschaftlichen Existenz bedroht ist, kann nicht warten, bis grundlegende Reformen diskutiert worden sind.

Die SP-/Juso-Fraktion hat Vorstösse zu diesen Themen eingereicht:

  • Die Stadt soll 500’000 Franken für internationale Notprogramme spenden.
  • Die Stadt soll Gewerbemieten und Pachtzinsen stunden und allenfalls gar erlassen.
  • Der Stadtrat soll genügend Freiräume schaffen, wo Abstandsregeln eingehalten werden können, etwa mit Einlasskontrollen in Freibädern.
  • Der Wochenmarkt soll wieder stattfinden, möglicherweise dezentral auf mehreren Altstadtplätzen oder der ganzen Bahnhofstrasse (dieser Forderung hat der Stadtrat am Dienstag bereits vorgegriffen).
  • Die Stadt soll gemeinsam mit dem Kanton einen Entschädigungsfonds für Kunst- und Kulturschaffende errichten.
  • Die Fraktion stellt Fragen zur Kita-Unterstützung.
  • Die Fraktion stellt Fragen zu den Folgen der Pandemie auf den Musikschulunterricht.
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 06.05.2020, 13:57 Uhr

    Sehr interessant, dass sich die SP für das Gewerbe einsetzt .. und nicht etwa die Filzparteien SVP und FDP. Die schauen lieber, dass den gierigen Immobilienbesitzern kein Fränkli Miete entgeht und sperren sich hysterisch blökend gegen jeden Kompromiss («FDP – Aus Liebe zum Geld»).
    Ich hoffe, das lokale Gewerbe erinnert sich auch noch in ein paar Wochen, wer sich für und wer sich gegen die Kleinunternehmer eingesetzt hat.

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  • Profilfoto von Hoppler Karl
    Hoppler Karl, 06.05.2020, 11:35 Uhr

    Ein Rentner hat mit seinem PK-Kapital und Hypo eine Liegenschaft gekauft. Jetzt wird er enteignet. Zins, Unterhalt, Versicherung, Verwaltung muss er trotzdem bezahlen. das ist Teil der Rente…. Der Mieter hat über Jahre sehr gut verdient….

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  • Profilfoto von Irene Aebi
    Irene Aebi, 06.05.2020, 10:10 Uhr

    Selbstverständlich nutzt man auch das Corona-Virus, um Parkplätze abzuschaffen. Das ist ja der Standard. Doch woher sollen die Besucher der Beizen kommen? Viele Einheimische haben bei diesen Beizenkonzepten keine Lust mehr, Touristen können nicht reisen, Auswärtige kommen ohne freie Parkplätze nicht in die Stadt… da hat jemand nicht ganz zu Ende gedacht.

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    • Profilfoto von Silvan Studer
      Silvan Studer, 06.05.2020, 10:32 Uhr

      @Aebi: Das sehe ich auch so.
      Überhaupt die Idee mit den gesperrten Strassen ist doch total unausgegoren.
      Es führt es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs, weil das nur für ganz wenige Lokale überhaupt in Frage kommt. Viele werden sich überlegen müssen, ob sie Gartentische etc. kaufen wollen für eine unbestimmte Zeit um auf die Strasse zu servieren.
      Auch Logistisch dürfte das für viele Beizer schlicht nicht machbar sein.
      Aber Hauptsache wir haben den Verkehr behindert, das ist das einzige Ziel der Linken und Grünen.

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 06.05.2020, 14:06 Uhr

      @ Irene Aebi: In der Stadt Luzern gibt es unzählige Parkhäuser. Ich denke, die 5 Minuten Fussmarsch zwischen Auto und Restaurant wird man noch knapp überleben, oder täusche ich mich da?

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    • Profilfoto von Irene Aebi
      Irene Aebi, 06.05.2020, 15:31 Uhr

      @Kasimir Pfyffer: Natürlich könnte man 5 Minuten laufen, um ein Bier zu trinken. Oder auch 10, was wohl realistischer ist. In der Theorie zumindest, denn in der Praxis macht dies kaum einer. Genau aus diesem Grund musste beispielsweise in der Stadt Zug die letzte Metzgerei schliessen, nachdem die Parkplätze vor dem Laden aufgehoben wurden. Fleisch essen kann man gut oder finden nicht, und für Gesinnungstalibans ist das sicher hochwillkommen. Es zeigt aber, dass die Innenstadt verödet, wenn immer mehr Parkplätze aufgehoben werden. und das kann ja nicht der Sinn einer lebenswerten Stadt sein.

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