Polizei kassiert Abreibung für «Kommunikationsfiasko»
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Über den Sommer sind kleinere Polizeiposten in Luzern geschlossen. Dies sorgt für einen Aufschrei im Kantonsrat. Der Entscheid selbst sei zwar nachvollziehbar. Jedoch offenbare er grundlegendere Probleme.
Man merkt erst, wie sehr einem etwas fehlt, wenn es weg ist. So geht es wohl derzeit der Luzerner Bevölkerung mit ihren Polizeiposten. Vielen geht es ähnlich: Den «eigenen» Polizeiposten hat man noch kaum von Innen gesehen. Und doch löst der mögliche Postenabbau emotionale Diskussionen aus (zentralplus berichtete). So überrascht es auch nicht, dass die temporäre Schliessung kleinerer Posten ebenfalls hohe politische und mediale Wellen schlägt (zentralplus berichtete).
Entscheid ist für Kantonsrat nachvollziehbar, aber …
Für die Massnahme an sich zeigt sich das Parlament am Dienstag verständnisvoll. Die Erklärungen der Regierung, wieso die vielen Anlässe im Sommer zu Personalmangel führen, scheint zu überzeugen. Auch anerkennt der Kantonsrat, dass das Justiz- und Sicherheitsdepartement zuerst noch andere Massnahmen geprüft hat, bevor es sich für die Schliessung kleinerer Polizeiposten in Luzern entschieden hat. So weit, so gut.
In der rund einstündigen Debatte kommen deshalb andere Aspekte der Situation aufs Tapet: die kurzfristige Kommunikation, die fehlenden Ressourcen und die mangelhafte Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen.
Luzerner Polizei fehle es an Fingerspitzengefühl
Dass die Kommunikation zu wünschen übrig liess, da waren sich alle Parteien einig. Zu wenig ausführlich und insbesondere zu kurzfristig habe die Polizei informiert. Gerade für betroffene Gemeinden und Gremien. Auch dass diese «Kommunikationspanne» rund ein halbes Jahr nach dem Bekanntwerden des Postenabbaus geschehe – notabene zur gleichen Thematik – sorgte für Kritik.
«Die jetzige Situation lässt sich auch mit optimaler Kommunikation nicht gut reden.»
Hans Stutz, Grüne-Kantonsrat
«Das hinterlässt beim Sicherheitsbefinden der Bevölkerung einen schalen Nachgeschmack», so die Präsidentin der Justiz- und Sicherheitskommission Inge Lichtsteiner-Achermann (Mitte). Ins gleiche Horn bläst Postulantin Claudia Wedekind (Mitte). Sie bemerkt, dass sie bei der Polizeiführung das nötige Fingerspitzengefühl vermisse, da die politische Brisanz ja bekannt war. Noch härtere Worte findet Mario Cozzio (GLP) und spricht von einem «kommunikationstechnischen Fiasko».
Zum selben Schluss scheint auch die Regierung gekommen zu sein. Sie gelobt Besserung, indem sie bei Themen von hoher politischer Relevanz künftig die Kommunikationsstelle der Luzerner Polizei unterstützt.
Der Luzerner Polizei fehle es an allen Ecken
Hans Stutz (Grüne) verortet die grundlegende Thematik jedoch woanders. «Die jetzige Situation lässt sich auch mit optimaler Kommunikation nicht gut reden.» Problem sei viel mehr der personelle Unterbestand der Luzerner Polizei. Bereits vor rund zehn Jahren seien Aufstockungen bewilligt worden, die wegen fehlender finanzieller Mittel nicht umgesetzt werden konnten. Die linken Parteien sehen deshalb das derzeitige Fiasko als direkte Konsequenz der bürgerlichen Sparpolitik.
Diesem Vorwurf hält Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) entgegen: Die vom Kantonsrat bewilligten Stellen seien alle besetzt worden. Und um diese Situation zu verbessern, plane die Regierung, für 2030 um 118 Stellen aufzustocken (zentralplus berichtete). Nur: Eine etappenweise Stellenaufstockung ist bereits seit 2014 geplant. Und immer noch nicht vollständig umgesetzt, wie die Polizei im Begleitschreiben zur Vernehmlassung für den Planungsbericht selbst zugibt.
Die Luzerner Polizei soll beim Nachbarn für Hilfe anklopfen
Die Mitte findet hingegen, bei der knappen Personallage solle die Regierung vermehrt auf Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen setzen. Genauer gesagt mit den Kantonen Bern und Aargau. Denn diese sind nicht Teil des Zentralschweizer Polizeikonkordats, mit dem die polizeiliche Zusammenarbeit über die Kantonsgrenze hinaus geregelt ist.
Für Pius Kaufmann (Mitte) ein grosser Fehler, denn gerade kleinere Polizeiposten an der Grenze zu Bern und Aargau sollen geschlossen werden. Die Mitte pocht deshalb auf das Postulat von Claudia Wedekind. Die Regierung soll eine bessere Zusammenarbeit mit gerade diesen Kantonen anstreben.
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Für Paul Winiker jedoch kein Thema. Bestehende Gremien wie das Zentralschweizer Polizeikonkordat oder die Vereinbarung für interkantonale polizeiliche Einsätze genügen. Zudem sei es «illusorisch», dass andere Kantone in die Bresche springen, «nur um Posten aufrechtzuerhalten», so Winiker.
Denn andere Kantone hätten mit denselben Problemen zu kämpfen. Bei Notfällen sei die Zusammenarbeit trotzdem geregelt, denn dann gelte für Grenzkantone die Nothilfepflicht. Bei schweren Unfällen an der Kantonsgrenze springe bereits heute die nächste Patrouille ein, auch wenn sie aus einem Nachbarkanton stamme.
Postenabbau kommt erneut zu Sprache
Diese Ausführungen scheinen den Kantonsrat zu beruhigen. Mit 105 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung erklärt das Parlament das Postulat von Claudia Wedekind als teilweise erheblich. Die Regierung ist also «nur» angehalten, künftig ihre Kommunikation bei solchen brisanten Entscheidungen zu verbessern.
Das letzte Wort in Sachen Polizeiposten in Luzern ist trotzdem noch nicht gesprochen. Derzeit läuft die Vernehmlassung zum Planungsbericht der Luzerner Polizei für 2030 – und zum geplanten Postenabbau. Danach berät der Kantonsrat erneut darüber. Eine angeregte Debatte ist jedenfalls schon vorprogrammiert.
Hinweis: Die Stelle zur geplanten Stellenaufstockung wurde etwas präzisiert und eingeordnet.
- Verfolgung der Debatte im Kantonsrat
- Stellungnahme der Regierung auf Postulat von Claudia Wedekind
- Antworten der Regierung auf Interpellationen zur temporären Postenschliessung
- Planungsbericht der Luzerner Polizei 2022