Nach Aargauer Exhibitionismus-Skandal

Niemand weiss, ob Luzerns Stadträte kriminell sind

Vom Gefängnis in den Stadtrat? In Luzern ist dies nicht undenkbar. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Einem Aargauer Mitte-Politiker wird Exhibitionismus und sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Wie gelangen mutmassliche Straftäter in ein Amt? Die Umfrage bei den Stadtluzerner Parteien zeigt: Eine Kontrolle gibt es auch hier kaum.

«Wenn wir sowas gewusst hätten, wäre er schon lange nicht mehr in der Partei», zeigt sich Marianne Binder, Präsidentin der Aargauer Mitte, schockiert über die Vorwürfe, wegen der sich ein Ex-Parteikollege vor Gericht verantworten muss. In 35 Fällen wird diesem Exhibitionismus und sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Dennoch kandidierte er im Herbst für den Nationalrat.

«Meistens hat man ein Grundvertrauen in die Kandidierenden», verteidigt sich Präsidentin Marianne Binder gegenüber SRF. Regeln, wie Kandidatinnen zu überprüfen seien, habe die Mitte Aargau nicht.

Klingt naiv. Doch wie gründlich überprüfen Luzerner Parteien ihre Kandidaten im Hinblick auf die Ende April anstehenden Wahlen in der Stadt Luzern?

Luzerner Mitte: «Es kann nie alles ausgeschlossen werden»

«Die Verantwortung für ihr Fehlverhalten trägt in erster Linie die Person selbst», sagt Victor Kadlubowski, Parteisekretär der Stadtluzerner Mitte. Für Parteiausschlüsse hingegen sei die Parteileitung zuständig.

Ein Ausschluss erfolge beispielsweise dann, wenn strafrechtliche Verfahren hängig seien oder Verurteilungen vorlägen. Einen Strafregisterauszug muss jedoch nur vorweisen, wer für die Mitte in den Ständerat, den Regierungsrat oder ins Parteipräsidium will.

Grundsätzlich führe die Parteileitung mit potenziellen Kandidierenden Gespräche. «Dabei können gewisse Themen aufs Tapet kommen», erklärt Kadlubowski. «Aber selbstverständlich kann nie alles ausgeschlossen werden.»

SP und Grüne setzen auf Vertrauen

Noch lascher handhaben die Grünen das Thema. Elias Steiner sagt: «Eine gezielte Kontrolle der Kandidierenden gibt es nicht.» Der Stadtluzerner Parteipräsident führt aus: «Wir vertrauen auf die Einschätzung der Personen, die jemanden für eine Kandidatur auf unserer Liste anfragen.» Zumal auch eine vertiefte Überprüfung nicht ausschliessen könne, dass ein Kandidat möglicherweise einen problematischen Hintergrund hat.

Ähnlich informell läuft das Prozedere bei der Stadtluzerner SP ab. «Wir kennen alle Kandidierenden persönlich und überlegen uns bei jeder Person genau, ob sie sich eignet», so Parteisektretär Sebastian Dissler. Auch er ist sich eines gewissen Restrisikos bewusst. «Doch die SP Luzern hatte in den 20 Jahren, die ich überblicke, nie einen problematischen Fall.»

GLP verlangt «wahrheitsgetreue» Auskunft

Etwas genauer schaut die GLP hin. «Kandidierende werden dazu verpflichtet, dem Vorstand wahrheitsgetreu Auskunft über ihren Leumund sowie allfällige hängige Verfahren zu geben», sagt Co-Präsident Michael Küchler. Doch auch die GLP begnügt sich mit einer unterzeichneten Vereinbarung und verzichtet auf einen Strafregisterauszug.

Für eine Stellungnahme nicht zu erreichen waren die SVP und die FDP der Stadt Luzern. Hingegen beantwortet Christian Spieler, Leiter Wahlen und Abstimmungen bei der Stadt Luzern, die Fragen von zentralplus. Ob Gewählte, bevor sie aktiv ins politische Geschehen eingreifen, überprüfte würden, wollten wir von ihm wissen.

Stimmrechtsgesetz sieht keine Prüfung vor

«Grundsätzlich gilt: Alle im Stimmregister aufgeführten Personen, also Schweizerinnen und Schweizer ab 18 Jahren, können sich zur Wahl stellen», sagt Spieler. Doch eine weitergehende Prüfung sei vom Stimmrechtsgesetz nicht vorgesehen. Auch nicht für den Stadtpräsidenten.

Wenn die Stadt Luzern Ende April also neue Politikerinnen ins Parlament, die Regierung und ins Stadtpräsidium wählt, ist es nicht auszuschliessen, dass sich unter den Gewählten auch Kriminelle befinden.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit den Stadtluzerner Parteien SP, Grüne, Junge Grüne, GLP, Die Mitte
  • Artikel auf «SRF»
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 26.02.2024, 13:27 Uhr

    Potentielle oder "amtierende" Straftäter gibt es überall, deshalb weiss auch niemand wie kriminell medienschaffende, Bauarbeiter, Bankiers oder Primarschullehrerinnen sind.

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    • Profilfoto von Gerry W.
      Gerry W., 26.02.2024, 14:36 Uhr

      Es spielt halt schon eine Rolle, ob ein Bauarbeiter oder ein Stadtrat wegen Bestechung oder Betrug verurteilt wurde. Bei einem Politiker ist dies ein no go, bei Bauarbeitern ist es mir egal. Von Bankern würde ich das sogar erwarten.

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      • Profilfoto von Roli Greter
        Roli Greter, 27.02.2024, 17:50 Uhr

        Vor ihrem persönlichen Gesetz sind demnach nicht alle gleich? Selbst moralisch gesehen sollte nicht unterschieden werden.

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        • Profilfoto von Gerry W.
          Gerry W., 27.02.2024, 19:28 Uhr

          Es dürfte selbst einfacheren Gemütern klar sein, dass Bauarbeiter und Stadträte eine ganz unterschiedliche Missbrauchsgefahr darstellen. Kritikalität, nicht Moral.

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  • Profilfoto von Fritz Neumann
    Fritz Neumann, 26.02.2024, 13:07 Uhr

    Nicht nur Stadträte sondern auch Bundesräte sollten im Vorfeld der Wahl und während der Amtszeit regelmässiger untersucht werden. Aber da kuscht die Justiz aus Angst den Job zu verlieren

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