Grüne wollen einen Bundesrat

Manuela Weichelt als Bundesrätin? So stehen ihre Chancen

Eben erst wiedergewählt, steht Manuela Weichelt vielleicht bald die nächste Wahl bevor. (Bild: Andreas Busslinger)

Am Wochenende haben die Grünen angekündigt, an den kommenden Bundesratswahlen den zweiten FDP-Sitz anzugreifen. Als Kandidatin hoch im Kurs steht die Zugerin Manuela Weichelt. Sie ist dem Amt nicht abgeneigt.

Stellt der Kanton Zug nach 1982 erstmals seit dem Walchwiler Hans Hürlimann (CVP) wieder einen Bundesrat? Diese Möglichkeit rückt dieser Tage wieder näher. Am Samstag haben die Grünen angekündigt, an den Bundesratswahlen am 13. Dezember ebenfalls zu kandidieren. Sie wollen der FDP einen Sitz abluchsen, da diese «stark übervertreten» sei.

Wer das Kunststück vollbringen soll, weiss die Partei noch nicht. Bis am 3. November könnten Parteimitglieder kandidieren, am 10. November wollen sie ihr Ticket präsentieren. Bisher hat sich noch niemand auf die Äste gewagt. Doch im Kandidatenkarussell fällt immer wieder der Name einer prominenten Zugerin: Die eben erst wiedergewählte ALG-Nationalrätin Manuela Weichelt (zentralplus berichtete). Auch Politexperte Claude Longchamp bezeichnete Weichelt einst als die Grünen-Politikerin mit den «besten Voraussetzungen» für eine Bundesratskandidatur (zentralplus berichtete).

Manuela Weichelt liebäugelt mit Kandidatur

Manuela Weichelt könnte sich die Kandidatur gut vorstellen, wie sie auf Anfrage schreibt: «Ich überlege mir nach dem Entscheid der Fraktion nach dem letzten Samstag eine allfällige Kandidatur und nutze die nächsten Tage, um mit meiner Familie, Freundinnen und mit der Partei ernsthaft über eine Bundesratskandidatur zu sprechen.» Dafür spräche etwa, dass die ALG in Zug mit 17,4 Prozent trotz Verlusten das beste Resultat aller Grünen Kantonalparteien geholt habe. Die Zuger FDP steht wiederum auf 13 Prozent (zentralplus berichtete).

«Die Zuger Bevölkerung hat sich klar für eine ökologische und soziale Stimme in Bundesbern ausgesprochen, die auch kritisch gegenüber dem Rohstoffhandelsplatz ist.» Bevor sie ihren Hut definitiv in den Ring wirft, möchte sie die Vereinbarkeit des Amtes mit ihren anderen Verpflichtungen, mit ihren Töchtern, dem Partner und anderen Angehörigen besprechen.

Rückhalt aus ihrer Partei

Die Zuger Grünen-Sektion begrüsst den Entscheid der Parteileitung, wie ALG-Co-Präsident Luzian Franzini auf Anfrage schreibt. «Die ALG sieht es gleich wie die Fraktion der Grünen: Wir stellen aktuell die zweitgrösste Fraktion unserer Geschichte. Die Zauberformel ist tot.» Über ein Viertel der Wählerinnen seien derzeit nicht im Bundesrat vertreten. Die FDP hingegen sei mit ihren zwei Sitzen «so stark übervertreten wie nie zuvor».

Die ALG würde eine Kandidatur Weichelts unterstützen, so Co-Präsident Luzian Franzini. (Bild: zvg)

Zu den möglichen Ambitionen von Parteiaushängeschild Manuela Weichelt schreibt Franzini: «Der Entscheid für eine Kandidatur ist natürlich ein persönlicher von Manuela Weichelt.» Derzeit wäge sie die Vor- und Nachteile einer Kandidatur ab, die Partei möchte ihr dafür die nötige Zeit geben. Er hält aber klar fest: «Für die ALG ist klar, dass Manuela Weichelt eine ausgezeichnete Bundesrätin wäre.» Mit ihrer Erfahrung als Zuger Regierungsrätin und mit ihrem jetzigen Erfolg als Nationalrätin bringe sie alle Kompetenzen mit, die es für eine erfolgreiche Kandidatur benötige.

«Es ist wichtig, dass eine Stimme für unser Klima und damit für unsere nächste Generation sowie eine mutige Stimme für den Umbau unseres Gesundheitswesens und eine Stimme für ein würdiges Leben im Alter im Bundesrat vertreten ist», so Franzini.

Politanalyst hält Grünen-Angriff für chancenlos

Weniger rosig sieht die Grünen-Kandidatur hingegen Politanalyst Mark Balsiger. «Der Angriff der Grünen ist chancenlos», kommentiert er das Vorhaben. Unter anderem, weil sie mit ihrem Angriff auf zwei bisherige FDP-Bundesräte zielen. Um als nicht vertretene Partei Erfolg zu haben oder wenigstens ein gutes Ergebnis zu erzielen, seien drei Faktoren ausschlaggebend: Timing, Momentum und die Offenheit des Parlaments, etwas zu verändern. «Im Moment ist keiner der nötigen Faktoren gegeben.»

Das Timing sei schlecht, da die Grünen als Verlierer der Wahlen dastünden. 3,4 Prozent ihrer Stärke hat die Partei gegenüber den Wahlen 2019 eingebüsst. Ihr Angriff wiederum komme etappenweise: «Ein Angriff aus der Defensive muss überraschend und präzise kommen. Die Grünen wissen aber noch nicht mal, mit wem sie antreten.»

Mit der Wahlniederlage sei zudem das Momentum dahin. Aussichtsreicher wäre ein Angriff vor einem Jahr gewesen, als Ueli Maurer (SVP) seinen Rücktritt überraschend bekannt gab. Da kündigte die Partei zwar einen Angriff an – musste das Kriegsbeil aber wieder begraben, da es niemand führen wollte.

Unterstützung der SP ungewiss

Das letzte Wort hat aber das Parlament. Doch dieses sei nicht bereit für die Änderung der Zauberformel, schätzt Balsiger. «Dazu würde es massiven Druck einer aufsteigenden Partei und Offenheit der Parlamentsmehrheit brauchen.» Jetzt, da die Grünen ihren Wahlerfolg vor vier Jahren nicht wiederholen konnten, sähen die meisten Parlamentsmitglieder nicht ein, wieso ihnen ein Sitz zustünde.

Auch die Unterstützung der SP ist ungewiss. Sollten die Grünen tatsächlich einen FDP-Sitz erobern können, könnte dies zulasten der SP gehen. Der Bundesrat wird in der Reihenfolge der Amtszeit einzeln neu gewählt. Erobern die Grünen beispielsweise den Sitz von Ignazio Cassis (FDP), der als Zweites zur Wahl steht, könnte die FDP wiederum mit Cassis Jagd auf die SP-Sitze machen. Denn der Sitz von Elisabeth Baume-Schneider (SP) und der künftig freie von Alain Berset werden zuletzt besetzt.

Dieses Szenario hält Mark Balsiger jedoch für unrealistisch: «Ignazio Cassis gilt zwar nicht als starke Figur in der Landesregierung. Aber die These, er ziehe gegenüber einer Grünen-Kandidatur den Kürzeren, ist abenteuerlich.»

Verheizen die Grünen eine Kandidatin?

Zumal die Kandidatin noch nicht mal feststeht. Im Laufe des Jahres habe Fraktionschefin Aline Trede immer wieder von einer langen Liste an Interessenten für das Amt als Bundesrat gesprochen. «Wegen der Wahlschlappe wird diese Liste aufs Mal brutal kurz», hält Balsiger fest. Für die Grünen-Kandidatur gebe es realistisch zwei Varianten: Variante 1: Die Partei hat den Anspruch, dass jemand für sie die Fahne hochhält.

So bestehe aber das Risiko, jemanden zu verheizen. Balsiger denkt hierbei etwa an die Bundesratswahlen 2011. Der Waadtländer Grünen-Ständerat Luc Recordon holte damals gegen Ueli Maurer gerade mal 13 Stimmen. Oder aber Variante 2: Die Partei setzt auf ein weniger bekanntes Gesicht, um einen Achtungserfolg zu erzielen und die Person für eine spätere Wahl aufzubauen.

Manuela Weichelt hätte gute Chancen aufs Ticket

Bei Variante 2 käme dann Manuela Weichelt infrage. Für Mark Balsiger ist sie eine valable Kandidatin: «Wenn sie will, ist sie auf dem Ticket der Grünen.» Nach 12 Jahren als Regierungsrätin in einem bürgerlichen Kanton wie Zug attestiere man ihr Durchsetzungsfähigkeit und Exekutiverfahrung. Zudem habe sie mit 56 Jahren ein geeignetes Alter: Sie bringe Erfahrung mit, bliebe aber nicht eine halbe Ewigkeit Bundesrätin.

Auch innerhalb der Partei stehen ihre Chancen gut: Sie stammt aus der Deutschschweiz und ist eine Frau. Gerade Zweiteres sei bei den Grünen wichtiger als bei anderen Parteien. Doch auch andere prominente Parteimitglieder werden in den Medien bereits als mögliche Kandidaten genannt. So etwa die Berner Nationalrätin und Fraktionschefin Aline Trede. Sie meinte zwar gegenüber dem «Tagesanzeiger», sie leite den Auswahlprozess und habe darum für die Kandidatur keine Zeit – überlege es sich aber trotzdem. Gute Chancen werden auch dem Glarner Ständerat Mathias Zopfi eingeräumt. Für ihn spricht, dass er sich im bürgerlichen Glarus einen Ständeratssitz erobern und jüngst halten konnte. Auch er überlege sich eine Kandidatur ernsthaft, wie die Zeitung schreibt.

Apropos Chancen: Die geringen Erfolgschancen für eine Grünen-Kandidatur und allenfalls Manuela Weichelt möchte der ALG-Co-Präsident nicht weiter kommentieren. Luzian Franzini schreibt aber: «Bevor es an die Einschätzung einer allfälligen Wahlchance geht, braucht es überhaupt eine Kandidatur von Manuela Weichelt.» Ob der Kanton Zug womöglich bald eine Nachfolgerin für Hans Hürlimann erhalten könnte, zeigt sich spätestens am Freitag.

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11 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 02.11.2023, 11:15 Uhr

    Hätte gerne einen Zuger Bundesrat und ich muss ehrlich gestehen mir wäre sie lieber als Cassis. Am Besten wäre, die FDP schlüge eine Alternative zu ihm vor

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  • Profilfoto von Geri
    Geri, 01.11.2023, 13:30 Uhr

    Nicht die erste Person aus dem zugerischen Mitte-Links Lager, die eine völlig falsche Selbsteinschätzung bezüglich Eignung für den Bundesrat macht.

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    • Profilfoto von Dominique Belcher
      Dominique Belcher, 01.11.2023, 15:59 Uhr

      Stimmt. Wir erinnern uns nur zu gut an Heinz Tännler, Thomas Aeschi oder Peter Hegglin. Ups, die sind ja gar nicht links, sondern rechts. Sowas. Aber sie waren mit einer völlig falschen Selbsteinschätzung unterwegs. Welche linken BR-Kandidaten aus Zug meinen Sie denn konkret, haben Sie Namen?

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    Zuger Kerl, 31.10.2023, 20:46 Uhr

    Haben wir heute den 1. April? Ist ein Scherz. Ohne Leistung Bundesrat werden, so einfach geht das nicht

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      Corry Gunz, 01.11.2023, 08:25 Uhr

      Es wird Ihnen nicht gefallen, doch Weichelts Werdegang ist bilderbuchmässig für den Bundesrat: Studium, Arbeit, Kantonsrat Regierungsrat, Nationalrat. Da können viele andere nicht mithalten.

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      Zuger Frau, 01.11.2023, 11:55 Uhr

      Als Zuger hätten Sie sicher auch gerne mal wieder einen Bundesrat / eine Bundesrätin aus ihrem Kanton. Unsere beiden unscheinbaren Ständeräte werden es nicht sein, Aeschi wird niemals gewählt werden und Pfister hat keine Ambitionen / ist zu alt. Wer also bleibt?

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    Jerome Halter, 31.10.2023, 11:09 Uhr

    Ja, wenn wir deindustrialisieren möchten wäre sie die richtige Person. Wenn ich mich nicht ganz täusche war allerdings vor kurzem die Grünabfuhr…

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    James' Meinung, 31.10.2023, 09:19 Uhr

    Null Komma 0 – so stehen Ihre Chancen.

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    Franz, 31.10.2023, 08:06 Uhr

    Dass die Grünen im Kt. ZG die FDP überholt haben, ist ein ziemlich schräges Argument für einen Sitz im BR. Abgesehen davon hat Th. Aeschi doppelt so viele Stimmen gemacht wie M. Weichelt. Der Ökologismus ist sowieso längst überrepräsentiert im BR. Andererseits wäre es gut, der FDP mal einen Denkzettel zu verpassen für ihre irrlichternde Politik. Die Mitte-Partei sollte eine wertkonservative Person gegen Cassis aufstellen.

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      Kasimir Pfyffer, 31.10.2023, 17:58 Uhr

      Ähem, was bitte soll «Ökologismus im BR» sein? Der Bundesrat setzt um, was das Parlament befiehlt, und das ist alles andere als ökologisch. Siehe Autobahnausbau für 5 Milliarden Franken, verpfuschte Agrarreformen, beharrlich ignorierte Alpenschutzinitiative etc. etc. etc.

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    Josef, 31.10.2023, 06:25 Uhr

    Die Grünen haben nach der Wahlschlappe ganz sicher kein Anspruch auf einen BR Sitz. Es gab einen Rechtsrutsch, akzeptiert diesen. Frau Weichelt war mal eine gute Politikerin, aber mittlerweile zu extrem. Mit ihrem Schilderwahn für Frauen ging sie zu weit.

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