Nach Alain Bersets Rücktrittsankündigung

So stehen die Chancen auf eine Zentralschweizer Bundesrätin

Wer Nachfolger von Alain Berset wird, entscheidet sich im kommenden Dezember. (Bild: pixabay)

Der SP-Bundesrat Alain Berset tritt per Ende Jahr ab. Nun beginnt die Suche nach seinem Nachfolger. Die Zentralschweiz hat kaum heisse Eisen im Feuer. Einzig eine Zugerin scheint Chancen zu haben.

Ende Jahr ist Schluss: SP-Bundesrat Alain Berset kündigte diese Woche seinen Rücktritt an (zentralplus berichtete). Damit beginnt die Suche nach einem Nachfolger. Da das Bundesparlament mit Elisabeth Baume-Schneider im vergangenen Dezember überraschend eine Romande in die Landesregierung hievte und die lateinische Schweiz derzeit mit vier Vertretern im siebenköpfigen Gremium arithmetisch gesehen übervertreten ist, ist nun die Tür offen für eine Deutschschweizer Kandidatur.

Dass auch die Zentralschweiz Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat hätte, ist dabei unbestritten. Denn der letzte Bundesrat, der aus dieser Region stammt, war Kaspar Villiger. Der Luzerner FDP-Politiker trat 2003 zurück. Seit geschlagenen 20 Jahren wartet die Zentralschweiz nun also auf eine Vertretung im Bundesrat. Wird das Bundesparlament im Dezember einen Vertreter aus dieser Region wählen?

SP stellt nur eine Vertreterin aus der Zentralschweiz im Bundesparlament

Klar ist: Viele valable Kandidaten aus dem linken Umfeld gibt es nicht. Die Zentralschweizer Sozialdemokraten stellen mit der Luzernerin Prisca Birrer-Heimo gerade einmal eine Parlamentarierin in Bundesbern. Sie wird sich nach 13 Jahren im Nationalrat zurückziehen und im Herbst nicht mehr zu den Wahlen antreten.

Sollte alles nach Plan laufen, wird ihr Nachfolger wohl David Roth heissen. Dass ein neugewählter Nationalrat gleich danach in den Bundesrat gewählt wird, ist aber nur schwer vorstellbar. Roth, derzeit SP-Kantonsrat und Präsident der kantonalen SP, winkt entsprechend ab: «Für mich kommt das natürlich nicht infrage. Exekutiverfahrung oder Erfahrung im Bundesparlament sind Voraussetzung für eine Kandidatur. Mein Ziel ist es, den Kanton Luzern in der kommenden Legislatur im nationalen Parlament vertreten zu dürfen.»

Doch wer kommt sonst in Frage? Viele mögliche Kandidaten nennt David Roth im Gespräch mit zentralplus nicht. «Da Regierungsrätin Ylfete Fanaj sich eben erst in ihr neues Amt einarbeitet, gehe ich nicht davon aus, dass sie kandidiert. Mit dem Luzerner Stadtpräsidenten Beat Züsli und dem Urner Regierungsrat Dimitri Moretti verfügt die Zentralschweiz hingegen durchaus über profilierte Exekutivpolitiker.»

Regierungsrat überlegt es sich, Stadtpräsident winkt ab

Moretti ist neben Fanaj der einzige SP-Regierungsrat in der Zentralschweiz. Der Urner Sicherheitsdirektor erklärt auf Anfrage von zentralplus: «Ich sage zum jetzigen Zeitpunkt weder Ja noch Nein.» Er habe sich eine Kandidatur noch gar nicht überlegt. Der 50-jährige Urner gibt zu bedenken, dass Regierungsräte, die nie im Bundesparlament sassen, es tendenziell schwer haben, in den Bundesrat gewählt zu werden, da ihnen die Vernetzung und die Bekanntheit in der Bundesversammlung fehle. Aber er werde es sich überlegen und die Diskussionen verfolgen.

Politexperte Claude Longchamp teilt Morettis Einschätzung, dass es Regierungsräte ohne nationale Erfahrung schwer haben. Er räumt einer Kandidatur Morettis entsprechend kaum Chancen ein, wie er gegenüber zentralplus sagt. Luzerns Stadtpräsident Beat Züsli teilt auf Anfrage mit: «Eine Kandidatur ist für mich überhaupt kein Thema, da ich mich in meiner aktuellen Funktion sehr wohl fühle und auch bezüglich des Alters dies ohnehin ausschliessen würde.»

Zugerin könnte antreten

Bleibt der Blick über die SP-Parteigrenze hinaus, hin zu den Grünen. Der «Tages-Anzeiger» sieht als ein mögliches Szenario, dass die Grünen einen Bundesratssitz auf Kosten der SP erobern. Dies, wenn die Grünen bei den Wahlen zulegen oder wenn die SP verliert. Falls das eintrifft, scheint eine Zuger Bundesratskandidatur realistisch, wie der langjährige Politbeobachter Claude Longchamp sagt. Und da fällt der Name Manuela Weichelt. Sie politisiert seit 2019 in der Grünen-Fraktion im Nationalrat, zuvor war sie knapp zwölf Jahre lang Zuger Regierungsrätin.

Longchamp sagte bereits im vergangenen Dezember gegenüber dem Onlineportal Nau, Manuela Weichelt sei die Frau «mit den besten Voraussetzungen» (zentralplus berichtete). Sie besitze reichlich Regierungserfahrung, was wichtig sei für eine mögliche Kandidatur. Auf Nachfrage von zentralplus bekräftigt er diese Einschätzung nun: «Wenn die Grünen bei den Wahlen gut abschneiden, ist Manuela Weichelt eine sehr gute Kandidatin. Sie erfüllt sämtliche Voraussetzungen.» So habe sie Regierungs- und Nationalratserfahrung, sitzt in der einflussreichen nationalrätlichen Gesundheitskommission und sei in Bern gut vernetzt. «Sie ist Favoritin, wenn die Grünen antreten.»

Weichelt äussert sich zurückhaltend

Weichelt selber sagt auf Anfrage von zentralplus weder Ja noch Nein zu einer Kandidatur. «Als Nächstes stehen die National- und Ständeratswahlen bevor.» Für die ALG sei es eine Herausforderung, den dritten Zuger Nationalratssitz zu sichern: «Ich werde meine Energie darauf konzentrieren, diese Hürde zu nehmen, bevor ich mich mit etwas anderem befasse.» Dennoch fügt sie hinzu, es gehe bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats nicht um eine Nachfolge Bersets. Sondern «um die Stärkung des Bundesrats für die Lösung unserer klima- und sozialpolitischen Probleme». Dafür brauche es mindestens drei Sitze für Grüne und SP.

Wird die Schweiz in einem halben Jahr eine Zuger Bundesrätin haben? Die Frage muss momentan unbeantwortet bleiben, es gibt zu viele offene Punkte. Einer davon: In den vergangenen Tagen wurde auch über einen Rücktritt von Guy Parmelin (SVP) spekuliert. «Sollte er ebenfalls zurücktreten, verändert sich die Ausgangslage komplett», sagt Claude Longchamp. Dann kämen plötzlich wieder Vertreter aus der Romandie ins Spiel, was wiederum die Situation für Deutschschweizer Kandidaten verändern würde.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit David Roth, Präsident SP Kanton Luzern
  • Telefongespräch mit Manuela Weichelt, Zuger ALG-Nationalrätin
  • Telefongespräch mit Dimitri Moretti, Urner Regierungsrat
  • Telefongespräch mit Claude Longchamp, Politexperte
  • Schriftlicher Austausch mit Beat Züsli, Luzerner Stadtpräsident
  • Artikel im «Tages-Anzeiger»
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 25.06.2023, 08:46 Uhr

    Ich glaube nicht,bei der SP haben die Frauen die Hosen an und da sehe ich noch keine im Bundesrat

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 24.06.2023, 10:24 Uhr

    Es wäre ein Hintertreppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet jemand aus einer Partei, die die Steuerpolitik ihres Kantons dauerkritisiert, als einzige Bundesrätin aus einem NFA-Geberkanton gewählt würde.

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