Zuger Linke in Feierlaune

Manuela Weichelt: Spät aufgestanden, früh wiedergewählt

Erleichterung bei Manuela Weichelt: Sie schafft die Wiederwahl als Nationalrätin. (Bild: Andreas Busslinger)

An einer Wahl ohne Wendung gelingt der ALG die einzige Überraschung: Sie wehrt den Angriff von FDP und SVP ab, Manuela Weichelt bleibt Nationalrätin. Und erlebt einen Sonntag zwischen Anspannung und Erleichterung.

Um 14.38 Uhr kommt die SMS: «Ich gehe jetzt zum Wahlzentrum, ich bin gewählt.» Fünf Minuten später bricht an zwei Stehtischen in der Aula des Kaufmännischen Bildungszentrums Zug der Jubel los. Manuela Weichelt – im grünen Hosenanzug, frisch im Amt bestätigt – betritt das Wahlzentrum, steuert auf ihr Lager zu und umarmt Tabea Zimmermann Gibson, die erste Gratulantin an einem Wahlsonntag, der für das neutrale Publikum als unverschämt unaufgeregt in Vergessenheit geraten und den Zuger Linken als Freudentag in Erinnerung bleiben wird.

Weichelt und die ALG haben geschafft, was realistisch betrachtet als Einziges vor diesem Sonntag unsicher war: Sie haben gegen SVP und FDP den Nationalratssitz verteidigt, den sie vor vier Jahren den Liberalen abgejagt hatten.

Luzian Franzini: «Die stärkste grüne Partei der Deutschschweiz»

Während diese mit verdrücktem Lächeln und zusammengerolltem Wahlergebnis im Kreis stehen und nicht recht zu wissen scheinen, wie sie sich über die Niederlage hinwegtrösten sollen, herzt sich die 56-Jährige durch die Reihen der Gratulantinnen, wie man es eben tut, wenn man eine Wahl gewonnen hat.

«Ich glaube daran, dass immer eine Tür aufgeht, wenn sich eine schliesst.»

Manuela Weichelt, Nationalrätin ALG

Oder: nicht zwei Wahlen verloren hat. Denn im Rennen um den Ständerat musste sich Weichelt nebst den Bisherigen Peter Hegglin und Matthias Michel auch Thomas Werner von der SVP geschlagen geben. Und doch wird ALG-Co-Präsident Luzian Franzini später sagen, es sei alles aufgegangen, man habe ein sehr starkes Ergebnis erzielt und sei «die stärkste grüne Partei der Deutschschweiz».

Bei einer Abwahl hätte der Plan B gefehlt

Deren Gesicht ist seit diesem Sonntag mehr denn je Manuela Weichelt, die sich nach den Gratulanten von Medium zu Medium spricht, wie man es tut, wenn man gerade eine Wahl gewonnen hat. Ein ums andere Mal kann sie ihre Botschaften platzieren, sich bei den Listenpartnern bedanken, erklären, sie wolle ein Zug repräsentieren, das für mehr stehe als Geld, Firmen und wenig Fragen (in den Worten Weichelts «weiterhin die ethische Stimme Zugs repräsentieren»), den steigenden Krankenkassenprämien den Kampf ansagen und Werbung machen für einen Vorstoss, den sie jüngst zum Thema lanciert hat.

Manuela Weichelt im Fokus der Medien. (Bild: Andreas Busslinger)

So ist noch vor dem Zvieri die grösste, womöglich die einzige nennenswerte Geschichte dieses Wahlsonntags in Zug geschrieben. Die ALG feiert, Manuela Weichelt atmet auf. «Ich glaube daran, dass immer eine Tür aufgeht, wenn sich eine schliesst», sagt Weichelt nach dem Medienmarathon und erklärt, sie hätte im Fall einer Abwahl keinen Plan B gehabt. Dennoch sei es nicht die Erleichterung über die gesicherte Zukunft, die heute überwiege, sondern die Freude über das Resultat, an dem «unzählige Leute mitgeholfen hätten»: die Listenpartner, die Partei.

Ausschlafen am Wahlsonntag

Und so geht im Meer der Botschaften beinahe die andere Geschichte dieses Wahlsonntags unter, nämlich die einer Manuela Weichelt, die am Samstagabend an der Chilbi in Steinhausen die Werbetrommel gerührt hat. Die Geschichte einer Weichelt, die am Sonntagmorgen im Halbschlaf eine Kollegin dazu bewogen hat, zur Wahl zu gehen. Die Geschichte einer Weichelt, die den Beginn des Wahlsonntags auf der Terrasse des Freiruums erlebt hat, wo sie je länger, je nervöser geworden ist.

«Wir haben einen Grund zum Feiern.»

Luzian Franzini, Co-Präsident ALG Zug

Und die Geschichte eines Wahlsonntags, der für Weichelt erst am Mittag angefangen hat, weil sie zuvor Schlaf habe nachholen müssen, so anstrengend sei der Wahlkampf gewesen. Dieser sei während eines guten Stücks in die Session gefallen und habe so nur stattfinden können, wenn Weichelt nicht in Bern, sondern in Zug auf der Gasse war.

Doch am Sonntagabend ist klar: Die Zeit hat gereicht, die Strategie mit der gleichzeitigen Kandidatur für den Ständerat ist für die Zuger Alternativen aufgegangen, während die Grünen schweizweit einen heftigen Taucher hinnehmen mussten. «Wir haben heute einen Grund zum Feiern», sagt Parteipräsident Luzian Franzini vor einem Fenster mit Blick auf den Zuger Bootshafen, nachdem der Jubel ein zweites Mal abgeebbt ist.

Um kurz nach 17 Uhr betritt Weichelt den Siehbachsaal, wo die Alternativen zur Wahlfeier geladen haben. Sie bekommt einen Blumenstrauss in die Hand gedrückt, schwenkt das Bouquet, als wäre es eine Fahne, und wiederholt den Dank an die Partei, ehe der Apéro als eröffnet erklärt wird und sie sich durch die Gratulanten mit Weisswein und Süssmost im Glas prostet, wie man es eben tut, wenn man gerade wiedergewählt wurde.

«Wir werden hier noch weiter festen. Aber ich bin nicht müde. Das Adrenalin wirkt. Und genug geschlafen habe ich auch.»

Manuela Weichelt

Wenig später steht die grün gekleidete Manuela Weichelt unter einem grau-blauen Abendhimmel. Hinter ihr eine Band mit Bass und Schwyzerörgeli, vor ihr eine Menge glücklicher Linker mit Käse und Trauben auf dem Teller. Um kurz vor 18 Uhr sagt die frisch bestätigte Nationalrätin: «Wir werden hier noch weiter festen, danach besuchen wir die anderen Parteien auf deren Feiern, um ihnen zu ihren Resultaten zu gratulieren.» Heute werde es spät, sicher nach Mitternacht: «Aber ich bin nicht müde. Das Adrenalin wirkt. Und genug geschlafen habe ich auch.»

Verwendete Quellen
  • Besuch des Wahlzentrums in Zug
  • Gespräche mit Politikerinnen und Politikern
  • Besuch der Wahlfeier der ALG
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