Wahlen 2023 – Zuwanderung

Bevölkerungswachstum spaltet die Zuger Spitzenkandidaten

Immer mehr Personen leben in der Schweiz – auch im Kanton Zug. (Bild: Andreas Busslinger)

Im fünften Teil der grossen zentralplus-Wahlserie geht es um die Zuwanderung. Wir wollten von Zuger Nationalratskandidatinnen und -kandidaten wissen, wie sie mit der wachsenden Bevölkerungszahl umgehen.

Die Schweiz hat mittlerweile mehr als neun Millionen Einwohner. Das Bevölkerungswachstum geht ungebremst weiter – vergangenes Jahr verzeichnete das Land eine Nettoeinwanderung von über 80’000 Personen – also die Grösse der Stadt Luzern. Die Zehn-Millionen-Schweiz ist nicht mehr weit entfernt, sollte das Wachstum so weitergehen. Mittlerweile macht bereits die Zahl von zwölf Millionen die Runde.

Auch Zug spürt die Zuwanderung. Im ersten Halbjahr dieses Jahres beispielsweise zogen so viele Ausländer in den Kanton wie lange nicht mehr (zentralplus berichtete). Deshalb hat zentralplus im Rahmen der grossen Wahlserie vor den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober die Zuger Spitzenkandidaten für den Nationalrat nach ihren Lösungsvorschlägen gefragt. Konkret lautete die Frage: «Eine Schweiz mit zehn oder gar zwölf Millionen Einwohnern: Wie stehen Sie zu diesem Szenario? Generell: Wie stehen Sie zur Einwanderungspolitik?»

Das sagt die FDP-Kandidatin

Jill Nussbaumer (29, neu): «Ausländische Fachkräfte bleiben für die Schweiz von grosser Bedeutung. Gleichzeitig ist es notwendig, entschlossen gegen Sozialtourismus und Probleme im Asylwesen vorzugehen. Zudem ist es wichtig, Naherholungsgebiete zu erhalten, um das Wachstum nicht über die Lebensqualität zu stellen.»

Das sagt die GLP-Kandidatin

Tabea Estermann (30, neu): «Wenn der Ausbau der Infrastruktur mithält, trägt ein moderates Wachstum der Bevölkerung zu unserem Wohlstand bei. Wenn wir zu schnell und unkontrolliert wachsen oder auf der anderen Seite schrumpfen, wirkt sich das negativ auf unseren Wohlstand und unser Wohlbefinden aus. Das Asylwesen aus dem Kalten Krieg entspricht nicht mehr der heutigen Realität und erfordert meines Erachtens eine umfassende Reform in Zusammenarbeit mit internationalen und nationalen Partnern.»

Das sagt die SP-Kandidatin

Esther Ambühl (49, neu): «Mit unserer Unternehmenspolitik ziehen wir immer mehr Menschen, insbesondere Fachkräfte, an, die Bedürfnisse haben, die wiederum von anderen Menschen befriedigt werden müssen. Solange wir mit unserem Tun und Handeln dazu beitragen, dass Leute ihre Heimat verlassen (Bedarf an Fachkräften, aber auch Klimawandel, Ausbeutung der Umwelt, Flucht vor Konflikten), werden Personen in die Schweiz einwandern. Wenn wir qualitätsvoll bauen, ist eine angemessene Verdichtung möglich, auch für zehn Millionen Bewohnerinnen und Bewohner.»

Das sagen die SVP-Kandidaten

Thomas Aeschi (44, bisher): «Seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU sind 1,5 Millionen Personen netto in die Schweiz eingewandert. Jedes Jahr kommen im Schnitt weitere rund 80’000 Personen neu in die Schweiz, was der Grössenordnung der ganzen Stadt Luzern entspricht. Derweil kämpfen die Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnungsnot, Strommangel, Stau auf den Strassen, überfüllten Zügen und Bussen, einem stagnierenden Pro-Kopf-Einkommen, immer höheren Krankenkassenprämien, verschuldeten Sozialwerken und auch immer mehr Druck auf unsere schöne Landschaft und Natur.»

Thomas Werner (51, neu): «Die Einwanderungs- und Asylpolitik der Schweiz ist ausser Rand und Band. Es kommen zu schnell zu viele und in vielen Fällen die Falschen.»

Das sagen die ALG-Kandidaten

Manuela Weichelt (56, bisher): «Die Schweiz ist ein klassisches Einwanderungsland. Migration ist Teil unseres Wohlstands und Innovation; auch könnten wir unsere Spitäler und Heime schliessen, hätten wir weniger Personen aus dem Ausland. Die Grünen erachten es aber auch als wichtig, dass wir die Ursachen der Migration (Klimaerwärmung, bewaffnete Konflikte, Hunger und wirtschaftliche Not) bekämpfen.»

Andreas Lustenberger (37, neu): «Solange eine Mehrheit in Politik und Wirtschaft eine stark wachsende Wirtschaft befürwortet, solange werden wir auch einwandernde Fachkräfte und deren Familien haben. Ich befürworte ein Abkommen dieses nicht nachhaltigen Wirtschaftswachstums. Der Wohlstand muss global besser verteilt werden, dann werden sich auch weniger Menschen auf gefährliche Migrationsrouten begeben.»

Das sagen die Mitte-Kandidaten

Gerhard Pfister (61, bisher): «Beim Asylwesen braucht es einen besseren Schutz der europäischen Aussengrenzen, es braucht eine verstärkte Umsetzung und Anwendung des Asylgesetzes, das mit schnellen Verfahren arbeitet, aber Rechtsbeistand sichert. Tatsächlich fällt aber bei der Zuwanderung die Arbeitsmigration viel stärker ins Gewicht – sie ist die Folge unseres Erfolgs, unserer Attraktivität, unserer starken Wirtschaft und der tiefen Arbeitslosigkeit, gerade im Kanton Zug gilt das besonders. Diese Zuwanderung reduzieren wir erst, wenn das inländische Potenzial besser ausgeschöpft, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert wird, und Menschen, die länger arbeiten wollen, dies auch wirklich tun können.»

Peter Rust (49, neu): «Aus heutiger Sicht ist dieses Szenario unrealisierbar und absolut nicht wünschenswert, da wir mit der heutigen Raumplanung dafür gar nicht bereit sind und das verdichtete Bauen in den Zentren momentan zu wenig Akzeptanz findet.»

So sind wir vorgegangen

Der Kanton Zug hat drei Nationalratssitze zu vergeben. Derzeit haben die SVP, Mitte und ALG je einen davon inne. Da wir aus praktischen Gründen nicht die Antworten sämtlicher Kandidaten – es sind 99 Personen – abbilden können, haben wir uns entschieden, uns auf die Spitzenkandidaten zu fokussieren. Dabei haben wir folgendes Prinzip angewendet: Anzahl derzeitige Sitze pro Partei, plus eins. So sind wir beispielsweise bei der Mitte von ihrem Sitz ausgegangen, plus ein weiterer Kandidat.

zentralplus hat neun Personen einen Fragenkatalog zugestellt. Die bisherigen Nationalräte waren dabei gesetzt, hinzu kamen die Kandidaten, die unserer Meinung nach die besten Chancen haben, gewählt zu werden. Sei es aufgrund ihrer Prominenz oder ihrer Wahlergebnisse in früheren Nationalrats- oder Kantonsratswahlen.

Bei der Wiedergabe der Antworten haben die Bisherigen Vorrang, danach kommen die neuen Kandidaten. zentralplus hat die Angefragten gebeten, sich auf drei Sätze pro Antwort zu beschränken. Wo dies überschritten wurde, haben wir die Antwort gekürzt.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit den Kandidaten
  • Zahlen des Bundesamts für Statistik
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Leandra P.
    Leandra P., 12.10.2023, 16:07 Uhr

    Die Schweiz ist ein klassisches EInwanderungsland? Ähmm… eher nicht. Bis Ende der 1880er-Jahre war die Schweiz vielmehr ein klassisches Auswanderungsland…

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  • Profilfoto von D. Brunner
    D. Brunner, 12.10.2023, 09:49 Uhr

    Tatsache ist, dass die Zahl der Beschäftigten im Kanton Zug allein 2022 um sage und schreibe 5100 beziehungsweise um 4.4 Prozent auf 122’000 (bei 134’000 Einwohner/innen) zugenommen hat. Ginge es im gleichen Rhytmus weiter, gäbe es 2040 über 250’000 Beschäftigte. Dafür sind die Zuger Raumplanung und die «attraktive» (anziehende) Steuerpolitik weit wichtigere Ursachen als die Freizügigkeit mit der EU. Und nicht 20, sondern schon 60 Jahre Motor für die ständig wachsenden Pendlerströme morgens / frühabends und das chronisch ungenügende Wohnungsangebot (Bevölkerungszunahme 1.2 bis 1.5 pro Jahr) im Kanton. Mit der neuen Entwicklung, dass seit zwanzig Jahren auch in Baar und im Ennetsee viel mehr Arbeitsplätze als Wohnungen entstehen (sollen), das Stadtzuger «Modell» mit übermässigem Pendlerverkehr «erfolgreich» kopiert wird. Ob da Thomas Aeschi oder Peter Rust bremsen helfen oder wohl lieber auf Stammtischniveau bleiben?

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